Kapitel 5: Abschied

73 4 20
                                    

   »Ähm«, setzt sie nach einiger Zeit der angenehmen Stille an, »Ich sollte vermutlich langsam wieder zurück«, sagt sie etwas zerknirscht und ich kann mich diesem Ausdruck nur anschließen.

Ich will mindestens genauso wenig, dass das hier ein Ende nimmt. Trotzdem nicke ich und lasse zu, dass sie mir den Rücken zukehrt – bis ich bemerke, dass wir hiernach nur noch Fremde sein werden. Bis ich bemerke, dass ich sie hiernach nie wieder sehen werden.

Alleine der Gedanke bereitet mir furchtbare Magenschmerzen.

»Warte«, höre ich mich sagen und beiße mir bereits im nächsten Moment auf die Zunge. Ich weiß absolut nicht, was mich dazu geritten hat, ihr hinterher zu rufen, aber jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Selbst meine letzte Hoffnung, sie könnte mich möglicherweise nicht verstanden haben, erlischt, sobald sie sich fragend zu mir umdreht – mit einem solchen strahlenden Lächeln, das es mir das Herz brechen würde, es mit einem plumpen ›Nichts‹ abzutun. Es würde sich falsch anfühlen.

Deshalb atme ich einmal tief durch und überbrücke die entstandene Distanz zwischen uns. Als ich ihr tief in ihre graublauen Augen starre, vergesse ich beinahe meine Worte.

Aber bereits wenige Augenblicke danach ermahne ich mich selbst zur Vernunft.

Wir haben nur wenige Stunden miteinander verbracht und zudem hat sie einen Freund. Ganz abgesehen davon, dass sie eventuell nicht einmal auf Frauen stehen könnte, würde sie sich in einer Beziehung sowieso nicht romantisch für andere Menschen interessieren. Und selbst wenn, dann würde ich dabei nicht mitspielen. Also war es in jeglicher Hinsicht dumm, sich so zu fühlen. Ich sage nicht, dass ich etwas von ihr will. Oder dass ich so schnell auf sie stehe. Es würde mir letztlich nur das Herz brechen, aber...

Ich hasse es, es zugeben zu müssen, aber diese Frau hatte nun mal etwas an sich, das es mir deutlich schwerer macht, mich in ihrer Nähe nicht etwas gehen zu lassen – sich nach meiner letzten Trennung nicht etwas offener und glücklich mit Menschen zu verhalten. Als Art Bekannte. Oder Nicht-Mehr-Fremde. Ich dachte wirklich nicht, dass das nach der Sache mit Rebecca so schnell wieder möglich wäre.

Sobald ich mich allerdings wieder an sie erinnere, krampft sich mein Herz schmerzhaft zusammen und ich muss gegen die Tränen ankämpfen, die mich vor einer immer noch praktisch Fremden bloßstellen wollen.

Und ich musste mich noch daran erinnern, dass ich ihrem fragenden Blick eine Antwort schuldig bin.

»Sorry«, ich räuspere mich und ich hoffe inständig, dass ihre besorgte Miene nicht meinen weggeblinzelten Tränen gilt, »Ich war in Gedanken versunken. Jedenfalls«, ich hole mein Handy raus und zeige ihr meine Handynummer, »Hier meine Nummer. Nur falls du magst und du mal wieder jemanden zum Auskotzen brauchst«, ich zucke mit den Schultern, »Wir kennen uns zwar nicht wirklich, aber zu einer weiteren Nacht, an der wir über alles Mögliche reden, würde ich nicht Nein sagen.« Und je mehr ich versuche, es wieder geradezubiegen und ihr alles zu erklären, damit es nicht allzu komisch rüberkommt, desto merkwürdiger wurde es nur.

Ich seufze und stecke mein Handy weg, als ich ihren nachdenklichen Blick bemerke. »Eigentlich auch egal. Es wirkt selbst auf mich wie ein schlechter Versuch, sich die Nummer einer hübschen Frau zu schnappen.«

Ich spüre die Hitze in meine Wangen aufsteigen, sobald ich jetzt erst realisiere, wie ich sie gerade bezeichnet habe.

Fuck, wie peinlich möchte man nur sein? Das ist so verdammt unangenehm. Vor allem, weil sie einen Freund hat.

Daraufhin schüttelt sie aber nur lachend den Kopf und tritt neben mich, um mein Handy wieder aus meiner Hosentasche herauszuziehen. »Nein, ich glaube, nachdem wir stundenlang miteinander geredet haben, wirkt es definitiv nicht so. Deshalb«, sie hält mir mein Handy vor die Nase, damit ich es vermutlich für sie entsperren würde, »hätte ich deine Nummer liebend gerne. Nur wenn das Angebot natürlich noch steht.«

UnbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt