41. Kapitel

30 9 12
                                    

S C H A T T E N P F O T E

Das Licht verblasste, wurde zu einem unsteten Strudel aus gleißendem Licht und Finsternis, der langsam zu einem monotonen Grau und schließlich ganz zu Schwarz wurde.
Er begann, Moos unter seinen Pfoten zu spüren, ein weiches, sanftes Polster. Als er blinzelnd gegen das Licht die Augen öffnete, fand er sich in ebendiesem Heilerbau wieder, in dem Sonnenpfote ihn angegriffen hatte.

In seinem Kopf ging es zu wie in einem Bienenstock, zu viel war passiert in den letzten Sonnenaufgängen. Die Flucht, der Kampf, Rankenfluss...
Er fühlte sich erschöpft, doch erinnerte sich an die Worte seines Vaters.
Du wirst erschöpft sein, doch ruhe dich nicht aus.
Entkräftet rappelte er sich auf und entdeckte Sonnenpfote am Eingang stehen. Weit wie Fuchsbaue waren seine ängstlich blickenden Augen, die starr Schattenpfote fixierten.
Einen Moment lang starrten sich die Heilerschüler einfach an, bis der Hellrote auf der Pfote kehrt machte und in den Wald floh. Schattenpfote schrie ihm noch hinterher, fragte ihn, was zum Wald der Finsternis er vorgehabt hatte, doch der ängstliche Kater schien ihn gar nicht zu hören.

Rankenfluss! Du hast gesagt, ich solle mich nicht ausruhen.
Er preschte los, ignorierte seine schweren Pfoten, über die er schier stolperte, raste in den Wald hinein und versuchte mit aller Kraft, Sonnenpfote einzuholen, doch er war zu langsam. Immer mehr verblasste die Geruchsspur des Katers und der silberne Schüler sah ein, dass es keinen Sinn hatte, Sonnenpfote zur Rede zu stellen.
Sollte er zum Lager zurückkehren? Sich bedanken oder entschuldigen? Wie hatte der Kampf überhaupt geendet? Hatte er das überhaupt?

Nein. Er musste zu seinem Clan zurück, das hatte Rankenfluss ihm gesagt. Immerhin hatte Schattenpfote einen akzeptablen Orientierungssinn, der ihm dabei half, sich zwischen den dicht beieinanderstehenden Bäumen zurechtzufinden, bis sich vor ihm die Bäume zu Büschen ausliefen und das leise Plätschern des Mondsteins die Luft mit seinem sanften Klang füllte.
Endlich entdeckte er Sonnenlicht zwischen den Stämmen hervorlugen, stolperte erneut über seine müden Pfoten und stolperte, noch immer nur getrieben von Rankenfluss' Worten, ins grelle Tageslicht, wo er sich auf der Lichtung wiederfand, in deren Mitte das frische, kristallklare Wasser aus dem rauen Stein sprudelte. Zielstrebig tappte er am Mondstein vorbei und atmete gierig die Grenzmarkierungen seines eigenen Clans ein, als er den Ramd des Sumpfes betrat. Noch immer schwirrten unbeantwortete Fragen in seinem Kopf herum.

Auf einigen der Wasserstellen des Sumpfes brach sich das blendende Licht, Schattenpfote tappte tiefer ins Herz seines Territorium, als ein freudiger Ruf ertönte.
»Schattenpfote! SternenClan sei Dank, du lebst ja!«

Die kleine hellbraune Kätzin, die sich glücklich schnurrend auf ihn warf, hätte er überall erkannt.
»Kleepfote!«, begrüßte er seine Schwester erleichtert, während sie seine Worte einfach erstickte in einem Schwall aus Schnurren.

»Was ist passiert? Was hat der EisClan mit dir gemacht? Gut, dass du wieder da bist. Honigwolke ist ja...«

»Was ist sie?«, maunzte Schattenpfote alarmiert.

»Sie lebt, keine Sorge. Aber diese Katzen haben sie übel zugerichtet; irgendwie spürt sie ihre Beine nicht mehr.«
Ein Schauer fuhr ihm über den Rücken. Das klang ja scheußlich!
»Gehen wir erstmal zum Lager zurück und unterwegs erzählst du mir alles, was passiert ist.«

Gemeinsam tappten die beiden jungen Katzen in Richtung NebelClan-Lager, während Kleepfote ihn weiterhin wie mit unzähligen kleinen Krallen durchlöcherte mit Fragen. Er erzählte ihr jedes Detail seiner Gefangenschaft, seiner Flucht und des Kampfes, sogar von Sonnenpfote berichtete er seiner Schwester, da schoss ihm wie ein zuckender Blitz die Erkenntnis in die Glieder.
»Taupfote!«, japste er geschockt.

»Wer ist bitte Taupfote?« Irritiert blickte Kleepfote ihn an.

»Ich... sie... Taupfote ist eine EisClan-Katze.« Als Kleepfote erschrocken die Augen aufriss, erklärte er: »Aber sie ist nicht wie die anderen! Sie hat mir geholfen, zu fliehen und irgendwie haben wir uns während des Kampfes aus den Augen verloren.«

Kleepfote nickte nachdenklich.
»Federstern wird bestimmt einen Weg finden, wie wir sie auftreiben und retten können. Das wird schon, vertrau mir!«

»Hoffentlich«, nuschelte er.

»Schattenpfote!?«
»Er lebt!«
»Schattenpfote ist wieder da!«
Ohne es wirklich zu bemerken, waren die Geschwister ins Lager getappt und sofort zerschnitten die ohrenbetäubenden Rufe seiner Clan-Gefährten die Luft, die ihn mit lautem Schnurren, vielen Fragen und freudigen Pfotenstupsern empfingen. Eulenpfote warf ihn beinahe um, sein Bruder freute sich scheinbar sehr.

Er begann, ihnen als Antwort dasselbe zu erzählen wie schon Kleepfote, und war erleichtert, dass alles wahr war, denn lügen hatte er nie gekonnt; erst recht konnte er sich nicht vorstellen, seinen eigenen Clan anzuschwindeln. Nur die Sache mit Sonnenpfote und Rankenfluss ließ er sicherheitshalber aus, schließlich wusste er nicht, wie die Krieger darauf reagieren würden.

Wie ein Wirbelsturm aus Licht preschte Sonnenglanz herbei, schleckte ihm über die Schnauze und drückte ihn so fest an sich, als hätte sie vor, ihn nie wieder loszulassen.
»Oh Schattenpfote! Es geht dir gut! Ich hätte es nicht ertragen können, auch noch dich zu verlieren.«
Sie sagte nichts wie »dem SternenClan sei Dank«, doch so etwas konnte man von Sonnenglanz wohl auch nicht erwarten, schließlich glaubte sie seit Rankenfluss' Tod nicht mehr an ihre Kriegerahnen.

Viel Schnurren, viele Fragen und Antworten später trat Federstern vor ihn, stark und grau wie ein Fels.
»Willkommen zurück«, sprach der silbergraue Kater, seine smaragdgrünen Augen glänzten erleichtert, bevor er bat: »Können wir allein in meinem Bau reden?«

»Ja, natürlich«, miaute er etwas verdattert, während er seinem Anführer in den Bau, der aus dicht zusammengeflochtenen Schilfstängeln bestand, folgte.
»Worum geht es?«, wollte er wissen.

»Ich weiß es«, meinte der Grünäugige nur.

»Was?«

»Alles. Ich weiß von der Prophezeiung, von Sonnenpfote, nur vom Kampf wusste ich hörst, als er bereits vorbei war. Es war sicher eine schwere Entscheidung, den EisClan in den Wlad zu locken.«
Er nickte nur und schluckte schwer, doch seine Kehle war wie zugeschnürt, während wieder das schlechte Gewissen in ihm hochstieg.

»Aber es war richtig, glaube mir.«
Federstern schnippte ihm mit der Schweifspitze ans Kinn, sodass er den Kopf heben musste, um seinem Anführer in die Augen zu schauen. Federstern schien es ernst zu meinen.
»Ich habe gehört, deine Freundin ist verschwunden?«
Wieder ein Nicken. Angespannt lauschte Schattenpfote auf seine Worte.
»Ich glaube, ich weiß, wie wir sie finden...«

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt