»Schattenschwinge! Schattenschwinge!«
Kleepfotes trauriges Winseln ließ den grauen Kater von der Katzenminze, die Nebelblick frisch vom Zweibeinerort geholt hatte, aufschrecken und er sprang hinüber zu seiner Schwester, die mit hängendem Kopf ins Lager getrottet kam.
Vor einem Mond hatte sie sich verletzt, als sie beinahe im Sumpf eingesunken wäre, und hatte deshalb nicht geimeinsam mit Eulenschrei die Kriegerprüfung ablegen können. Eigentlich sollte sie heute nachgeprüft werden und war deshalb den ganzen Morgen über hibbelig wie ein Junges und noch unkonzentrierter als sonst gewesen.»Was ist passiert?«, sorgte sich der junge Heiler, seine Ohren waren angelegt.
»Ich... ich bin durchgefallen, Schattenschwinge! Kannst du dir das vorstellen?«
Verzweiflung glänzte in den großen grünen Augen seiner Schwester und ihr Schweif lag schlaff auf dem Boden.»Das ist ja schrecklich!«, sagte Schattenschwinge erschrocken und es war, als läge ein unfassbar schwerer Stein auf ihm.
»Ja!«, wimmerte seine Schwester. »Was, wenn ich jetzt gar keine Kriegerin mehr werden kann? Wenn Federstern sagt, ich bin unfähig? Was, wenn der SternenClan...«
»Beruhig dich mal«, knurrte Krähenschlag, als Kleepfote ihm fast auf den Schwanz getreten war. Seine stechenden Augen bohrten sich in Kleepfotes Pelz und die kleine Kätzin tänzelte nervös auf der Stelle.
»Es wird noch andere Chancen geben«, versuchte Schattenschwinge, sie zu beruhigen. »Ich habe mal gehört, selbst Federstern ist als Schüler durch seine erste Prüfung gefallen. Und er ist Anführer geworden.«
Zweifelnd blickten ihm zwei weit aufgerissene grüne Augen an.
»Also meinst du, es ist nicht so schlimm?«
Ihre kleinen Pfoten scharrten nervös in der Erde.»Ganz sicher.«
Etwas besänftigt trabte Kleepfote durch das Lager, wahrscheinlich zu Mondfeuer, mit der sie sich ziemlich gut verstand. Schattenschwinge sah nicht ein, was an dieser Katze so großartig sein sollte. Sie war unberechenbar, ständig schlecht gelaunt und geheimniskrämerisch.
Wieder nagte der Hunger an seinem Bauch und er trottete hinüber zum Beutehaifen. Wehmütig betrachtete er die schlaffen, aber schon starren Körper von Lurchen, Kröten, Vögeln und einem Huhn, das vermutlich Nebelblick aus dem Zweibeinerort geholt hatte - er war die einzige Clankatze, die sich freiwillig dort aufhielt.Zögernd nahm er sich einen Frosch vom Haufen - die Haut fühlte sich seltsam glitschig an in seinem Maul - und hockte sich allein an den Rand des Lagers. Gerade wollte mit niemandem reden, einfach nur nachdenken, wenngleich er nicht wusste, worüber.
Da gab es drei Dinge, die ihn am meisten beschäftigten und nachts aus dem Schlaf rissen.
Einmal Taupfote. Federstern hatte alle möglichen Versprechungen gemacht, dass er sie suchen und finden würde, doch so sehr Schattenschwinge auch bat und drängte, es passierte einfach nichts.
Dann der EisClan. So brutal und herzlos der sternenlose Clan zu sein schien, Schattenschwinge hatte das Elend in ihrem Clan gesehen und wusste, wie schnell die Angst, zur Beute zu werden, Katzen jede Ehre und jedes Gesetz vergessen ließ. So erbittert die verfeindeten Clans gekämpft hatten, noch war er nicht bereit, aufzuhören, für den Frieden zu kämpfen.
Doch bevor er sich Gedanken um die Zukunft aller machen konnte, musste er seinen eigenen Gewissenskonflikt klären.Jedes Mal, wenn er in ein Beutestück biss, kamen schreckliche Schuldgefühle in ihm hoch. Jedes Mal kam es ihm vor, als hätte er nicht das Recht dazu, ein Leben einfach so zu verschlingen. Hatte er auch nicht. Aber sein Clan würde so etwas nie verstehen! Alle würden ihn unnatürlich nennen, für Federstern war das wahrscheinlich ein schlechter Witz.
Aber irgendetwas musste er doch ändern können! Bestimmt gab es irgendwelche Kräuter, die Katzen fressen konnten. Bei seinen Gedanken musste er beinahe selbst schnurren, so lächerlich kam er sich vor. Eine Katze, die sich von Pflanzen ernähren wollte!
Frustriert biss er in einen Schilfstängel, verzog angewidert das Gesicht und spuckte das bittere grüne Zeug auf den festgetrampelten Boden.Komm schon, denk nach, du Mäusehirn!
Vielleicht half es, wenn er mit einer Katze darüber sprach. Mit Honigwolke vielleicht, sie war vermutlich die NebelClan-Katze, die am meisten mit Pflanzen zu tun hatte und ihn, abgesehen von Kleepfote, am ehesten verstehen würde. Klar, auch Eulenschrei hatte er gern, doch sein Bruder war nicht der Typ für Verständnis oder tiefgründige Gespräche.Wie er so über die Katzen seines Clans nachdachte - Sturmläufer, die selbstbewusste junge Kriegerin, die vor einem Mond in die Kinderstube gezogen war, weil sie Junge erwartete, Junge von Nebelblick, dem Zweiten Anführer, der ein seltsames Interesse an Zweibeinern hatte, Krähenschlag, der zwar mürrisch, aber eigentlich ein aufrichtiger und treuer Kater war und all die anderen - fiel ihm auf, wie sehr seine Mutter Sonnenglanz und er sich auseinandergelebt hatten. Er erinnerte sich an das letzte Gespräch, das sie vor knapp einem Halbmond geführt hatten. Zunächst hatten sie über Rankenfluss gesprochen.
»Ich habe Rankenfluss im SternenClan gesehen. Er ist noch immer da«, hatte er versucht, seine Mutter aufzumuntern.»Der SternenClan? Lächerlich! Früher habe ich vielleicht an diese Jungenmärchen geglaubt, aber wenn es sie geben würde, hätten sie Rankenfluss gerettet. Seine Zeit war noch nicht gekommen, aber der SternenClan hat ihn, wenn es ihn überhaupt gibt, einfach sterben lassen. Und ihr verehrt ihn immer noch.«
Die Verachtung in ihrer Stimme hatte sich wie Krallen in sein Herz gebohrt. Sie hatten einfach zu verschiedene Grundsätze und Meinungen... aber war das Voraussetzung für eine gute Beziehung zueinander?»Schattenschwinge?«
Die Stimme riss ihn abrupt aus seinen Gedanken, überrascht hob er den Kopf und blickte direkt in die strahlend grünen Augen von Federstern. Wo war er eigentlich die ganze Zeit?
Die Augen seines Anführers strahlten glücklich, doch es lag auch ein Funke Wehmut darin. Leicht lag der Geruch von Heide auf seinem Fell und feiner Sprühnebel benetzte den silbernen Pelz.»Wo bist du gewesen?«, wollte er verblüfft wissen und kam sich im nächsten Moment furchtbar unhöflich vor. Schattenschwinge senkte beschämt den Kopf und scharrte mit den Pfoten.
Federstern blickte schnell zur Seite. Zu schnell, fand er, doch der Heiler stellte keine Fragen dazu.
»Beim Mondfall. Ich habe die Kriegerahnen um Rat gefragt. Deshalb wollte ich mit dir reden.«
Schattenschwinge nickte etwas verwirrt und wartete darauf, dass Federstern weitersprach.
»Seit drei Monden überlege ich, wie wir herausfinden können, wo Taupfote zu finden ist. Sie mag eine EisClan-Katze sein, aber ohne sie wärst du jetzt tot - oder unser Territorium das des sternenlosen Clans. Also bin ich - sind wir - ihr etwas schuldig und da ist es das Mindeste, dass wir sie suchen. Der SternenClan hat mir gezeigt, oder zumindest angedeutet, wo sie sich befindet.«»Und wo ist das?«, fragte er, ziemlich forsch für seine Verhältnisse, doch Hoffnung keimte in ihm auf. Der SternenClan würde ihnen bei der Suche helfen!
»Sie sagten, wir sollten dem Mondpfad folgen. Hoffentlich meinten sie damit, dass wir auf diese Weise Taupfote finden...
Ich weiß nicht, was sie damit meinten, aber die Sterne werden uns den Weg weisen, da bin ich sicher.
Ich kann dich nicht auf deiner Suche begleiten, gerade in dieser Zeit braucht der Clan einen Anführer. Mir ist unwohl dabei, dass du weggehst, aber ich kann dich nicht aufhalten, oder?«
Schattenschwinge fühlte Angst in sich aufsteigen, ihn in die Brust zwicken, doch er nickte tapfer.»Also schön. Ich werde dir trotzdem zwei Katzen mitgeben, um dich zu begleiten. Sagen wir mal, Blütenfrost. Und...
Mondfeuer.«
Wie erstarrt blickte Schattenschwinge Federstern an, denn so eben war ihm etwas klargeworden. Er erinnerte sich noch an den Angriff des EisClans auf das NebelClan-Lager, an Mondfeuers hitziges Gespräch mit Froststern.
Der Anführer hatte gesagt, sie solle den Auserwählten aus dem Weg schaffen.Und er war der Auserwählte.
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Jup, endlich eine Fortsetzung! Ich war zwar lange nicht mehr so unzufrieden mit einem Kapitel, aber wollte es trotzdem mal mit euch teilen ^^ was haltet ihr davon?
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Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-III
Fanfiction»Das Blut des Falken sickert in den Wüstensand und tropft auf die Felsen aus Flammen. Das dunkle Feuer, es wandelt bereits auf finsteren Pfaden. Wo selbst der Boden tödlich ist, dort entspringt das Licht, das Leben ohne Tod. Nur gemeinsam können sie...