Kapitel 29: Keinen Finger krumm gemacht

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Es ist schon spät, als ich wieder nachHause gehe. Und gerade, als ich die Tür aufschließe, höre ich, wiesich hinter mir eine Tür öffnet.

„July! Schön zurück? Wie war deinDate mit Ethan?", fragt Charlotte neugierig.

Ich atme tief durch und setze einbreites Lächeln auf. Solange Charlotte denkt, ich sei in festenHänden, wird sie nicht weiter versuchen mich zu verkuppeln. Außerdembin ich eh noch schwer enttäuscht von ihrer Aktion. „Großartig!Ethan ist wirklich wundervoll. Aber nachdem wir nach dem ersten Dateschon im Bett gelandet sind...", lüge ich und lasse absichtlichdas Ende offen.

„Ihr wollt es ruhiger angehen lassen.Und das ist doch auch völlig in Ordnung. Bestimmt denkt er auch andeine Prüfungen, die bald anstehen."

„Ja, genau. Er ist so aufmerksamund-" Ich stocke und überlege, was ich noch sagen soll. Es fälltmir wirklich schwer. Ich könnte mir in den Arsch treten, weil ichheute nicht arbeiten war und dadurch Ethan verpasst habe. Und ichhasse es, zu lügen. Aber Charlotte sagte ja selbst, lügen ist okay,solange es die Person nicht betrifft. Und ich verletze Charlotte janicht, indem ich einfach die Beziehung zu Ethan erfinde.

„Ich freue mich für dich, July.Ehrlich!", dabei strahlt Charlotte über das ganze Gesicht.

„Danke", erwidere ich leise und binfroh, dass ich nun vorerst nicht mehr verkuppelt werde. Lügen fühltsich trotzdem scheiße an. Vor allem, weil ich meine beste Freundinbelüge. Aber was die Sache mit Owen angeht, so war sie mir gegenüberauch nicht ehrlich. Genau genommen hat Charlotte es eigentlich sogarverdient, wenn ich sie in der Hinsicht belüge. Außerdem sehe ichEthan ja bald wieder. Morgen werde ich Mr. Hunter einfach nach derTelefonnummer von Ethan fragen.

Um Charlotte abzuwimmeln, deute ich zumeiner Haustür. „Ich muss nun aber ins Bett, morgen früh ruftwieder die Arbeit."

„Klar. Halt mich auf dem Laufenden,was Ethan betrifft!"

„Sicher!"

Ich betrete meine Wohnung, lerne nochein wenig und falle dann müde und erschöpft ins Bett.

...

Am nächsten Tag habe ich Mr. Hunterdirekt nach der Handynummer von Ethan gefragt, aber er schüttelt nurden Kopf. „Ich kann dir die Nummer von Ethan nicht geben, Juliana."

„Aber Mr. Hunter...! Ich schwöre, erwird nichts dagegen haben!"

„Nein, Juliana."

Ich sehe Mr. Hunter völlig verzweifeltan. Was soll ich denn jetzt nur machen? Ich muss Ethan wiedersehen!„Es ist wirklich wichtig!"

Mr. Hunter seufzt und legt eine Hand aufmeine Schulter. Eine seltene Geste ist er doch sonst immer sodistanziert. „Du wirst ihn sicher wiedersehen. Außerdem arbeitestdu ja bald in der Zentrale." Dabei zwinkert er sogarschon fast verschwörerisch.

Es dauert einen Moment, bis ich denSinn hinter den Worten verstehe. Aber dann dämmert es mir.Natürlich! Ich arbeite bald in der Personalabteilung und kann mirdie Rufnummer selber heraussuchen!

„Konzentriere dich auf deine Prüfung,Juliana. Und nutze die Zeit, um deine Tränen zu trocknen. In einpaar Wochen wird alles ganz anders aussehen." Mr. Hunter lächeltmir aufmunternd zu.

Ja, in ein paar Wochen werde ich selbernach der Nummer suchen können. Auch, wenn es scheint, ich überlebedie Zeit bis dahin nicht. Aber Tränen trocknen? Wieso...? „Ichhabe nicht geweint, Mr. Hunter."

„Ach, Juliana... Ich habe zweiTöchter in deinem Alter. Ich höre es sofort, wenn jemand am Telefonmit den Tränen kämpft."

Ich seufze tief und lasse die Schulternhängen. Sofort kommt mir wieder das Gespräch mit Owen in den Sinnund die Nummer von Charlotte, die sie abgezogen hat. „Ja, ich habeda gestern etwas herausgefunden..." Nur kurz hebe ich dieSchultern. Ich werde Mr. Hunter sicher nicht davon

erzählen. Das würde nun echt zu weitgehen. Auch, wenn sein verständnisvoller Blick mich schon fast dazu auffordert, zu reden. „Ach, nicht so wichtig jetzt. Erst diePrüfungen. Danke, Mr. Hunter!"

„Etwas Abstand wird jetzt sicherlichgenau das Richtige sein."

Auch, wenn ich das anders sehe, nickeich Mr. Hunter knapp zu. Ich gehe ins Lager und bin überrascht, wieviel hier noch zu tun ist. Als wenn Ethan hier gestern keinen Fingerkrumm gemacht hat. Einen Moment bleibe ich völlig überfordert imLager stehen. Der Anblick macht mich echt wütend. Wollte Ethan mirdamit zeigen, wie scheiße er es findet, dass ich ihn versetzt habe?Und wenn ich wirklich krank gewesen wäre?! „Arschloch", knurreich wütend.

„Bitte?"

Hastig drehe ich mich um und halte mirdie Hand vor den Mund. Verdammt! Ich habe gar nicht gemerkt, dassmein Chef mir ins Lager gefolgt ist" „Oh, ich meinte nicht Sie,Mr. Hunter!"

Mein Chef schaut kurz ins Lager, dannzu mir und nickt bloß. Natürlich weiß er, wen ich meinte. Ethanhat an seinem letzten Tag hier nichts, aber auch gar nichts gemacht!

„Ich bin im Büro, wenn etwas seinsollte."

„Danke." Seufzend schaue ich ihmnach und schüttele den Kopf. Er weiß bestimmt, was zwischen mir undEthan war. Die flüchtigen Küsse diese Woche... Mir hätte klar seinsollen, dass Mr. Hunter sowas nicht entgeht. Aber auch, wenn ich Mr.Hunter wirklich sehr schätze, so werde ich sicher nicht mit ihm darüber reden.

Also mache ich mich daran, das Lageraufzuräumen und gehe anschließend wieder nach vorne, um Regaleaufzufüllen. Und ehe ich mich versehe, ist meine Schicht schonvorbei. Ich verlasse den Laden und schaue automatisch zu der Ecke, ander ich gestern stand. Aber natürlich ist dort niemand.

Also gehe ich einkaufen und fahre nachHause. Ich koche eine Kleinigkeit und lerne den Rest des Tages. Immerwieder schaue ich auf und sehe zur Tür, in der Hoffnung, erklingelt.

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt