Kapitel 46: Ablenkung!

56 8 0
                                    

POV Juliana

Nachdem meine Tränen getrocknet sind,reiße ich mich zusammen und schnappe mir meinen Laptop. Wassolls... Dann suche ich mir einfach einen neuen Job. Ich gehediverse Internetportale durch, suche passende Stellen und bringedanach meine Bewerbungsunterlagen auf Vordermann.

Nur das Anschreiben selbst muss ichnatürlich auf jede Stelle individuell anpassen, also schreibe ichmir zu jeder Stelle ein paar Stichpunkte heraus. Dank Internet istes auch leicht, mehr über die einzelnen Firmen zu erfahren und sokann ich schon ein paar Bewerbungen vorbereiten.

Es klingelt an der Tür und mein Herzmacht einen kurzen Hüpfer, während nur ein einziger Gedanke inmeinem Kopf ist. Ethan... Aber nein. Ethan ist Alexander undAlexander ist ein Arsch. Nachdem ich mir die Nacht mit ihm um dieOhren geschlagen habe, lässt er mich fallen.

Ich gehe trotzdem zur Tür, öffne sieund bin überrascht, eine völlig verheulte Charlotte vor meiner Türzu sehen.

„Charly!"

Ich ziehe sie in meine Wohnung,schließe die Tür und nehme sie in den Arm. Sofort fängt Charlottean zu weinen und klammert sich an mich. Es erinnert mich an dieTränen, die ich vorhin vergossen habe. Ich lasse Charlotte weinen,führe sie danach zur Couch und reiche ihr eine PackungTaschentücher. Danach gehe ich in die Küche und mache Tee. Ichfinde sogar noch eine Tafel Schokolade, breche sie klein und werfe die Stücke in eine Schüssel. Mit Tee und Schokolade gehe ich zurückins Wohnzimmer und sehe zu Charlotte. „Was ist passiert?"

„Bist du dir sicher, dass wir übermich reden sollen? Sind das etwa Bewerbungen, die du schreibst?"

„Ja. Aber später. Sag mir bitte, waspassiert ist." Ich halte Charlotte die Schüssel mit der Schokoladeunter die Nase und entlocke ihr immerhin ein Lächeln.

„Weißt du noch...? Der Fotograf?"

„Der, mit dem du mich verkuppelnwolltest?"

„Ja." Charlotte nimmt sich einStück Schokolade, schiebt es sich in den Mund und weicht meinemBlick aus. Allerdings sehe ich, dass sich neue Tränen in ihrenAugen sammeln.

„Charly..."

„Er hat mich angegrabscht. Währenddem ganzen Shooting."

„Steht der Fotograf normalerweisenicht weiter hinten?"

„Es war ein Paar-Shooting. Ich hatteeinen echt heißen Kerl dabei und wir waren oben ohne."

Ich lasse Charlotte reden und sehe siedabei aufmerksam an.

„Am Anfang war es echt erotisch. MeinModel-Partner war super rücksichtsvoll und hat alle Berührungen nurangedeutet. Aber das passte dem Fotografen nicht und er hatnachgeholfen. Fast zwei Stunden standen wir vor der Kamera, bis alleAufnahmen gemacht wurden. Das andere Model war schnell fertig, aberder Fotograf wollte noch ein paar Aufnahmen mit mir allein machen."

Charlotte greift nach denTaschentüchern und wischt sich die Tränen weg. Dabei verschmiertihr Make-up völlig. „Ich wollte das nicht. Aber er hat damit gedroht, es der Agentur zu melden und zu sagen, ich wäre zickig undunkooperativ. Das wäre mein Aus."

„Also hast du ihn die Fotos machenlassen."

„Er wollte Nahaufnahmen. Und dannwaren seine Hände einfach überall auf meinem Oberkörper. Ichsollte mich ausziehen und gefälligst ein braves Mädchen sein."

„Scheiße! Bitte sag mir, dass du dasnicht getan hast."

„Ich habe ihm eine geballert. Er wardavon so überrascht, dass ich mich losreißen und verschwindenkonnte. Allerdings hat er mir hinterhergerufen, dass er meinerAgentur sagt, ich sei inakzeptabel als Model."

„Du musst sofort dagegen halten! Hastdu deine Agentur angerufen und gesagt, dass er dich sexuellbelästigt hat?"

„Nein", schluchzt Charlotte. „Ichkonnte es einfach nicht."

„Du musst ihnen deine Versionerzählen! Und wenn er wirklich Scheiße über dich erzählt, danngehst du zur Polizei und zeigst ihn an!"

„Ich kann das nicht, July. Meineganze Karriere ist dann im Arsch. Niemand würde mich noch für einShooting buchen."

Ich nehme Charlotte wieder in den Arm,weil ich darauf keine Antwort habe. Allerdings schiebt sie mich nacheinem Moment von sich weg. „Und bei dir? Was ist los?"

Um mich kurz zu sammeln, nehme ich einStück Schokolade und schiebe es mir in den Mund. Danach hole ichtief Luft. „Ich habe dir neulich doch erzählt, was da zwischen mirund Ethan war", fange ich seufzend an.

Charlotte nimmt meine Hand und icherzähle langsam weiter. Von dem Job in der Personalabteilung, dereinfach nur mies war. Vom Meeting mit der Geschäftsführung und dasEthan im Wirklichkeit einer der beiden CEOs ist.

„Naja, gibt schlimmeres, als sich inseinen Chef zu verlieben. Sieh es doch mal positiv. Er ist nichtarbeitslos und Geld hat er sicher mehr als genug."

„Ja, das kann er sich in den Arschschieben! Die Firma ist kurz vor der Insolvenz. Sie haben einenInvestor gefunden, müssen aber Stellen abbauen." Ich erzähleCharlotte von der letzten Nacht, dem Morgen danach und der Kündigung.

„Oh Gott! Bist du dir sicher? Was,wenn du vorher auf der Liste standest und er dich wieder herunternehmen wollte? Wenn das alles nur ein Versehen war?!"

„Ach, Blödsinn! Er hat michknallhart ausgenutzt. Ich kann eigentlich froh sein, dass ich nichtmehr für diese Drecksfirma arbeiten muss."

„Oh, July... Und jetzt?"

„Ich suche mir einfach einen neuenJob. Immerhin bin ich frisch aus der Uni raus. Es wird leicht sein,etwas zu finden."

„Und Ethan? Ich meine, Alexander...Willst du wirklich nicht noch mal mit ihm reden? Was, wenn das allesnur ein Missverständnis ist?"

„Dann wäre er doch schon längsthier, nicht wahr?"

Charlotte lässt die Schultern sinkenund seufzt tief. „Du hast aber auch Pech."

„Karma. Weil ich einfach einen Freunderfunden und dich angelogen habe. Und nun schlägt das Karma zurückund der angebliche Freund auch."

Sie erwidert nichts darauf und ichschweige ebenfalls. Wir trinken den Tee, naschen von der Schokoladeund ich speichere die Bewerbungen nebenbei ab. „Komm, lass unsetwas unternehmen", schlage ich vor.

„Aber keine Männer!"

„Ganz bestimmt nicht. Wir könnten indie Boulderhalle gehen und zusammen etwas klettern."

„Und anschließend essen wir Pizza,damit wir die Kalorien wieder reinkriegen", fügt Charlottehinzu.

Ich lache kurz auf und nehmeCharlotte in den Arm. Endlich kann ich mit Charlotte wieder überalles reden.

„Es tut mir echt leid, July... Wegen der ganzen Dates und weil ich dich unbedingt verkuppeln wollte. Daswar so dumm von mir."

„Halb so wild. Es ist ja nichtspassiert. Ich bin immer noch Single. Und trotzdem glücklich."

Charlotte verzieht kurz das Gesicht,schweigt aber. Und ja, ich weiß. Ich bin als Single nichtglücklich. Aber aktuell will ich wirklich keinen Kerl an meinerSeite. „Na komm, machen wir einen Mädelstag."

Ich stehe auf, packe eine Tasche mitSportzeug und kurz darauf warte ich im Flur auf Charlotte. Zusammengeht es zur großen Sportanlage. Bei der Boulderhalle kauftCharlotte sich einen Tagespass, wir bekommen wieder eine kurzeEinführung und dann können wir auch schon loslegen.

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt