Kapitel 40: Gespenster

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Am nächsten Tag logge ich mich auf meinem Laptop ein und durchforste erst mal die ganzen Mails, die ich bekommen habe. Darunter eine Einladung zu einem Kennenlernen mit der Geschäftsleitung, das für heute Nachmittag angesetzt ist.

Ich schreibe mir die Uhrzeit und die Zimmernummer heraus und wühle mich durch die anderen Mails. Ich habe endlich ein paar Zugangsdaten erhalten, die ich direkt ausprobiere. Auch der Zugang zur Personalverwaltung wurde erweitert, sodass ich nun Zugriff auf die Daten der Mitarbeiter habe.

Obwohl ich erst gestern den Entschluss gefasst habe, nicht mehr an Ethan zu denken, gebe ich seinen Namen in die Suchleiste ein.

Ethan Jones

Ein Treffer wird mir angezeigt, also öffne ich den Datensatz mit klopfendem Herzen.

Name: Jones
Vorname: Ethan
Geburtsdatum:
Adresse:
Bankverbindung:
Abteilung:

Egal, was ich anklicke, es ist alles leer. Selbst das Eintritts- und Austrittsdatum steht nirgendwo.

„Hey, schon fleißig?"

Ich zucke etwas zusammen und drehe mich zu Nina um, die bereits zu ihrem Schreibtisch geht. „Ja, ich habe endlich ein paar Zugangsdaten erhalten und teste gerade mal alle Systeme aus."

„Sehr gut. Brauchst du Hilfe?"

„Im Moment nicht. Und mit einigen Programmen haben wir uns im Studium auch schon beschäftigt."

„Perfekt", erwidert Nina lächelnd.

„Ach. Heute Nachmittag ist übrigen sein Treffen anberaumt mit der Geschäftsführung. Weißt du da was?"

„Das ist jedes Jahr. Die beiden Geschäftsführer stellen sich den neuen Mitarbeitern vor. Eine sehr lockere Runde und die beiden sind wirklich cool drauf."

Ich nicke nachdenklich. „Okay. Sollte ich mich darauf vorbereiten?"

„Nein, Tyler und Alexander wollen nur die neuen Mitarbeiter kennenlernen. Es werden Auszubildende dabeisein, studentische Aushilfen, Quereinsteiger und eben Fachpersonal,das frisch von der Uni kommt, wie du."

„Aus allen Abteilungen also."

Nina lächelt. „Ja, genau."

Ich nicke nur leicht und widme mich wieder den Mails und Programmen.

„Guten Morgen", kommt es von der Tür und Jacob hebt grüßend den Arm.

„Hey Jacob", erwidert Nina lächelnd.

„Guten Morgen." Obwohl ich ihn nicht besonders leiden kann, erwidere ich seinen Gruß höflich und nicke ihm dabei zu.

Jacob setzt sich ebenfalls und schaltet seinen Laptop ein. Es wird wieder still im Büro, während jeder seiner Arbeit nachgeht.

Aber dann lehnt sich Jacob zu Nina.„Oh, April hat wieder eine Liste geschickt mit Zugängen, die gesperrt werden sollen."

„Macht das nicht die EDV?", frage ich verwirrt.

Jacob schüttelt den Kopf und erklärt:„Nur einen Teil davon. Wir sperren die Ausweise und damit den Zugang zu unseren Gebäuden. Dafür müssen wir nur das Austrittsdatum in die Personalakte einpflegen."

Nina nickt nachdenklich. „April hat noch eine zweite Mail geschickt."

Ich öffne die erste Mail und sehe eine Excel Tabelle mit 28 Namen. Besonders ein Name sticht dabei heraus.

Ethan Jones.

Nina flucht plötzlich und reißt mich aus meinen Gedanken. „Oh, fuck!"

Jacob hebt die Augenbrauen. „Was ist?"

„Schau mal in die zweite Mail!", gibt sie zurück.

„Die ist nicht mehr da. Offenbar hat April sie wieder zurückgezogen", entgegnet Jacob.

Ich sehe zwischen Nina und Jacob hin und her. Nina bedeutet Jacob, um den Tisch herumzukommen, was er auch macht und dabei murmelt: „Scroll mal weiter runter."

„150 Namen", presst Nina tonlos hervor.

„Und alle zum Ende des Monats?"

Die beiden sehen sich schweigend an und ich ahne, dass es nichts Gutes bedeuten kann.

Nina lehnt sich auf ihrem Schreibtisch weit zurück. „Also stimmen die Gerüchte doch. Es wird eine Kündigungswelle geben."

Jacob wendet sich zu mir und sieht mich dabei ernst an. „Diese Informationen werden nicht nach außen getragen, klar?!"

„Ja, natürlich." Genervt verdrehe ich die Augen, was er mit hochgezogener Unterlippe zur Kenntnis nimmt. Soll er ruhig. Ich bin nicht blöd und weiß, was für Infos innerhalb der Personalabteilung hinter verschlossenen Türen bleibt.

Damit ich nicht noch etwas Dummes sage, stehe ich auf und gehe rüber in das Archiv. Immerhin kann ich nun alle Programme nutzen, aber die Akten müssen immer noch eingescannt werden. Mein Blick fällt auf den Zettel mit der unvollständigen Akte von Ethan. Also greife ich danach, gehe wieder in das Gemeinschaftsbüro und schaue wieder, ob April aktuell eingestempelt ist.

„Bin gleich wieder da", sage ich zu Jacob und Nina gewandt.

Ich fahre eine Etage nach oben, gehe zum Büro von April und klopfe an die Tür. Von drinnen kommt ein »Herein«, also öffne ich die Tür und betrete das Büro von April.

„Oh, hallo July. Kann ich Ihnen helfen?"

„Ja. Es geht um diese Akte. Ich bin gerade dabei, die alten Akten zu digitalisieren. Diese hier ist unvollständig und offensichtlich ein Test Dummy. Daher wollte ich sie einfach wegwerfen."

Ich trete an den Schreibtisch und reiche  April den Zettel mit der »Personalakte« von Ethan.„Allerdings kam nun eine Mail, dass ihm der Zugang zu unseren Gebäuden gesperrt werden soll. Wie kann das sein?"

„Bestimmt nur ein Fehler im System. Ich werde mich dem annehmen." April legt den Zettel bei Seite und schaut dann wieder zu mir. „Sonst noch etwas?"

„Ehm... Nein." Von der zweiten Mail, die sie zurückgezogen hat, aber dennoch von Nina gelesen wurde, erzähle ich nicht. Warum auch? Sicher muss April nur eine Kleinigkeit daran korrigieren. „Danke."

Ich verlasse das Büro wieder und bleibe einen Moment nachdenklich stehen. Dann wende ich mich zum Fahrstuhl um.

Drei Männer und eine Frau betreten gerade den Fahrstuhl, aber mein Blick klebt nur auf dem Mann mit den kurzen Haaren. Breite Schultern und obwohl er einen Anzug trägt, kann ich einen Knackarsch erkennen.

Von hinten sieht er aus wie Ethan und für einen Moment setzt mein Herz aus. Die Personen steigen in den Fahrstuhl und ausgerechnet der Mann, den ich anstarre, stellt sich an den Rand. Aber kurz, bevor die Fahrstuhltüren schließen, schaut er genau in meine Richtung und unsere Blicke begegnen sich.

Ethan?!

Wie festgewachsen bleibe ich stehen und starre mit offenem Mund zum Fahrstuhl. Das kann doch nie und nimmer Ethan gewesen sein! Die Tatsache, dass ich gerade an ihn gedacht habe, die Statur, die Haare...

Du siehst Gespenster, July...

Ich gehe zum Fahrstuhl und glaube sogar, sein Parfüm zu riechen. Arbeitet er hier in der Zentrale? Als Kundenberater? Aber die sitzt in der ersten Etage. Hier sind die Abteilungsleiter. Und warum hat er nicht gesagt, dass er hier arbeitet? Aber... Nein, das ist unlogisch. Immerhin soll der Zugang von Ethan Jones gesperrt werden. Es kann also gar nicht Ethan gewesen sein.

Ich fahre eine Etage runter, gehe zurück in die Personalabteilung und will wieder ins Archiv gehen, allerdings ruft Jacob mich zurück. „Kannst du die Liste von Aprilbearbeiten?"

„Ehm, ja. Sicher." Also öffne ich die Mail mit den 28 Namen und trage bei jedem dieser Mitarbeiter das Austrittsdatum ein und sperre die Karten. Auch bei Ethan Jones. Ob ich damit das Kapitel endlich beenden und nach vorne sehen kann?

Habe ich das nicht schon malangenommen...?

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt