17. Kapitel

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F U N K E

"Wer? Wer kommt? Wovon redest du?"
Verwirrt blickte Funke in die großen hellblauen Augen der Fremden.
Die hellgoldene Kätzin keuchte nur: "Ich... weiß es nicht! Sie kamen, sie haben den..."
Und wieder sank ihr Kopf schlaff auf die Erde, ihre Flanken bebten.

"Sie braucht Ruhe", miaute Himmelsmond.

"Aber...", wollte sie schon widersprechen, doch der strenge Blick ihrer Adoptivmutter ließ sie verstummen.
Als sie schuldbewusst die Ohren hängen ließ, legte ihr die braune Kätzin jedoch den Schweif auf den Rücken.

Sie ist fast wie Falkenfrost...
Sofort zog sich ihr Herz schmerzvoll zusammen.
Verdammt, ich muss aufhören, an sie zu denken.

Ihre Gedanken kreisten und schwirrten in ihrem Kopf herum wie ein Vogelschwarm, als die letzten Sonnenaufgänge schier an ihr vorbeizogen.
Himmelsmonds Offenbarung der Prophezeiung, Falkenfrosts Tod, die Schlange, die fremde goldene Katze...

Und noch immer hatte sie nicht verstanden, wie Himmelsmonds Verbindung mit der Mondkatze funktionierte. Ich meine, es ist doch nur der Mond, oder?

Andererseits, Falkenfrost habe ich auch geglaubt, dass es den SternenClan gibt, obwohl ich nur die Sterne am Himmel sehe.

Ihre Gedanken schweiften ab.
Sterne, Mond... und die Sonne? Was ist mit ihr? Und mit der Finsternis am sternenlosen Himmel?

Sie wusste es nicht. Aber wollte sie es überhaupt wissen?
Nein.

Als ihr türkisgrüner Blick über den Hügelkamm wanderte, entdeckte sie die dunkle Silhouette Himmelsmonds, die sich schwarz vom Himmel abhob. Zögernd trat sie zu der Wildkatze, setzte sich neben sie und wollte ihr in die Augen blicken, doch diese waren unverwandt mit einem glasigen Schimmer auf den wolkenverhangenen Himmel gerichtet.
In ihrem seltsam gefärbten Blick schienen sich Sterne zu spiegeln, doch am Himmel war nichts zu sehen als weite Schwärze.

"Ich mache mir Sorgen, Funke."
Das kam so plötzlich, dass die rote Kätzin zusammenzuckte.

"Warum denn? Was ist los?"

"Die Mondkatze - sie spricht nicht mehr mit mir, wenn ich von ihr träume, ist sie nur schemenhaft und, was am schlimmsten ist, ich sehe sie nicht mehr am Himmel.

Wir Wildkatzen sind Einzelgänger, aber sie hält uns zusammen. Wo sie ist, sind wir alle. Manchmal, wenn etwas wirklich wichtiges ist, dann ruft sie uns. Lautlos. Aber wir wissen, wo wir hinmüssen. Und etwas sagt mir, dass es bald so weit ist.
Und wenn es das ist, dann muss nicht nur ich aufbrechen."

Verwirrt schaute Funke ihre Pflegemutter an, die ihr traurig den Schweif auf dem Rücken legte.
"Heißt das, Flammenmond, Schattenmond und ich kommen auch mit?", wollte sie hoffnungsvoll wissen.
Auf keinen Fall wollte sie wieder allein sein. Das war das schlimmste Gefühl der Welt.

"Du... kannst nicht mitkommen, Funke."
Schmerz und Liebe standen im Blick der Kätzin, als sie die Augen vom finsteren Himmel löste und auf Funkes richtete.

"Warum denn nicht?"
Mit wütend und entsetzt gesträubtem Fell sprang Funke auf und fauchte mit angelegten Ohren.

"Du hast eine andere Bestimmung. Sie ist... größer. Und wir sind kein Teil davon. Ich habe dich aufgenommen, aber du musst deinen eigenen Weg gehen."

"Und was, wenn ich diese Bestimmung nicht erfüllen will?
Ich bin glücklich, hier bei euch! Und das ist mir wichtiger!"
Gekränkt senkte sie den Kopf und wich den Blick von Himmelsmond aus.

"Funke, du verstehst mich nicht! Du kannst dein Schicksal nicht wählen, du bist vielleicht die Einzige, die uns retten kann. Uns alle!"

"Ich... ich kann so etwas nicht! Bitte, bitte, Himmelsmond, verlass mich nicht! Ich will nicht auch noch dich verlieren!"
Verzweifelt versuchte sie, die braune Kätzin zu überzeugen, doch diese blickte sie nur wehmütig an.

"Es geht nicht anders.
Ich weiß, du glaubst es nicht, aber du wirst nie allein sein.
Wenn du aufblickst zum Mond, dann wirst du wissen, dass ich da bin.
Und erinnerst du dich nicht an ein Versprechen?
Ein Versprechen, das dir Falkenfrost einst gab?"

Sie hat recht, dachte Funke, während erneut dieser quälende Schmerz in ihrem Herzen aufstieg.
Aber woher weiß sie davon?

"Denk darüber nach, in Ordnung?"

"Ja."
Schweren Herzens drehte sie sich um und fröstelte schon aufgrund der kalten Luft der Wüstennacht. Langsam trottete sie den Hügel hinunter und zum hohlen Baum.
Himmelsmonds Junge schliefen ruhig aneinandergekuschelt, doch zu ihrer Überraschung kauerte die hellgoldene Fremde vor dem Bau und starrte Flammenmond und Schattenmond mit einem undeutbaren Ausdruck in den glasigen hellblauen Augen an.

"Hallo?", miaute Funke vorsichtig.

Langsam drehte sich die Hellgoldene um und starrte Funke mit geweiteten Augen an.
"W-wer bist du?"

"Ich bin Funke! Und du?"

"Ich b-bin Sonne die durch Wolken bricht."
Als Funke sie verwirrt anstarrte, fügte sie hinzu:
"Nenn mich einfach Sonne."

Immer noch etwas verdutzt nickte Funke, fragte sich aber insgeheim: Warum hat sie so einen langen Namen? Woher kommt sie?
Um das herauszufinden, miaute sie gleich:

"Woher kommst du? Und was ist passiert?"

Die Fremde begann, heftig zu zittern.
"I-ich komme vom-
Nein, ich kann es nicht sagen!"

"Aber warum denn nicht?"

"Weil ich es geschworen habe."

"Kannst du mir denn sagen, was passiert ist und wie du hierhergekommen bist?"

"Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nur an Schatten. Schatten mit Krallen und Zähnen, die uns angriffen, unseren Anführer töteten. Und auf einmal", ihre Stimme wurde schrill vor Panik, "brach ein Feuer aus! Ein gewaltiges Feuer, das alles verschlang.
Diese Stimme, die sagte, wir sollten zurück.
Aus Vieren Fünf machen.
Aber wie? Alle waren versprengt, standen in Flammen oder waren tot, ich weiß es nicht! Und ich habe keine Ahnung, wie ich helfen kann und..."
Sonne schien einem Nervenzusammenbruch nahe, Funke berührte ihre Pfote beruhigend mit der Ihren, doch die goldene Kätzin zuckte nur zurück, Panik spiegelte sich in ihrem Blick.

Wie hilft man traumatisierten Katzen?

"Hast du Hunger?", erkundigte sie sich unbeholfen.
Sonne schüttelte den Kopf.

Funke gab auf. Mit dieser Katze konnte man nicht vernünftig reden! Sie richtete sich auf und trottete in die entgegengesetzte Richtung der Oase, blickte auf die schier endlosen Sanddünen und die umherwirbelnden Körner des Wüstensandes, die vom kalten Nachtwind herumgejagt wurden wie Beute von einer Katze.

Plötzlich ging ihr ein Licht auf.
Moment mal!
Was, wenn die Katzen aus Falkenfrosts Träumen, Sonnes Erzählungen und Himmelsmonds Berichten über diese "Wüstenkatzen" ein- und dieselben Katzen sind?

Sie starrte nachdenklich weiter, ohne zu blinzeln, als einige Baumlängen weiter etwas in den Sand fiel. Neugierig sprang sie auf und spurtete zu der Stelle.

Und ein Schimmer von Hoffnung und Liebe keimte in ihr, als ihre Pfoten neben der Feder, die auf den Boden gefallen war, zum Stehen kamen, denn sie erkannte die Feder.
Es war die eines Falken.

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt