Kapitel 34: Dilemma

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   [Nora:]

Es hilft nichts. Egal, wie sehr ich das Tempo anziehe, nichts kann meine Gedanken stoppen – meine Gefühle zumindest für den Moment verdrängen. Ich atme schwer, meine Seiten schmerzen und meine Oberschenkel brennen so sehr, dass meine Beine beinahe nachgeben. Trotzdem schaltet mein Kopf nicht ab. Trotzdem verfolgen mich all diese Gedanken rund um Zoe. Sobald ich die Augenlider senke, ist alles, was sich dahinter verbirgt, ihr Gesicht. Die Nacht gestern. Alles, was wir bisher miteinander hatten. Wie ein fieser Alptraum.

Daher ändere ich den Kurs meiner Strecke und laufe den ganzen Weg zurück. Ich muss dringend zu Thea. Ich brauche gerade wirklich einen freundschaftlichen Rat. Ich könnte auch mit Ben darüber reden – vor allem, weil er gerade mehr als Thea weiß –, allerdings will ich nicht wirklich mit meinem Bruder über solche Sachen reden. Nicht nach seiner Reaktion, die er gezeigt hat, nachdem er Zoe aus meinem Zimmer hat spazieren sehen. Vielleicht würde es Thea genauso wenig verstehen können. Schließlich mag sie Zoe dank meinen Erzählungen reichlich wenig, auch wenn sie in den letzten Wochen ziemlich gut mit ihr ausgekommen ist. Es ist nur so, dass ich nur die beiden habe, denen ich das erzählen könnte und trotz allem würde meine beste Freundin die bessere Wahl zwischen den beiden darstellen.




»Es muss ernst sein, wenn du mit Sportklamotten bei mir auftaucht. Vor allem wenn du direkt nebenan wohnst«, merkt Thea stirnrunzelnd an, sobald sie mir die Tür öffnet, lässt mich aber sofort rein. In ihrer Miene ist unverkennbar die Sorge zu erkennen.

»Kann man so sagen«, nuschele ich unverständlich vor mich hin und lasse mich seufzend auf die Couch fallen. Ich frage mich, wie meine Beine mich überhaupt bis hierhin haben tragen können. »Es geht um Zoe.«

»Du liebst sie immer noch, oder?«, fragt Thea wissend und vor allem sanft – so sanft, dass ich aufhöre, mir selbst etwas vorzumachen und stumm nicke. Ich habe es wirklich versucht – über meine Gefühle wegzuschauen und mir einzureden, ich würde nichts für meine Exfreundin empfinden, weil es das Einfachste wäre. Es würde alles nur um Welten komplizierter machen. Wir würden vermutlich irgendwann wieder an dem gleichen Punkt wie damals angelangen und auf diesen Schmerz kann ich gerne verzichten. »Aber du wirst es ihr nicht sagen wollen? Wenn ich deinen Blick richtig deute.« Ich nicke wieder. Sie kennt mich einfach zu gut. Obwohl wir ewig nicht mehr richtig miteinander geredet haben. Irgendwie können wir trotzdem noch in dem jeweils anderen lesen.

»Das mit uns ist Vergangenheit. Wir wollten beide damit abschließen. Ich will es nicht schlimmer machen, nur weil ich alte Sachen wieder herauskrame«, sage ich leise – weil ich mir diese Worte kaum selbst glaube. Das sind alles nur Ausreden, weil ich gerne vor der Wahrheit davonlaufe. Deshalb hat es mich damals so viel Zeit und Mühe gekostet, über Zoe hinwegzukommen, weil ich glauben wollte, dass das mit uns vielleicht doch wieder etwas werden könnte. Meine Exfreundin hat mich allerdings eines Besseren belehrt. Ich werde den Fehler kein zweites Mal machen und wieder Hoffnung schüren, die nur erneut enttäuscht werden würde.

»Und das ist es, was du willst?«, fragt sie mich genau das, wovor ich am meisten Angst hatte, mir darüber Gedanken zu machen, »Du willst aufgeben, bevor du es überhaupt versucht hast?« Das sind gefährliche Worte, aber genau die, die ich gebraucht habe. Ich musste sie einfach einmal hören.

Daraufhin atme ich hörbar laut aus. »Und was ist mit Tamara? Die beiden sind gerade auf dem besten Weg, eine Beziehung anzufangen. Ich will nicht die böse Ex sein, die nicht über ihre Exfreundin hinwegkommen konnte und verzweifelt und vergeblich um ihre Gunst kämpfen will, um es den beiden möglichst schwer zu machen, ihr Glück endlich zu finden«, spreche ich meine Bedenken aus. Ganz abgesehen davon, dass es sein könnte, dass wir nur ein weiteres Mal zu der Erkenntnis kommen könnten, dass wir nicht für Ewigkeit bestimmt sind. Ein weiteres Mal von derselben Frau das Herz gebrochen zu bekommen, würde ich nicht aushalten.

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