Während ich noch überlege, wie ichCharlotte am besten abwimmle, ergreift sie selbst das Wort und legtdabei eine Hand an ihre Brust: „Oh...! Ich störe gerade. Das tutmir echt leid. Ich bin schon weg!" Charlotte zwinkert mir zu undverschwindet wieder.
Verblüfft schaue ich ihr hinterher.Immerhin war die ganze Sache hier ganz anders geplant.
Die Pizzen werden gebracht und wirfangen an zu essen. Es fällt mir schwer, wieder ein lockeresGespräch anzufangen. Auch Owen ist nun deutlich ruhiger geworden. Erstellt mir immer wieder
ein paar Fragen. Zum Studium, zuanderen Hobbys, Filme, Musik...
Owen beugt sich etwas über den Tischund frage geradeheraus: „Wirst du nächste Woche wieder zum Kurskommen?"
„Ich weiß nicht... Um ehrlich zusein, ich finde es ziemlich befremdlich, nackte Menschen zuzeichnen", gebe ich offen zu.
Owen lacht auf. Und ich mag es, wenn erlacht. Wahrscheinlich sind die meisten Frauen, mit denen er sonstausgeht, weniger ehrlich zu ihm. „Ja, das glaube ich dir sofort.Ich gebe zu, ich mag es. Nicht bloß die reine Ästhetik. Es gibtauch Aktmodells im Kurs, die nicht so ein Hingucker sind wieCharlotte."
Das ist meine Chance. Vielleichtschaffe ich es ja, zumindest ein wenig für Charlotte dieWerbetrommel zu rühren. Sie ist bestimmt nur gegangen, um dieAtmosphäre nicht zu verderben und Owen abzuschrecken. „Ja,Charlotte ist aber auch ein echtes Model. Sie verdient ihr Gelddamit. Nun, nicht das meiste... Aber es reicht fürs Nötigste."
„Oh. Also deswegen Yoga?"
„Unter anderem, ja." Ich nehme einStück Pizza in die Hand, lege es aber sofort wieder zurück. Nichtmal die Hälfte habe ich geschafft. Aber dann habe ich wenigstensetwas für morgen.
„Also... Kommst du nächste Wochewieder? Ich könnte dir ein paar Bücher mitbringen", nimmt Owenden Faden wieder auf.
„Ich denke nicht, dass ich eszeitlich schaffe, Owen. Ich muss noch so viel lernen."
„Ich kann dir meine Handynummer gebenund du meldest dich einfach, wenn es passt. Ich bring' sie dir auchgerne vorbei und wir trinken einfach nur einen Kaffee", schlägtOwen vor.
Nachdenklich schaue ich mein Gegenüberan. Eigentlich habe ich kein Problem damit, wenn meine Zeichnungenweiterhin ein paar alberne Kritzeleien sind. Es ist bloß, um einwenig Stress abzubauen. Perfektionismus brauche ich dabei nicht.
Da ich nicht sofort antworte, sprichtOwen weiter und lächelt dabei einnehmend: „Ich kann dir auch einpaar Zeichnungen von mir zeigen. Auch ältere Bilder, obwohl ich dieeigentlich verbrennen sollte."
Nun muss ich doch kurz lachen und ichnicke ihm dabei zu. Eigentlich ist er wirklich nett und charmant.Zudem hat er sicher nicht oft Dates ohne einen Hintergedanken.Vielleicht entwickelt sich daraus ja auch eine lockere Freundschaft.Mehr aber definitiv nicht.
Daher nicke ich und gebe michgeschlagen. „Okay, überredet. Aber wehe, du willst ein paar ältereBilder von mir sehen."
„Nur, wenn du es wirklich magst. Wirmüssen ja nichts überstürzen", entgegnet Owen grinsend.
Ich lache wieder und es wird dann dochnoch ein netter Abend. Die Pizza lasse ich mir einpacken und Owenbegleitet mich zur U-Bahn Haltestelle, nachdem wir das Geld zusammengeworfen und bezahlt haben.
Eigentlich wollte Owen mich einladen,aber das hat sich für mich nicht richtig angefühlt. Wahrscheinlicherwarten die meisten Frauen, dass er sie einlädt, weil er der reicheSohn ist.
An der Haltestelle gibt er mir nochseine Handynummer und ich speichere sie direkt in mein Smartphoneein.
Als die Bahn kommt, gibt er mir nocheinen Kuss auf die Wange und fragt offen: „Wann meldest du dich?"
„Ehm... Im Laufe der nächsten Woche,ok?"
„Ja, voll okay. Ich freue mich,Juliana."
Ich steige in die Bahn ein und winkeihm kurz zu. Owen bleibt am Bahngleis stehen und lächelt mir zu.
...
Ich bin gerade erst Zuhause angekommen,stelle den Pizzakarton in die Küche und ziehe meine Schuhe aus, alses an der Tür klingelt.
Das ist bestimmt Charlotte, also öffneich die Tür und lasse sie mit einem Augenrollen herein.
Natürlich geht sie direkt durch insWohnzimmer und fragt geradeheraus: „Und? Wie war es?" Charlottesetzt sich auf die Couch und grinst mich breit an.
Ich seufze kurz und setze mich zu ihr.„Er ist ganz nett. Gar nicht so eingebildet, wie ich zuerst dachte.Warum bist du denn vorhin wieder weg?"
„Hast du seine Reaktion denn nichtgesehen? Ich dachte, das können wir auch ein anderes Mal machen."
„Ein anderes Mal?"
„Nun, sofern du dich denn noch mal mitihm triffst. Ihr habt doch Nummern getauscht, oder?", hakt Charlynach.
Irgendwas an der Art, wie Charly michansieht, macht mich stutzig. „Ja, allerdings denke ich nicht, dassich mich nochmal bei ihm melde."
„Was? Warum nicht? Er war doch nichtetwa unhöflich?"
„Nein, gar nicht. Er war sogarwirklich nett", gebe ich offen zu.
„Aber was spricht denn dann dagegen?"
„Es fühlt sich doof an, mit einemKerl auszugehen, wo ich doch an einem anderen Mann interessiert bin.Das mit Owen mache ich nur für dich. Aber eigentlich wäre ichlieber mit dem neuen Mitarbeiter ausgegangen." Ich sehe gedanklichEthan amüsiertes Grinsen vor mir, als er das Eis in Rekordzeit isst.
„Der Mann mit den Muskeln. Hast duheute geschaut, ob er einen Ehering trägt?", fragt Charlotteungeniert.
„Kein Ehering. Und er hat gefragt, obich heute schon was vorhabe", erwidere ich und muss kurz grinsen.
„Dann halt morgen. Ich würde ihnwarm halten. Später kannst du immer noch entscheiden."
Ich seufze tief. Wirklich fair ist dasnicht. Aber die Sache mit Owen ist ja nur für Charlotte. Da kann ehnie etwas draus werden. Zumal Owen sicher irgendwann herausfindenwird, was Sache ist.
„Mache ich. Aber nur, wenn duaufhörst, mich zu nerven. Ich muss noch lernen", erkläre ichlachend, damit meine Stimme keinen zu bissigen Unterton hat. ZumGlück grinst Charly, hebt beide Hände und verabschiedet sich kurzdarauf.
Ich seufze tief, räume meinen Rucksackauf und sehe mir wieder diese Rechnung an, die jemand für michgelöst hat. Obwohl Mathe nicht meins ist, hole ich das Buch heraus,suche eine ähnliche Aufgabe und rechne diese auf die gleiche Weiseaus, wie auf meinem Block. Und es funktioniert. Sogar richtig gut.
Also lerne ich, bis meine Augen schwerwerden und ich ins Bett gehe.
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Der erfundene Freund
RomansaIch stehe kurz vor meinem Abschluss an der Uni, jobbe nebenbei und habe einfach keine Zeit für einen Freund. Trotzdem versucht meine beste Freundin mich immer wieder zu verkuppeln. Und dann ist da noch der neue Lagerarbeiter, der mir den Kopf verdre...