Kapitel 30: Wenn die Mauern fallen

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   »Da seid ihr ja wieder! Was habt ihr so lange alleine gemacht?«, fragt Thea und winkt uns sofort herbei.

»Na Sex. Als könnte es was anderes sein«, sagt Ben breit grinsend und schwingt mit dem Löffel vielsagend vor sich hin, während er eine weitere Portion Eis in sich hineinschaufelt (Wann hat er sich das geholt?). In diesem Moment hätte ich ihm auch zugetraut, dass er seine Worte mit seinen Fingern untermalt, wofür ich aber sehr dankbar bin, dass er es unterlässt.

Ich verdrehe die Augen und verpasse ihm einen nicht ganz so leichten Schlag auf den Hinterkopf, den er mit einem lauten ›Aua‹ quittiert. »Hatten wir nicht. Wir mussten nur mal unter vier Augen reden.« Und jetzt fühle ich mich miserabel – sowohl bezüglich Elena als auch wegen Zoe. Warum muss auch alles immer so furchtbar kompliziert sein?

Ich setze mich stumm hin und nach mehreren Minuten kann ich dem Drang, Zoe einen unauffälligen Blick zuzuwerfen, nicht mehr widerstehen. Wie ein Schwamm sauge ich begierig Zoes Anblick auf, aber ich kann nicht verhindern, dass sich eine Schwere um meine Brust legt, wenn ich die beiden so vertraut miteinander sehe.

Sofort reiße ich den Blick von ihr ab und ermahne mich selbst zur Vernunft. Das mit uns ist Geschichte. Es gibt schon lange kein Wir mehr. Warum will mir das einfach nicht in den Kopf gehen? Zoe ist Single und hat jedes Recht, mit anderen Leuten ihren Spaß zu haben – egal, ob in unverbindlicher oder ernster Form. Gerade deshalb sollten wir aufhören, uns gegenseitig Blicke zuzuwerfen, als würden wir uns allein mit den Augen ausziehen wollen. Das zwischen uns muss aufhören, bevor ich mich in Situationen verrennen werde, die mein Untergang sein werden.

Deswegen schaue ich sie nur noch an, wenn es nötig ist. Deswegen halte ich den Kontakt auf das absolute Minimum begrenzt. Deswegen errichte ich diese Mauern zwischen uns, um unser beider Glück nicht im Wege zu stehen.

Gottverdammt, das hier zwischen uns ist von Anfang an eine schlechte Idee gewesen. Ich hätte sie schon zu Beginn abweisen müssen, als sie mich darum gebeten hat, wieder Teil meines Lebens werden zu können. Ich hätte es besser wissen müssen.

Deshalb schweige ich neben Elena und lasse mich von all den Gesprächen um mich herum berieseln. Aus den meisten Konversationen halte ich mich heraus, aber wenn ich angesprochen werde, gehe ich darauf ein. Ich versuche mich nur möglichst unauffällig aus der Affäre zu ziehen, ohne mir anmerken zu lassen, wie es in mir drinnen aussieht. Selbst wenn mir Elena hin und wieder besorgte Blicke zuwirft, ignoriere ich sie nur. Ich tue verzweifelt so, als wäre alles in Ordnung, obwohl in mir drinnen gerade alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Dabei verstecke ich mein trauriges Gesicht lediglich hinter einer glücklichen Maske.



»Ich gehe jetzt schon. Mir ist nicht gut«, sage ich schließlich am Abend, als ich es einfach nicht mehr aushalte, und stehe auf.

Wenn ich Zoe hier loswerde, muss ich nur noch die nächsten beiden Tage überstehen und dann ist sie bereits weg. Danach werde ich den Kontakt wohl kaum noch halten – so, wie wir es damals getan haben. Einfach alle Verbindungen kappen. Ich habe es einmal überstanden, also werde ich es diesmal auch schaffen.

Ich sehe Elena an, dass sie am liebsten etwas sagen möchte – dass sie mir am liebsten folgen will –, aber sie bleibt still. Mir zuliebe. Weil sie spürt, dass ich gerade keine Gesellschaft brauche. Oder was auch immer. Und vor allem vermutlich, weil sie sich die Schuld dafür gibt, dass es mir gerade miserabel geht. Was stimmt. Gleichzeitig aber irgendwie auch nicht. Auch bevor sie das gesagt hat, ist mir klar gewesen, dass vermutlich etwas zwischen den beiden läuft. Es nur klar und deutlich zu hören, tut viel mehr weh – zu wissen, dass es nicht nur die quälenden Gedanken sind, sondern die harte Realität.

»Ich begleite dich. Es ist schließlich schon spät«, entgegnet Zoe und steht ebenfalls auf. Ich hingegen starre sie ungläubig an.

»Du kannst deine eigene Abschiedsparty nicht einfach verlassen«, widerspreche ich skeptisch. Dabei will ich einfach nicht, dass wir alleine sein werden. Dass es gerade dunkel wird, spielt mir hierbei nicht wirklich in die Karten. Es wäre sogar ein weiterer Grund, nicht alleine Nachhause zu gehen.

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