Kapitel 17: Mein Großer

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   Danach haben wir nicht mehr viel geredet. Gar nicht, um genauer zu sein. Trotzdem ist es nicht unangenehm gewesen, aber ihre Beichte lag schwer in der Luft. Ich wusste einfach nicht, wie ich darauf hätte reagieren sollen. Erwartete sie von mir, dass ich ihr einen Ratschlag geben würde? Wollte sie überhaupt einen? Oder wollte sie bloß jemanden, der ihr zuhörte? Deshalb habe ich einfach ihre Hand genommen. Nicht, weil ich lesbisch bin und mich an sie ranmachen wollte, sondern weil ich ihr Nähe und Wärme schenken wollte. Und sie hat meinen Händedruck erwidert.

Gegen zehn Uhr habe ich dann meinen Bus Nachhause genommen. Wir haben uns umarmt und uns gegenseitig eine gute Heimfahrt gewünscht, aber über Tobi haben wir auch dann nicht mehr geredet. Wir haben gar nicht mehr über dieses Gespräch geredet.

»Ich hatte nur das Gefühl, dir das erzählen zu können. Irgendwie vertraue ich dir.«

Ihre Worte werden wie auf Dauerschleife immer und immer wieder während der Busfahrt in meinem Kopf abgespielt und obwohl das Thema absolut nicht schön gewesen ist, muss ich über ihre Worte lächeln.

Noch nie hat mir das jemand gesagt und mir jemals so viel bedeutet. Von Ruby klingt es wie das Gewinnen einer Goldmedaille. Ich bin einfach nur unendlich glücklich darüber.

»Bin wieder da«, rufe ich ins Haus hinein, sobald ich heimkomme.

»Hallo, Schatz«, sagt meine Mutter liebevoll, sobald ich ins Wohnzimmer komme, und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Stirn, »Wie war das Essen?«

»Es war der Hammer. Auch wenn trotzdem niemand an deine Kochkünste rankommen könnte, Mama«, erwidere ich und küsse sie auf die Wange. Anschließend tue ich das auch bei meinem Vater. Viele in meinem Alter würden sagen, dass das nur noch Kinder machen, aber daran störe ich mich nicht. Es ist eben unsere Art, zu zeigen, wie sehr wir uns alle lieben und uns wichtig sind. Wenn ich dann als uncool abgestempelt werde, ist es das wert. Ich würde meinen Eltern deshalb nicht verheimlichen wollen, wie viel sie mir bedeuten.

Augenblicklich hebt mein Vater den Daumen in die Höhe und grinst. »Das ist mein Mädchen! Sie weiß, wie sie die Frauen rumkriegt.« Ich verdrehe die Augen und meine Mutter schlägt ihm sanft gegen den Arm, was er mit einem Lachen quittiert.

»Wie auch immer. Ich drehe noch schnell mit Balu eine Runde«, meine ich und meine Eltern nicken, aber können sich ein ›Pass auf dich auf‹ nicht verkneifen. Das versichere ich ihnen, ehe ich unseren Hund zu mir rufe. Sofort steht er von seinem Schlafplatz im Flur auf und sprintet wild mit seinem Schwanz wedelnd auf mich zu. Ich gehe auf die Knie und lasse mich von ihm in die Tiefe reißen.

»Oh Gott, Balu, bist du etwa so aufgeregt?«, frage ich ihn belustigt und lasse zu, wie mich unser großer Vierbeiner ableckt. »Na, bereit, mein Großer?« Sobald er einmal laut bellt, stoße ich einen amüsierten Laut von mir. Das werte ich als ein ganz klares Ja.

Schnell schnappe ich mir die Leine, eine Tüte und ein paar Leckerlies, falls unser brauner Hovawart nicht hören sollte, aber eigentlich mache ich mir darüber kaum Gedanken. Balu ist zwar eigensinnig, aber er hört normalerweise immer, wenn man streng zu ihm ist. Nur ist er trotzdem nie ganz warm mit Rebecca geworden. Ehrlich gesagt hat sie es nach den paar Malen am Anfang auch aufgegeben, sich mit ihm verstehen zu wollen und hat es, so gut es ging, gemieden, Zeit mit ihm zu verbringen. Ich fand das schade, aber habe es mit mir machen lassen. Jetzt denke ich daran zurück und werde das Gefühl nicht los, dass Balu von Anfang an gesehen hat, was Rebecca für ein Mensch gewesen ist.

Plötzlich schießt mir Ruby durch den Kopf und ich kann nicht verhindern, mich zu fragen, ob Balu sie wohl genauso anfeinden oder ob er sie genauso wie ich ins Herz schließen würde.

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