Kapitel 9: Date mit Owen

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Ich gebe zu, ich bin schon ein wenigüberrascht, dass das Date heute zustande kommt. Tatsächlich habeich es bei Owen nicht mal wirklich darauf angelegt. Natürlich habeich ein wenig mit ihm geflirtet, mal ein paar lächelnde Blickezugeworfen...

Aber gut. Für Charly. Immerhin hat siemich ertragen müssen, nachdem ich mich von meinem Ex getrennt habe.Oder besser gesagt, er hatte sich von mir getrennt.

Die Zeit ist um und Charlotteverschwindet hinter dem Raumtrenner. Ich packe meine Sachen zusammenund stehe auf. Owen ist ebenfalls fertig und reicht mir lächelndseinen Arm. „Wollen wir?"

„Sehr gern."

Nach ein paar Schritten schaue ichzurück zu meinem Tisch, ob ich etwas vergessen habe. Charlotte siehthinter dem Raumteiler hervor und hält grinsend einen Daumen hoch.

So weit, so gut... Jetzt muss ich ihnnur noch bei Laune halten, bis Charly in der Pizzeria auftaucht.Danach kann ich mich getrost zurücklehnen und vielleicht sogaretwas früher als geplant nach Hause gehen.

Ich verlasse mit Owen den Campus undwir gehen zur Pizzeria, während mein Arm bei ihm eingehakt ist. Dortangekommen, hält er mir einladend die Tür auf.

Wir setzen uns an einen freien Tischund Owen reicht mir eine Speisekarte. Ein Kellner kommt vorbei undwir bestellen Pizza und Getränke.

Um ein lockeres Gespräch anzufangen,beginne ich mit ein wenig Small Talk. „Also... Du studierst Kunst?Ich dachte ja, man macht mittlerweile alles nur noch digital."

„Oh, der digitale Teil wird immergrößer, das stimmt schon. Allerdings studiere ich Modedesign unddie Kunst ist... Nun, ein Kompromiss."

„Oh, Modedesign... Dann ist das, wasich trage, sicher eine Beleidigung für deine Augen", erwidere ichmit einer Spur Ironie in der Stimme.

Owen hebt kurz den Blick und mustertmeine Kleidung nur oberflächlich. Er sieht nicht einmal in meinenAusschnitt oder lässt seine Augen länger als nötig über meineKurven wandern. „Ach was. Jeder kauft Kleidung von der Stange.Kleider machen Leute, aber sie formen keinen Charakter."

Ich bin überrascht wie bodenständigund ernst das klingt. Und ich frage mich, wie schwer es für ihn wohlist, ein aufrichtiges und ehrliches Date zu bekommen. Eines, ohneHintergedanken, weil er der Sohn eines erfolgreichen Mannes ist.

„Und was machst du? Zeichnen ist fürdich doch eher ein Hobby, oder?", fragt Owen nun und wirkt ehrlichinteressiert und neugierig.

„Ja, das stimmt allerdings. AlsTeenager waren Anime für mich das Größte. Aber es ist nur einHobby. Ein wenig kritzeln hier und da, mehr nicht."

„Du hast Talent, wirklich. Alskritzeln würde ich es nicht bezeichnen. Mit entsprechenden Kursenund Büchern könntest du es ausbauen. Wenn du das denn willst."

„Und wenn ich die Zeit dafür hätte.Ich studiere Wirtschaft und schreibe bald meine Prüfungen."

„Bachelor?", hakt Owen nach.

„Master", korrigiere ich ihn mitein wenig Stolz in der Stimme.

„Wow, cool. Dann gehst du auch hierauf die Uni? Warum habe ich dich vorher nie bei einem der freienZeichenkurse gesehen?"

Die Getränke werden gebracht und ichnippe direkt an meiner Cola. Je länger ich mit Owen rede, desto größerwird mein schlechtes Gewissen. Er ist so ein netter Kerl. Er verdientes nicht, dass man ihn ausnutzt, um in der Firma seines Vaters alsModel angestellt zu werden.

„Ich... Ehm", stottere ichunsicher. Was soll ich darauf antworten? Zumal ich nun wirklichüberlege, ob ich Owen nicht besser von hier fortbringe. Wir könntendie Pizzen einfach mitnehmen und unterwegs essen.

Aber genau in dem Moment stellt sichCharlotte an unseren Tisch und grinst bis über beide Ohren. „July?Das ist ja eine Überraschung!"

Oh nein... Ich habe zu lange gezögert.Langsam schaue ich auf und deute ein schwaches Lächeln an, obwohlich lieber im Boden versinken würde. „Hallo Charlotte."

„Warst du in der Bücherei?", fragtCharlotte und schaut neugierig auf den Platz neben mir, auf dem meinRucksack steht.

„Nein, ich war tatsächlich bei demZeichenkurs, von dem du so oft redest", erwidere ich zögernd undschaue unsicher zu Owen, der seine Augenbrauen leicht hebt.

Charlotte grinst breit. „Wirklich?Ich habe dich gar nicht gesehen. Allerdings fixiere ich auch immereinen festen Punkt am Fenster oder der Wand", gibt sie im lockerenPlauderton von sich.

Nun räuspert sich Owen. „Ehm... Ihrkennt euch?"

Ich höre deutlich den überraschtenUnterton in Owens Stimme. Daher versuche ich schnell die Situation zuretten, bevor sie kippt. „Charlotte ist meine Nachbarin. Sie liegtmir seit Ewigkeiten in den Ohren, dass ich mal zu einem der Kursegehe", erkläre ich hastig.

Charlotte wendet sich an Owen und setztihr unwiderstehliches Lächeln auf. „July ist wirklich gut. Dusolltest mal ein paar ihrer Bilder sehen. Leider leugnet sie ihrTalent ständig und redet es klein."

„Also, es...", beginne ich, presse dannaber die Lippen zusammen und schweige.

Charlotte lacht leise. „Du wolltestes schon wieder tun!"

Ich sehe zu Charlotte, die wieder aufden Platz neben mir schielt. Eigentlich sollte ich ihr jetzt einenSitzplatz anbieten. Allerdings sehe ich Owen, der sich in Anwesenheitvon Charlotte nicht so recht wohlfühlt.

Der erfundene FreundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt