In der Uni denke ich immer wieder anEthan und kann mittlerweile nicht mehr leugnen, dass ich wirklichetwas für ihn empfinde. Ja, ich denke, ich verliebe mich tatsächlichin ihn. Ich muss unbedingt mit Charlotte darüber reden. Und meinenEx endgültig abhaken. Denn eins steht mittlerweile fest... Ich habeihn wirklich noch nicht losgelassen. Hängt ein Teil von mir etwanoch an ihm?
Die Trennung von meinem Ex war fürmich echt schwer gewesen und ohne die Hilfe von Charlotte hätte ichdas nie gepackt. Von heute auf morgen hat er einfach die Beziehungbeendet und gesagt, er habe ein besseres Jobangebot bekommen.Dafür müsste er aber flexibel sein und umziehen. Ich bot ihm sogaran, dass wir zusammen umziehen und ich ihm helfe. Auch wenn esbedeutet hätte, dass ich mein Studium pausiere. Oder eine andere Unisuchen muss.
Er hatte mir ja nicht mal gesagt, wo er hinzieht, geschweige denn, wie seine neue Firma heißt. Mir wurderecht schnell klar, dass er nicht will, dass ich ihm folge. ÜberWochen hinweg habe ich mir Vorwürfe gemacht und mir eingeredet, ichhätte zu viel Zeit ins Studium gesteckt und meinen Freundvernachlässigt. Obwohl mein Ex mich verlassen hat, habe ich langegeglaubt, es sei meine Schuld gewesen. Er habe sich von mir nichtmehr geliebt gefühlt.
Ohne die Hilfe von Charlotte hätte ichdie Trennung nicht gepackt. Nicht nur, dass ich wochenlang echt amBoden zerstört war. Es war generell schwer, plötzlich alles alleinemachen zu müssen. Noch dazu hatte er bloß das Nötigste mitgenommenund ich habe seine Sachen lange in der Wohnung aufbewahrt, in derHoffnung, er kommt bald zu mir zurück.
Aber er kam nicht wieder. Und nacheinem halben Jahr wurde mir klar, dass er wirklich weg ist. Also habeich sein Zeug weggeworfen und renoviert. Neue Farbe an die Wände,eine neue Couch...
Das letzte halbe Jahr habe ich damitverbracht, die Wohnung nach meinen Wünschen zu gestalten und dabeiist mir aufgefallen, wie sehr ich einfach alles abgenickt habe, waser wollte. Solange er glücklich war, war ich es auch. Aber in denletzten Monaten bin ich endlich aufgeblüht. Ich habe endlich wiederzu mir selbst gefunden. Das gebe ich nicht mehr auf. Und vielleichtwill ich deshalb keinen Freund. Wobei ich weiß, dassdas Blödsinn ist.
Ich würde mich nie wieder für einenMann verbiegen. Etwas toll finden, nur weil er es mag. Ich binglücklich als Single und trotzdem merke ich, dass mir etwas fehlt.Jemand fehlt. Wenn ich mein Studium beendet und fest im Jobangekommen bin, dann kann ich ja immer noch eine Beziehung
wagen.
Und Ethan? Ich werde es locker sehen.Oder es zumindest versuchen.
Nach der Uni fahre ich wieder zumDrogeriemarkt und mache mich fertig. Keine freie Lernstunde mehr. ImLager ist Ethan gerade dabei, die Folie von einer Palette zuentfernen.
Etwas unschlüssig, wie wir uns auf derArbeit nach dieser Nacht verhalten sollen, gehe ich auf ihn zu undbegrüße ihn knapp. „Hey."
Ethan dreht sich zu mir um und lächeltbreit. „Hallo Jules. Wie lief es in der Uni?"
„Wirklich gut. Ich kann es kaumerwarten, dass die Prüfungen anfangen."
„Wirklich? Verdrängt man denZeitpunkt nicht eher, bis der Tag vor der Tür steht?"
Ich lache kurz auf und helfe Ethan mitder Palette. „Ja, um ehrlich zu sein lief die eine oder anderePrüfung genau so. Aber diese Prüfung ist die letzte. Endlich."
Wir räumen die Palette leer und hakengleichzeitig den Lieferschein ab. Ich bin überrascht, wie gutweiterhin alles läuft. Ethan stellt nicht viele Fragen und wir habenlockeren Smalltalk nebenbei.
Am Ende der Schicht zieht er michallerdings bei Seite und macht wieder ein ernstes Gesicht. „WegenFreitag... Ich muss dir an dem Tag etwas Wichtiges sagen, Jules."
„Warum Freitag, warum nicht jetzt?",frage ich irritiert.
„Weil es nicht mehr so einfach ist,Jules. Aber wenn du dir vorstellen kannst, dass wir zusammen dennächsten Schritt gehen, dann muss ich einfach ehrlich zu dir sein."
Ich weiche einen Schritt zurück. Ethanstreckt den Arm nach mir aus, lässt ihn aber sofort wieder sinken,als er mein Gesicht sieht. „Das heißt, du bist aktuell nichtehrlich zu mir? Bist du verheiratet? Hast du eine Freundin?"
„Nein, nichts dergleichen. Es isteher... beruflicher Natur", erklärt Ethan und ich merke, dass ermeinem Blick ausweicht.
Also arbeitet er bald nicht inirgendeiner Kundenbetreuung eines kleinen Unternehmens. Vielleichthat er nicht mal einen Job, wenn die Woche hier vorbei ist. Was, wenner sogar Schulden hat?
Ethan seufzt leise und streicht sichdurch seine kurzen Haare. „Aktuell läuft es nicht gut. Wirklichnicht. Ich weiß gar nicht, wann ich überhaupt das letzte Maldurchgeschlafen habe. Aber letzte Nacht... Ich habe ewig nicht mehrso gut geschlafen."
Ich bin nur in der Lage, schwach zunicken. Es fällt mir schwer, nicht allzu verletzt auszusehen.Andererseits... Kommt mir das nicht eigentlich gelegen? Wenn mehrdraus werden sollte... Aber das will ich ja gar nicht. Warum tunseine Worte trotzdem weh? „Reden wir Freitag darüber, okay?"
„Okay..." Ethan lässt dieSchultern hängen.
Und obwohl ich wirklich mit ihm redenwill, gehe ich. Es ist besser so, wenn wir beide ein paar Tage haben,um über alles nachzudenken. Ich fahre nach Hause und verpasse fastmeine Haltestelle, weil ich so sehr in Gedanken bin. Also gehe ichdirekt zu Charlotte, anstatt in meine Wohnung.
Charly öffnet mir die Tür und lässtmich herein. Ich gehe ins Wohnzimmer und lasse mich dort auf dieCouch fallen. „Ohje. Was ist denn mit dir los? Lief die Sachegestern mit dem Typen nicht so gut?"
„Doch. Es lief total gut. Und das istja das Problem." Mit beiden Händen streiche ich über meinGesicht.
„Was ist daran ein Problem? Weil duimmer noch keine Beziehung willst?", fragt Charlotte und mustertmich eingehend.
Ich seufze tief und schließe einenMoment meine Augen. „Ich weiß nicht. Ich mag Ethan sehr und",ich stocke kurz. Will ich kneifen, weil er sich mehr erhofft? Kneifeich, weil ich nicht wieder sitzen gelassen werden will?
„Oh! Was ist passiert? Ist erverheiratet?!"
„Nein, es sei etwas Berufliches, sagter."
„Und was genau?", hakt Charlottenach.
„Das will er mir erst am Freitagsagen."
„Hast du einen Verdacht?"
„Ich glaube, er ist arbeitslos."Natürlich weiß ich, dass der Grund nur vorgeschoben ist und schämemich dafür. Ich habe Angst, wieder enttäuscht und verletzt zuwerden.
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Der erfundene Freund
RomanceIch stehe kurz vor meinem Abschluss an der Uni, jobbe nebenbei und habe einfach keine Zeit für einen Freund. Trotzdem versucht meine beste Freundin mich immer wieder zu verkuppeln. Und dann ist da noch der neue Lagerarbeiter, der mir den Kopf verdre...