Kapitel 43: Alles auf Anfang

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   Obwohl es mir zutiefst widerstrebt, folge ich ihnen ins Wohnzimmer und lasse mich auf eines der leeren Sessel fallen. Ich will kein Aufsehen erregen. Ich will nicht der Grund dafür sein, warum es Ruby nachher schlechter gehen könnte. Stattdessen bin ich still und leise, nippe an meinem Getränk und beobachte die beiden, obwohl ich weiß, dass ich es besser nicht sollte. Um meinetwillen. Trotzdem tue ich es, weil ich nicht anders kann. Es ist, als würde man gesagt bekommen, man solle etwas nicht tun. Dann möchte man es gerade deshalb umso mehr.

»Ich wusste gar nicht, dass ihr Kontakt habt«, Tobias schnalzt missbilligend mit der Zunge und ich sehe Ruby – wie auch immer das gehen soll – ein Stück weit mehr versteifen, »Hätte Ruby was gesagt, hätten wir bestimmt öfters was zusammen unternehmen können.« Seine blauen Augen begegnen meinen und ich halte dem Blick stand – werde ihn nicht als Erste abwenden. Ich will nicht erkennen, dass ich gegen ihn verloren habe, selbst wenn das hier nie erst ein Wettkampf gewesen ist. »Kannst du etwa nicht sprechen?«, sein Lachen stößt bei mir auf Missgunst, »Bei Ruby scheinst du aber ziemlich gesprächig. Wo wir gerade dabei sind. Worüber redet ihr denn so? Ihr wirkt zu verschieden.« Das ist ein Test. Definitiv. Vielleicht ist er ein Arschloch, aber er weiß, was er tut. In diesem Fall zumindest. Er will wissen, wie viel ich über ihn Bescheid weiß. Vielleicht will er mich aber auch nur so sehr einschüchtern, dass ich den Kontakt mit Ruby freiwillig abbreche. Oder er will mein Herz in Trümmern sehen, um mir klarzumachen, dass ich hier fehl am Platz bin. Bei Ruby keine Chance habe, solange er hier ist.

Ich zwinge mir mein bestes Lächeln auf. »Über alles Mögliche. Und Gegensätze ziehen sich doch bekanntlich an, oder nicht?« Wie Tobias und Ruby. Der Sturm und die Ruhe. Das wilde Feuer und das stille Wasser.

Nur dass unter der Wasseroberfläche mehr passiert, als Tobias ahnt. Als alle anderen um Ruby herum ahnen. Aus verschiedenen Gründen.

»Dann hat sie hoffentlich nur Gutes über mich erzählt«, er beginnt, sie am Arm zu streicheln, und ich könnte das Kotzen bekommen, »Ich meine, ich hätte gern schon früher die Gelegenheit gehabt, dich besser kennenzulernen.« Um einzuschätzen, ob er mich in Rubys Leben lassen möchte? Bevor sie die Chance gehabt hätte, sich mir richtig zu öffnen? Hilfe zu suchen?

»Natürlich«, ich verziehe das Gesicht und mache eine wegwerfende Bewegung, »Sie schwärmt so viel von dir, es ist fast schon ekelhaft. Wie als wärt ihr frisch verliebt. Ich hoffe doch, ich werde auf eure Hochzeit eingeladen?«

Sein Grinsen wird breiter und er setzt sein Bier zum Trinken an. »Wie könnte ich da Nein sagen? Du scheinst eine wirklich gute Freundin für Ruby zu sein.« Eine so gute Freundin vielleicht, dass ich deshalb möglicherweise keine Aussichten haben werde, jemals mehr zu sein.

»Ich freue mich schon drauf«, ich nicke ihm möglichst freundlich zu, »Entgegen meiner anfänglichen Erwartungen seid ihr wirklich süß zusammen. Und du wirkst wirklich nett auf mich.« So verdächtig nett. Es steht auffällig stark im Widerspruch zu dem Tobias, den ich bis vorhin erlebt habe. Als wolle er mir förmlich in den Arsch kriechen. Oder mich zumindest nicht wissen lassen, was sein nächster Schritt sein wird.

»Ich muss mich auch ehrlich bei dir entschuldigen«, er macht ein zerknirschtes Gesicht und für einen kurzen Moment bin ich versucht, ihm zu glauben, »Unsere erste Begegnung ist ... beschissen gewesen. Ich hatte einen schlechten Tag und wenn es um Ruby geht, kommt einfach der Beschützerinstinkt in mir hervor. Nimm es nicht persönlich.« Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich den starken Verdacht hegen, er hätte eine Wette am Laufen, ab welchem Punkt er mich zum Kotzen bringt. Oder wann ich ausraste. Das würde ich ihm allerdings nicht geben. Ich würde trotzdem mitspielen. Wenn er mir ernsthaft glaubhaft machen möchte, er wäre der gute Kerl, okay. Ich spiele mit, solange es ihn in Sicherheit wiegt und Ruby nichts zu befürchten haben wird.

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