Kapitel 4: Ich darf doch Jules sagen?

49 7 0
                                    

Der nächste Tag in der Uni istanstrengend. Ich hasse Analysen und Wahrscheinlichkeiten. Vor demStudium hatte ich mir die Themen spannender vorgestellt und gedacht,dass ich das Studium auch ohne viel Mathematik schaffe.

Zahlen waren nie mein Ding und in derSchule konnte ich mich immer irgendwie durchmogeln. Aber in der Unihat das Lernniveau deutlich angezogen und manchmal überfordert esmich regelrecht. Allerdings war das erste Jahr das schlimmste Jahr ander Uni.

Zum Glück bin ich bald fertig undhoffe, ich komme gut durch die Prüfungen. Ich muss dringend nochmalmit Charly reden. Die nächste Zeit kann ich keine weiteren Datesmachen. Die Zeit brauche ich einfach, um zu lernen.

Nachdem die Vorlesungen vorbei sind,esse ich wieder in der Mensa und fahre danach direkt zur Arbeit. Ichbin fast eine Stunde zu früh und laufe im Flur gegen eine Wand ausMuskeln, die gerade aus dem Büro von Mr. Hunter kommt, der geradenoch sagt: „Eine weitere Woche, aber mehr geht einfach nicht."

Ich trete einen Schritt zurück undstolpere dabei fast über meine eigenen Füße. Ethan, der gerade ausdem Büro von Mr. Hunter kommt, hält mich noch schnell fest und fragtbesorgt: „Ist alles okay?"

„Ja... Ja, natürlich", erwidereich schnell.

Die Tür zum Büro von Mr. Hunterschließt sich wieder und ich stehe alleine mit Ethan im Flur. Seinestarken Hände halten mich noch immer fest und mein Herz fängtheftig an zu schlagen.

Wir sehen uns schweigend in die Augen.Ich bin völlig hin und weg. Die Sorge, die in seinem Blick liegt,die Zärtlichkeit, die ich darin...

Oh, wow... Stopp! Was denke ich hiernur?! Er ist nur eine Aushilfe und... Moment!

Ich gehe einen Schritt zurück. Ethanlässt mich los und ich vermisse sofort seine starken Hände.

„Eine weitere Woche? Heißt das...?",frage ich traurig.

„Diese und nächste Woche. Danachmuss ich mir einen neuen Job suchen."

„Was?!"

Ethan zuckt nur mit den Schultern undlächelt sogar, als würde ihm das nichts ausmachen. Dabei war seinerster Tag gestern so gut! Endlich haben wir jemanden im Lager, derordentlich anpacken kann! Ja, ich dachte sogar, er übernimmt dannmeinen Job hier!

„Das ist nicht fair! Ich rede mit demChef!", protestiere ich. Ich wende mich zur Tür um und will geradenach der Türklinke greifen. Aber Ethan ist schneller und greift nachmeiner Hand, bevor ich die Klinke erreiche.

„Das ist okay, Juliana. Ich hattedarum gebeten."

„Warum? Du machst deinen Job hiersuper!"

Ethan schaut sich kurz im Flur um, dannzieht er mich weiter zum Pausenraum. Meine Hand liegt noch immer inseiner Hand. Es fühlt sich schön an. Als würden wir Händchenhalten. Auch, wenn es von Ethan sicher nicht so beabsichtigt ist.

Der Pausenraum ist zum Glück leer undEthan schließt die Tür hinter mir. Dann erklärt er ohneUmschweife: „Ich hatte mich auch auf andere Jobs beworben, Jules.Ich darf doch Jules sagen?"

Die Tatsache, dass er mir einenSpitznamen gibt, lässt mein Herz höher schlagen. Als wenn ich etwasganz Besonderes für ihn bin. Zumindest diese und nächste Woche. Einpaar Tage, bis sich unsere Wege wieder trennen.

„Ja, klar. Gefällt mir besser alsJuly, wie die meisten sagen." Ich schenke ihm ein Lächeln undspüre einen leichten Stich in meinem Herzen. Fange ich etwa an, michin ihn zu verlieben?! Unsinn! Ich kenne ihn gar nicht. Außerdem istda noch die finanzielle Sache, auch wenn sie nicht ins Gewicht fallensollte.

Aber ich werde sicher nicht wieder dengrößten Teil der Haushaltskasse mit meinem Geld füllen, währendich eh schon viel zu wenig verdiene. Gut, nach dem Studium werde ichmehr verdienen... „Also hast du jetzt ein besseres Jobangeboterhalten?"

Ethan lächelt und legt dabei den Kopfetwas schief. „Ja, viel besser. Näher an meiner Wohnung, ein Vollzeitjob und es enthält sogar eine Krankenversicherung."

„Oh, das ist..." Mies! Nein,eigentlich sogar richtig scheiße! Denn mir wird klar, dass ich ihnmag und nicht will, dass er einfach wieder geht. Die Chancen, dasswir uns wiedersehen, stehen bei null. Zudem hat ein Kerl wie ersicher schon eine feste Beziehung. „...wirklich cool. Ich freuemich für dich, Ethan."

Ich setze mich an einen Tisch, legemeinen Rucksack auf einen Stuhl daneben und hole mein College Blockheraus. Die Stunde, die ich vor Arbeitsbeginn habe, sollte ichsinnvoll nutzen.

„Danke, Jules. Ich bin dann mal imLager."

„Ich komme später dazu, Ethan. MeineSchicht hat noch nicht angefangen und ich muss noch für das Collegelernen."

„Dann bis später, Jules."

Er lächelt mir zu und lässt mich imPausenraum alleine. Nur kurz sehe ich ihm nach und schlage dann dieSeite mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf.

Ich versuche mich gerade an einerRechnung, als ich merke, dass ich wieder irgendwo einen Fehlereingebaut habe. Also hole ich mein Handy und will im Internetnachschauen, wo mein Fehler ist.

Ein verpasster Anruf von Charly. Alsolasse ich meine Sachen liegen, gehe in den Flur und verlasse dieFiliale durch einen Seiteneingang, der zur Raucherecke führt, um mitCharlotte in Ruhe zu telefonieren.

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt