Kapitel 3: Charlotte

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Ich hole mir gerade die Fertignudeln aus der Mikrowelle, als es an der Tür klingelt. Das ist bestimmt Charlotte. Meine beste Freundin und Nachbarin. Sie lebt in der Wohnung gegenüber und hat sicher gehört, dass ich nach Hause gekommen bin.

Schnell stelle ich die Pappschachtel bei Seite und eile zur Tür.

Natürlich ist es Charlotte und sie grinst mich breit an. „Darf ich hereinkommen?"

„Klar. Hast du schon was gegessen?", frage ich und öffne dabei die Tür etwas weiter.

„Ja, gerade eben erst. Aber einen Cappuccino würde ich nehmen", antwortet sie und betritt den Flur.

Ich winke Charlotte ins Wohnzimmer durch und gehe zurück in die Küche, werfe eine Kapsel für den Cappuccino in die Kaffeemaschine und bringe derweil mein Essen ins Wohnzimmer.

Charlotte hat sich auf die Couch gesetzt und sieht zu mir. „Wie war dein Tag?"

„Gut so weit...", entgegne ich ausweichend und denke dabei an Ethan.

Der Cappuccino ist gleich fertig. Also gehe ich zurück in die Küche, nehme eine Flasche Wasser, zwei Gläser und die Tasse zurück ins Wohnzimmer. Bevor ich mich auf die Couch plumpsen lasse, reiche ich Charly die Tasse. Noch kurz die zwei Gläser mit Wasser füllen und schon greife ich nach den Fertignudeln. Bandnudeln mit Lachs.

Ich esse eine Gabel, bevor ich Charlottes Frage etwas ausführlicher beantworte: „Wir haben einen neuen Mitarbeiter im Lager. Endlich muss ich die Paletten nicht mehr alleine auspacken."

„Oh, cool. Sieht er wenigstens gut aus?"

„Verdammt gut, sogar. Ein ernstes Gesicht, kurze Haare... Und diese Muskeln. Wow!"

„Frag ihn nach einem Date!", schlägt Charlotte direkt vor.

„Hey, der hat heute erst bei uns angefangen. Ich weiß nicht mal, ob er eine Freundin hat. Vielleicht ist er ja sogar schon verheiratet."

„Hast du denn einen Ring gesehen?"

Ich schaue von der Pappschachtel auf und sehe Charlotte genervt an. Gut, ich bin jetzt seit fast einem Jahr Single. Die Trennung war wirklich schwierig für mich. Ohne Charlotte hätte ich das nie geschafft. Sie hat mich aus meinem Loch gezogen und mich wieder aufgemuntert.

Und nun hat es sich Charly zur Lebensaufgabe gemacht, mich zu verkuppeln. Vielleicht klappt es ja mit einem Freund, wenn ich mit dem Studium fertig bin. Derzeit habe ich eh viel zu wenig Zeit.

„Keine Ahnung, ob er einen Ring hatte. Darauf habe ich nicht geachtet", antworte ich zögerlich.

„Aber auf seine Muskeln!" Charly fängt an zu lachen und ich stimme mit ein. Sie hat ja recht... Im Grunde sehne ich mich nach einem starken Mann, der mich hält und mir Geborgenheit schenkt, Nähe und guten Sex. Vor allem guten Sex.

Charlotte nippt an ihrem Cappuccino und wechselt unvermittelt das Thema: „Ich habe morgen Abend übrigens wieder eine Session. Was hältst du davon, wenn du mich begleitest?"

„Session..." Ich schaue Charly kritisch an und hebe fragend beide Augenbrauen.

Sie nickt sofort und ich weiß, welche Art von Session es ist. Charlotte ist Model, allerdings verdient sie nicht besonders viel Geld dabei. Nebenbei macht sie Yoga und geht noch ins Fitnessstudio. Vor zwei Jahren hat sie als Aktmodell angefangen zu arbeiten und findet es befreiend, wie sie sagt.

Räuspernd hebe ich beide Hände. „Ich werde mich sicher nicht für irgendwelche Kunststudenten ausziehen."

„Es sind immerhin 50 Tacken für den Abend. Aber tatsächlich dachte ich daran, dass du unter den Künstlern sitzt", entgegnet Charly.

Ich hebe kurz die Augenbrauen und sehe Charlotte nachdenklich an. Natürlich habe ich hier und da mal überlegt, einen Zeichenkurs zu machen. Allerdings fehlte mir bisher Zeit und Geld dafür. „Ach was, ich kritzle nur ein paar Bilder. Die sind nicht mal anatomisch korrekt, weil ich Mangas und Chibis zeichne."

„Und die sind echt gut! Du solltest dein Talent nicht schmälern. Außerdem ist da dieser echt heißeStudent..."

„Oh, wow." Ich lehne mich zurück und rümpfe die Nase. Natürlich musste da ein Hintergedanke sein. Seit Wochen schleppt sie mich immer wieder auf Dates und meint, mir täte das Alleinsein nicht gut. Womit sie eigentlich auch rechthat...

„Sein Vater arbeitet in einer Werbeagentur und wenn ich dort unter Vertrag käme, dann würde sich meine Gage verdreifachen!"

Ich hebe beide Augenbrauen. „Aber solltest du dann nicht mit ihm daten?"

„Er hat mich schon zwei Mal nackt gesehen und wenn ich ihn jetzt frage, wirkt es bloß, als sei ich auf Sex aus."

Nachdenklich nage ich an meiner Unterlippe. Also will sie so ein gestelltes Treffen, bei dem wir uns"zufällig" sehen. Andererseits bedeutet es für mich ja, dass es gar kein richtiges Date ist. Daher stimme ich zu: „Na gut. Aber nur, weil du es bist."

„Es gibt da in der Nähe eine wirklich gute Pizzeria."

„Ja, ich weiß. Da waren wir schonmal, als du mich von der Uni abgeholt hast."

Ich esse schnell den Rest meiner Nudeln auf und nehme ein Glas Wasser.

„Ich zeige dir morgen, wo er immer sitzt und du setzt dich daneben. Ein wenig quatschen, dann gemeinsamessen... Und ich komme später ganz zufällig dazu", erklärt Charlotte mir ihren Plan.

Ich nicke Charly knapp zu. Wir haben das schon häufiger gemacht. Auch andersrum, wo ich erst später dazukam. Allerdings glaube ich nicht, dass das den Kerlen besonders gefällt.

Für den Moment ist mir das allerdings recht, weil ich eh keine Lust auf Dates habe. Aus so einer gefaketen Sache kann einfach nichts werden.

Nachdem so weit alles geklärt ist, verabschiedet Charly sich und ich wühle mich noch ein wenig durch meine Aufzeichnungen und schlage ein paar Fachbegriffe nach.

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt