Kapitel 6: Jobs und andere Überraschungen

52 8 0
                                    

„Was ist das für ein Job, den duangenommen hast?", frage ich Ethan neugierig.

„Oh, wieder ein langweiliger Bürojob.Kundenbetreuung, um genau zu sein. Aber es klingt wirklich cool undich freue mich darauf." Er erzählt mir, dass er dort hauptsächlichdie Verträge digitalisieren

soll. Nicht unbedingt sein Traumjob,aber es sei ein Anfang.

Mir fällt sofort Charly ein, diesagte, ein Job müsste so gut passen wie ein Partner, ansonsten würdeman auf Dauer unglücklich sein. Und nun verstehe ich, was sie meint.

„Wenn dir der Job keinen Spaß macht,dann lass da besser die Finger von, Ethan. Immerhin wirst du vielZeit dort verbringen. Man sollte sich mit dem Job wohlfühlen."

Ethan sieht mich überrascht an unddann zaubert sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Ich bin überrascht,wie weich es seine sonst so ernsten Gesichtszüge werden lässt. Ersieht gut aus, wenn er lächelt.

„Ja, ich hoffe tatsächlich, ich kannmich dann intern weiter bewerben auf eine Stelle, die mir mehr Spaßmacht."

An einer leeren Fläche im Regal stocktEthan, scannt das Schild und zeigt mir irritiert seinen Scanner, derkeinen Treffer anzeigt.

Ich nicke kurz. „Das sind die großenKartons mit den Reinigungstüchern. Die fallen immer aus den Regalen,daher räumen wir sie im Blister ein. Schreib als Menge gleich 8 mal8 rein."

„Also 46. Nein... Ehm. 62... 64!"Ethan senkt verlegen den Blick und schaut wieder auf das Regal vorsich.

Ich unterdrücke ein Lächeln und nickenur leicht. Dagegen bin ich ja ein echtes Mathegenie.

Apropos Mathegenie... Ich frage mich,wer meine Rechnung im Pausenraum ausgerechnet hat. Mr Huntervielleicht? Er hatte bestimmt eine gute Ausbildung und ist sicherlichauch gut im Umgang mit Zahlen.

Ich säubere ein Regal, als Ethanwieder das Gespräch aufnimmt: „Und was machst du später in deinemlangweiligen Bürojob?"

„Ich werde ins Marketing gehen."

„Ist es dein Traumjob?"

Ich antworte nicht direkt, sondernscanne weitere Artikel ein und gebe die Mengen durch. Aus denAugenwinkeln beobachte ich Ethan, der ebenfalls mit dem Scannerarbeitet und beantworte seine Frage eher ausweichend. „Nichtdirekt. Marketing ist cool, keine Frage. Aber ich wäre lieber im Personalwesen."

„Ich habe gelesen, dass du sogar inder Unternehmensberatung arbeiten könntest, nach dem Abschluss. Einwirklich vielseitiger Studiengang."

„Oh", gebe ich von mir. Völligüberrascht mustere ich Ethan erneut. Er sieht es diesmal und schenktmir wieder dieses atemberaubende Lächeln.

„Entschuldige... Ich war gestern aufdem Weg nach Hause neugierig und habe Google gefragt, was du dastudierst. Klang wirklich cool. Und sehr vielseitig."

„Ja, das stimmt. Einer der Gründe,warum ich mich dafür entschieden habe."

„Und die anderen Gründe?", fragtEthan neugierig und legt seinen Scanner bei Seite.

„Hm... Ich dachte, es ist wenigerMathe dabei. Und reine Psychologie wollte ich nicht. Es klang nacheiner perfekten Mischung." Ich konzentriere mich wieder auf meineArbeit und wir unterhalten uns nebenbei über mein Studium. Die Zeitvergeht wie im Flug und wir gehen zurück ins Lager, um die Sachen zuholen.

Ethan reißt einen Karton auf und erflucht kurz darauf. Er steckt den Daumen in den Mund und verziehtdabei das Gesicht.

„Was ist passiert?"

„Ich hab mich an dem Kartongeschnitten."

„Au... Zeig mal her", bitte ichihn.

Er nimmt den Daumen aus dem Mund undhält ihn mir vor das Gesicht. Rechts direkt am Nagelbett blutet esleicht.

„Komm, wir waschen das kurz aus."Ich nehme die Hand mit dem verletzen Daumen und ziehe ihn hinter mirher zum Pausenraum. Dort halte ich seinen Daumen unter fließendesWasser. „Schön darunter halten. Ich guck' mal eben nach Pflastern."

„Davon sollte es in einemDrogeriemarkt ja genug geben."

Sofort muss ich lächeln. Immerhin hater Sinn für Humor. Ich öffne ein paar Schubladen, bis ich diePflaster gefunden habe. Danach nehme ich Ethans Daumen, tupfe ihnvorsichtig trocken und klebe das Pflaster darüber.

„Danke."

„Nicht dafür."

Den Müll werfe ich direkt weg. Ethangeht zu den Spinden und öffnet einen. Er holt eine Flasche Coca-Colaheraus und grinst mich an. „Holst du zwei Gläser? Dann machen wirjetzt einfach eine kurze Pause. Bevor ich hier noch verblute."

Ich lache kurz, hole die Gläser undEthan dreht die Flasche auf. Dann gießt er die beiden Gläser voll.

„Danke. Das ist wirklich nett."

„Eine Selbstverständlichkeit",entgegnet Ethan.

Ich nehme einen Schluck Cola. RichtigeCola, nicht diese nachgemachte Discounter-Plörre, die ich gesterndabei hatte.

Wir schweigen nun und ich überlege, obich Ethan nach seiner Handynummer fragen soll. Mein Blick huscht zuseiner Hand. Kein Ehering. Aber vielleicht hat er eine festeFreundin.

Ethan spricht als Erstes das Schweigen.„Und heute spüle ich die beiden Gläser. Keine Widerrede."

Es gefällt mir, dass er sich jetzt soerkenntlich zeigt und meine Hilfestellung gestern nicht alsselbstverständlich empfunden hat. Obwohl er knapp bei Kasse ist, hater Coca-Cola spendiert.

„Okay. Und danach machen wir weiter."

Wir trinken die Gläser aus und Ethanspült sie kurz ab. Ich sehe ihm dabei zu, während mein Blick übersein breites Kreuz wandert, bis hinunter zu seinem Hintern. Einrichtiger Knackarsch, den er da in der Hose hat.

„Oh, Mist", schimpft Ethan leise.

„Was ist?" Ich stehe auf und gehezu ihm an die Spüle. Dabei zeigt er mir das Pflaster, das sich unterdem Wasser halb gelöst hat. Vorsichtig nehme ich seinen Daumen undtaste das Nagelbett ab. Es blutet immer noch. „Machen wir einfachein neues Pflaster drum. Am besten gleich zwei..."

„Doppelt hält besser", stimmtEthan schmunzelnd zu.

Ich grinse kurz, hebe meinen Kopf undein kurzer, aber heftiger Schmerz durchzuckt meinen Schädel. Soforttrete ich einen Schritt zurück und sehe, wie Ethan sich ans Kinngreift.

„Scheiße! Das tut mir echt leid!",rufe ich schockiert.

„Ich glaube, ich habe mir auf dieZunge gebissen", lispelt Ethan.


Auch das noch...!

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt