Kapitel 7: Hast du heute schon was vor?

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Ich starre Ethan entgeistert an undlege meine Hände an sein Kinn, um seinen Kopf leicht zu heben.„Ohje... Zeig mal. Blutet es?"

„Ich strecke dir doch jetzt nicht dieZunge raus." Ethans Augen funkeln belustigt.

Ich versuche, möglichst tadelnd zugucken. Aber der Ärger über mich selbst und die Sorge um Ethanverfliegt. Ich starre ihm einfach nur in die Augen und drohe, michdarin zu verlieren.

Er nimmt meine Hände, die an seinenWangen liegen und ich erwache aus diesem Moment. Peinlich berührtziehe ich meine Hände zurück und trete sofort einen Schritt zurück.

Was war das denn gerade? Finde ich ihneinfach bloß attraktiv oder ist da mehr? Entwickelt sich da etwas?Oder bilde ich es mir bloß ein, weil er genau mein Typ ist?Vielleicht war es ihm unangenehm, dass ich meine Hände an seinemGesicht hatte. „Ich komme gleich wieder. Warte hier."

Ich gehe zum Spind, hole meinSmartphone heraus und gehe nach vorne in den Laden. An der Kassekaufe ich ein Fruchteis am Stiel, zahle mit dem Handy und gehe wiedernach hinten in den Pausenraum.

Ethan sitzt immer noch dort. Also öffneich das Eis und halte es ihm vor dem Mund. „Ein Eis?", fragt erverwirrt.

„Nun, es kühlt..."

Er nimmt mir das Eis ab und steckt essich in den Mund. „Und es schmeckt. Das ist bestimmt so einpsychologischer Trick und das Zucker dafür sorgt, dass ich mich wohlfühle."

Ich muss kurz grinsen. Soweit hatte icheigentlich gar nicht gedacht. Ich wollte nur den praktischen Nutzender Kühlung haben. „Und? Funktioniert es?"

„Ja, sehr gut sogar. Ich fühle michschon viel besser."

„Super. Dann bleib noch etwas sitzen.Ich gehe zurück ins Lager."

„Wirklich? Du willst mir keineGesellschaft leisten?"

„Naja, im Lager ist noch viel zutun", antworte ich ausweichend.

„Dann komme ich auch gleich." Ethanwill aufstehen, allerdings hebe ich tadelnd meinen Finger.

„Du isst erst das Eis", halte ichihm entgegen.

„So so... Bist du etwa meinVorgesetzter?", fragt Ethan schmunzelnd und sieht mich beinaheherausfordernd an.

„Nun, ich bin schon länger imUnternehmen und ich lerne dich an. Also, so gesehen... Ja."

Ethan lacht leise, zieht das Eis ausdem Mund und beißt eine riesige Ecke ab. „Das Eis habe ich schnellweg. Dann können wir zusammen ins Lager zurück." Diesmal beißter von der anderen Ecke ab und grinst mich dabei frech an.

„Ethan! So habe ich das nichtgemeint!"

„Ich weiß. Aber mir geht es gut,ehrlich."

Ich verdrehe kurz die Augen, muss abertrotzdem schmunzeln. Mit vor der Brust verschränkten Armen sehe ichihn abwartend an. „Schön... Aber dann will ich nachher im Lagerkein Gejammere hören."

„Versprochen!" Er hebt eine Hand,als würde er den Schwur damit untermauern wollen, allerdings kreuzter die Finger.

„Du schummelst!"

„Immer!" Dabei setzt er zeitgleichein so unschuldiges Gesicht auf, dass ich anfangen muss zu lachen.

Ethan hat in Rekordzeit das Eisaufgegessen und zeigt mir stolz den Stiel. Also gehe ich zur Tür under folgt mir zum Lager. „Sag mal. Hast du heute Abend schon wasvor?", erkundigt er sich beinahe beiläufig.

Ich sehe Ethan überrascht an undbleibe kurz stehen. Ethan geht noch die zwei Schritte weiter zur Türund öffnet sie. Dabei hält er mir die Tür einladend auf undbedeutet mir, als erstes einzutreten.

„Nun... Ja. Tatsächlich habe ichheute ein Date." Date? Warum sage ich Date? Immerhin mache ich dasnur für Charlotte. Ich kenne diesen Studenten ja nicht mal und weißauch gar nicht, ob der überhaupt zustimmt...

„Verstehe. Mit deinem Freund?"

„Nein. Ich bin Single. Ich treffemich mit meiner besten Freundin." Puh, gerade noch die Kurvegekriegt... Schnell gehe ich ins Lager und mache dort weiter, wo wiraufgehört haben.

Auch Ethan räumt die Artikel in einengroßen Wagen und wir arbeiten schweigend. Mit den Wagen fahren wirin den Laden und füllen die Regale wieder auf.

Irgendwas ist anders. Hatte er vor,mich auf ein Date einzuladen? Aber warum fragt er dann nicht einfachnach morgen Abend? Ich hadere mit mir und überlege hin und her.Warum frage ich ihn nicht einfach? Es ist doch Blödsinn, wenn derKerl immer den ersten Schritt machen muss. Vielleicht traut er sichnicht mehr...

Ich gehe wieder zurück ins Lager undsehe zu Ethan, der noch dabei ist ein Regal zu füllen. Bisher wirkteer nicht schüchtern auf mich. Im Gegenteil.

Mr Hunter kommt mir entgegen und schautkurz über meine Schulter. „Juliana, wo ist Mr Johns... Jones?"

Wollte er gerade Johnson sagen? Sichernur ein Versprecher, weil die Nachnamen sich so ähnlich sind. DasUnternehmen wurde von Johnson & Miller gegründet. Bei dem altenMr. Johnson hatte ich vor über einem halben Jahr meinEinstellungsgespräch, als ich mich in der Zentrale bewarb. Ichhörte, dass er sich wenig später komplett aus den Geschäftenzurückzog und seinem Sohn die Verantwortung übergab.

Könnte Ethan in Wahrheit Johnson undnicht Jones mit Nachnamen heißen? Ach, Unsinn. Mr. Hunter hat sichnur versprochen. Bestimmt nimmt er täglich den Namen Johnson in denMund.

„Ethan ist bei den Schreibwaren",antworte ich daher auf seine Frage.

Mein Chef geht in die genannte Richtungund ich schaue Mr Hunter kurz hinterher. Hoffentlich bemerkt er nichtdas Pflaster von Ethan, denn eigentlich sollen wir Arbeitsunfällebei ihm melden.

Bis zum Ende meiner Schicht räume ichweiter die Regale ein. Allerdings sehe ich Ethan nicht mehr. Ist ervielleicht schon nach Hause? Vielleicht rief jemand für Ethan an under ist deswegen schon weg.

Oder ging es ihm doch schlechter, wegendem Daumen? Oder der Zunge?

Ach was... Ein paar Blessuren zieht mansich immer zu. Und für so weinerlich habe ich Ethan eigentlich nichteingeschätzt.

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt