Kapitel 69: Till Death

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   [Nora:]

»Der Song ist neu«, merkt Zoe an, als wir den Bergweg hochgehen. Gestern habe ich ihr versprochen, dass ich sie zu einem Date mitnehmen würde, nachdem ich den Wetterbericht überprüft hatte. Ich habe ihn heute bestimmt stündlich wieder abgerufen, um sicherzugehen, dass uns kein plötzlicher Regenschauer überraschen würde, sobald wir erst auf dem Berg sein sollten.

»Gut bemerkt«, sage ich nur knapp und versuche mich auf das Gehen zu konzentrieren, aber ich kann nichts dagegen tun, dass meine Augen ständig zu Zoe schnellen. Ich will sehen, wie sie reagiert, wenn sie das Lied hört. Es ist i wish u knew von vaultboy. Ich bin zufällig auf diesen Song gestoßen und musste ihn einfach reinpacken. Ich muss Zoe einfach wissen lassen, wie viel sie mir bedeutet und wie sehr ich sie liebe, auch wenn sie sich selbst nicht als würdig empfindet und sich so fühlt, als wäre es sie allein gegen den Rest der Welt. Auch wenn sie über ihre Probleme schweigt und sie im Leben keinen Sinn mehr sieht. Egal, wie viele Tränen und Mühen mich Zoe kostet, ich liebe sie über alles. Ich würde mich immer zuerst dazu entscheiden, um sie zu kämpfen und ihr zu zeigen, wie viel das Leben zu bieten hat. Dass es noch nicht enden muss.

»Ich weiß das«, sagt Zoe schließlich, als der Song sich dem Ende neigt, »Es ist nur nicht immer so leicht, das zu kapieren, wenn du nur fühlst und siehst, wie beschissen es dir geht. Aber ich weiß es.« Und ich nicke nur. Irgendwie ist das unsere Art geworden, miteinander zu kommunizieren. Nicht ausschließlich, aber unter anderem. Manchmal sagen Lieder viel mehr als tausende Worte. Manchmal kommen wir erst dadurch ins Gespräch – fangen an, uns intime, verletzliche Informationen zu erzählen.

Deshalb muss ich erst so schmunzeln, als Before You von Benson Boone läuft und ich in Zoes Augen das rege Funkeln erkennen kann. Es ist so ein verflucht romantisches Lied, aber es ist auch so verdammt schön. Ich liebe es. Und ich weiß, dass Zoe es auch tut, selbst wenn sie es nicht zugibt. Es ist das perfekte Lied für ein Date wie dieses.

»Ich weiß, wir haben den Song schon oft gehört, aber es ist immer noch gruselig, dass sogar das Detail mit den dunkelbraunen Augen stimmt«, merkt Zoe irgendwann an und ich muss breit grinsen.

»Ich gebe mir eben bei meiner Songauswahl mühe«, erwidere ich, »Es muss alles passen.«

»Ich würde ja auch einen solchen Song raussuchen, aber die Beschreibung ›grünblaue Augen mit einem Stich Braun‹ ist etwas zu lang. Bringt kein Mensch in einem Song«, kontert Zoe und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.

»Vielleicht findest du ja was mit dunkelblonden Haaren«, entgegne ich, »Dürfte nicht so schwer sein. Es gibt viele Blondinen da draußen.«

Unterdessen erreichen wir die Plattform auf der Spitze des Berges, die extra für Besucher angelegt worden ist. Wir steuern zielstrebig eine Bank an, um eine kleine Verschnaufpause einzulegen und die Aussicht zu genießen. Die übrigens der Hammer ist.

»Wow«, entfährt es Zoe und ich muss vor Stolz breit grinsen. Das ist ein gutes Zeichen. Ich wusste, dass es ihr gefallen wird.

»Nice, oder?«, frage ich und sie nickt, ohne den Blick abzuwenden. Ich hingegen zwinge mich dazu, meine Augen zu Boden zu richten, um nicht zu sehr in die Versuchung zu geraten, mein Handy herauszuholen und den Ausblick über die Stadt zu fotografieren.

Vor Monaten habe ich angefangen, Bilder von Zoe aufzunehmen. Immer mal wieder. Offensichtlich heimlich, denn ich wollte nicht, dass Zoe davon Bescheid weiß. Nicht von den Bildern. Das ist mir prinzipiell egal. Es geht darum, dass sie dann wissen würde, wie viel mir noch an der Fotografie liegt. Dass es doch nicht so einfach ist, sie beiseitezulegen, wenn man sie einmal abgöttisch lieben gelernt hat. Und vor allem nicht, wenn Zoe jedes Mal unbewusst mein Bedürfnis freilegt, Bilder zu schießen – meine Leidenschaft wieder aufs Neue entfachen lässt. Sie hat Modelpotential. Zumindest als mein Model.

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