Kapitel 27: Takt im Blut

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   [Nora:]

[Vergangenheit]

Es würde ein Gespräch folgen, das eigentlich schon seit Wochen überfällig gewesen war – das schon vor Wochen hätte geführt werden müssen. Wir hatten uns allerdings beide davor gedrückt, obwohl wir beide genau wussten, dass es unausweichlich sein würde. Wir konnten so einfach nicht mehr weitermachen. Unwillkürlich musste ich an den Song It'll Be Okay von Shawn Mendes denken. Den hatte mir Zoe mal gezeigt.

»Ich glaube, wir wissen beide, warum ich mit dir reden wollte«, begann Zoe und ich wagte es erst gar nicht, sie anzuschauen. Und ich wusste einfach, dass es ihr genauso gehen würde. Ihr fiel all das hier genauso schwer wie mir. Das zeigten ihre zitternden Hände und der unruhige Ton in ihrer Stimme.

Sie hatte mich also nur mit viel Überwindung zu sich Nachhause bestellen können und ich konnte die sonst so vertrauten Merkmale dieses Hauses – ihres Zimmers – nur mit einem bitteren Beigeschmack auf meiner Zunge betrachten. Ich wusste jetzt bereits, dass ich sie vermutlich nie mehr wiedersehen würde. Oder zumindest nie mehr in demselben Licht.

Ich nickte nur. Das war alles, wozu ich imstande war. Daher überließ ich getrost Zoe das Reden, denn ich wäre nicht in der Lage gewesen, diese Worte auszusprechen. Sie hingegen schaffte es. In diesem Moment fragte ich mich instinktiv, ob sie es schwerer oder leichter hatte. Sie hatte den Mut, das zu sagen, was gesagt werden musste. Fiel es ihr nur leicht oder war sie einfach besser darin, über ihre eigenen Gefühle zu springen? Hatte sie es schwerer, weil ich ihr alles auflastete, oder litt sie darunter einfach weniger? Hatte sie damit bereits halbwegs abgeschlossen?

Der letzte Gedanke brach mir das Herz.

»Wir können das nicht mehr weiter fortführen – diese Beziehung, meine ich. Sie zieht uns nur beide runter und irgendwie...«, sie haderte sichtlich mit ihren Worten, »Habe ich einfach nicht mehr das Gefühl, dass das hier richtig ist – dass ich dich noch liebe. Es tut mir leid. Du weißt, wir haben beide etwas Besseres verdient. Wir sollten glücklich sein und nicht beide jedes Mal, wenn wir miteinander zu tun haben, am Boden zerstört sein. Oder uns streiten.« Noch nie hat sich Zoe ferner und unnahbarer angefühlt wie in diesem Moment. Ich könnte nicht einmal meine Hand ausstrecken und erwarten, ihre in meiner zu spüren. Ich würde sie nur ausstrecken und den kühlen, peitschenden Wind wahrnehmen können. Warum also nach etwas streben, was man sowieso schon verloren hatte?

Warum will mir dann der Song never have i ever von Casey Baer nicht aus dem Kopf gehen? Den mir auch wieder Zoe gezeigt hat?

»Ich weiß«, presste ich mühselig hervor, während ich mit den Schultern zuckte – so tat, als wäre es mir egal. Dabei stand ich den Tränen nahe und kämpfte gegen sie an, die hartnäckig in meinen Augen hingen. Ich wollte, dass es so wirkte, als wäre ich genauso cool mit der Trennung wie sie. Es schien nicht so, als würde es sie nicht treffen. Ganz im Gegenteil, sie kämpfte auch mit diesem Verlust, aber sie schien gefasster – rationaler. Sie wusste, was sie fühlte und was sie wollte: Nämlich das hier nicht mehr. Sie wollte mich nicht mehr.

Zumindest als ihre feste Freundin.

Allein, wenn ich nur daran dachte, was das für mich – für uns und die Zukunft – bedeuten würde, zersprang mein Herz in abertausende kleine Scherben, denen es unmöglich war, jemals wieder allesamt zu einer Form zusammengefügt zu werden. Es würden immer kleinste Teile dabei verloren gehen, die nach außen hin unscheinbar und undurchsichtig wirkten, in mir drinnen jedoch die ganze heile Welt zusammenhielten. Sie brauchte jedes Stück und es durfte keins fehlen oder an die falsche Stelle geraten, sonst würde alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Und das tat es.

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