Kapitel 38: Graues Wetter

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   Danach bin ich abgehauen – im strömenden Regen. Es ist mir egal gewesen und ich habe in dem Moment auch nicht an Balus Gesundheit gedacht. Ich wollte einfach nur weg von Ruby und diesem ganzen Mist. Diesem Streit. Zuhause habe ich meine Eltern schnell abgewimmelt, weil ich meinte, dass ich mich schnell umziehen müsse, bevor ich mich erkälten würde. Sie haben die Lüge geschluckt. Oder zumindest so getan.

Ich habe mich zuerst um Balu gekümmert und dafür gesorgt, dass ich ihn einigermaßen trocken bekomme. Anschließend habe ich heiß geduscht und bin erschöpft in mein Bett gefallen. Ich konnte stundenlang nicht einschlafen – schließlich ist es noch helllichter Tag gewesen –, aber ich konnte mich auch nicht aufrappeln und etwas Sinnvolles tun. Also bin ich im Bett geblieben, bis mich der Schlaf schließlich eingeholt hat. Als ich am nächsten Tag aufgewacht bin, ging es mir beschissen. Nicht emotional – das auch –, sondern körperlich. Mein Hals hat gekratzt, mir war heiß und kalt zugleich und mein Körper fühlte sich unheimlich träge an. Als mir dann noch die Nase gelaufen ist und mich der Husten überrollt hat, musste ich feststellen, dass ich das Gesamtpaket abbekommen habe.

»Wow«, sagt Nora baff am anderen Ende der Leitung, »Dass ich das mal noch erleben darf. Du bist sonst nie krank.«

Ich rolle mit den Augen, auch wenn sie mich nicht sehen kann. »Danke für den Hinweis, nur macht er mich jetzt auch nicht wieder gesund.«

»Brauchst du irgendwas? Soll ich dir was vorbeibringen? Brauchst du jemanden, der dir Gesellschaft leistet und dich unterhält?« Ich stöhne auf und drehe mich in meinem Bett auf die andere Seite.

»Wag dich und tauch hier auf. Ich brauche, glaube ich, gerade einfach echt nur viel Ruhe und Schlaf«, ich stoppe kurz und unterbinde das Zittern meiner Lippen, »Ich fühle mich echt beschissen.« Langsam weiß ich wieder, warum ich nicht gerne krank bin. Ich meine, niemand will das wirklich, aber manchmal hat es auch Vorteile. Gerade spüre ich von denen allerdings rein gar nichts.

Ich habe mich heute Morgen für die Arbeit krank melden müssen, werde später – oder morgen – noch einen Krankenschein vom Arzt machen lassen müssen und irgendwie haben alle gerade das nervige Timing, mir genau jetzt schreiben zu müssen, obwohl mein gesamter Körper allein schon zu zittern beginnt, wenn ich meine Schultern nicht genügend zugedeckt habe. Oder selbst wenn. Außerdem musste ich meinen Eltern mindestens zehntausend Mal versichern, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht und dass sie ruhig zur Arbeit gehen können.

»Dann gute Besserung. Auch von Ben. Er ist jetzt traurig, dass er den Tag ohne dich verbringen muss«, ich kann mir bildlich vorstellen, wie sie theatralisch die Augen verdreht, »Er wird's überleben. Melde dich trotzdem, wenn du was brauchst.«

»Mach ich, danke.«

»Und stirb mir nicht weg!« Ich kann meinen Impuls, die Augen zu verdrehen, gerade so unterdrücken.

»Werde ich schon nicht, Nora. Ich habe eine einfache Erkältung und ein wenig Fieber. Nichts, was mich ins Grab bringen würde. Dann wäre ich nämlich schon ziemlich enttäuscht von mir selber«, bemühe ich mich, sie zu beruhigen. Ich weiß, dass es nur als Scherz gemeint ist, aber ich werde das Gefühl nicht los, tatsächlich Angst aus ihrer Stimme herausgehört zu haben. Sie hat nach wie vor Angst davor, jemanden unverhofft zu verlieren. Irgendwie brummt mir aber zu sehr der Schädel, um länger darüber nachzudenken.

»Okay, überzeugt«, sie stoppt kurz und wirkt nervös, »Ähm, kann ich dir was sagen?«

»Ist das eine ernst gemeinte Frage?« Wenn es mir nicht so unendlich beschissen gehen würde, würde ich erneut mit den Augen rollen. Ich scheine wohl ziemlich leicht reizbar zu sein, wenn ich genervt bin. Oder wenn ich krank bin. Keine Ahnung.

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