E C H O
Das fahle Sonnenlicht drang durch die kahlen Baumkronen und warf ein versponnenes Muster aus Licht und Schatten auf den gefrorenen Boden.
Linke Pfote. Rechte Pfote. Gewicht verlagern...
Hochkonzentriert pirschte der silbergraue Kater über den Frost, der im Licht der beinahe senkrecht stehenden Sonne silberweiß schillerte.
Sein smaragdgrüner Blick war fest auf das graubraune Etwas gerichtet, das etwa zwei Fuchslängen vor ihm im Boden wühlte.Seine Beinmuskeln spannten sich, er trat von einem Bein aufs andere, dann sprang er.
Der junge Kater katapultierte sich mit ungeheurer Wucht in die Höhe, die Krallen nach dem Beutestück ausgestreckt.
Kurz bevor er auf dem Boden auftraf, bemerkte ihn die Maus und starrte ihn einen Moment lang mit ihren großen Augen an, die so schwarz waren wie ein sternenloser Himmel.
Doch das kleine Nagetier war zu langsam. Schon hatte Echo sich mit ausgefahrenen Klauen auf die Beute gestürzt und seine bleichen, spitzen Zähne schlossen sich um das Genick des wehrlosen Tieres, das sofort erschlaffte. Triumph kitzelte seine Pfoten.»Seht her, der große Jäger ›Echo das von Bergen hallt‹ hat es geschafft, ein Beutestück zu erlegen!«
Er spürte förmlich, wie sich seine kieselfarbigen Krallen beim Klang der vor Hohn triefenden Stimme frustriert in die harte Erde gruben.»Ich kann wenigstens jagen, im Gegensatz zu dir!«, fuhr er den braungefleckten Kater an.
Dieser lachte nur verächtlich auf.
»Ich kann wenigstens kämpfen und bin nicht so schwach wie ein Wurm!«»Viper!«, erklang da die scharfe Stimme einer hübschen roten Kätzin.
»Lass Echo in Ruhe. Er ist für sein Alter ein großartiger Jäger und wichtiger für den Stamm, als du es je sein wirst!«Beleidigt zog Viper den Kopf ein, hob ihn kurz darauf wieder und schnurrte schmeichelhaft.
»Aber du bist bedeutender für den Stamm, als er es je sein wird, Blitz.«
Als der große braune Kater seinen Schweif auf den schmalen Rücken der Kätzin, auf dem ein gezackter Streifen leuchtete, legen wollte, duckte sie sich weg und fauchte.Echo unterdrückte ein amüsiertes Schnurren. Alle Katzen wussten, dass Viper sich an Blitz heranmachte. Nur hatte sie absolut kein Interesse an ihm und zögerte nicht, ihm das mit Krallen und Zähnen zu verdeutlichen.
»Guter Fang«, lobte sie den Grauen nun, nickte knapp, dann drehte sie sich um und verschwand als ein flammenfarbene Strahl im verschneiten Wald.
Schnee. Noch immer kam das weiße Zeug ihm merkwürdig vor im Gegensatz zum goldenen Wüstensand seiner Heimat, die sie vor fast fünf Monden verlassen hatten. Damals war er noch ein Junges gewesen, gerade alt genug, mittellange Strecken zu reisen, ohne zusammenzubrechen.
Eisige Schauer, kälter als der Schnee selbst, schlichen ihm den Rücken hinunter, als er an jenen grauenvollen Tag dachte, an dem der Stamm aus seiner Heimat geflohen war. Die finsteren Flammen, die jaulenden Katzen...
Er schüttelte sich, um auf andere Gedanken zu kommen, und trabte seinen Stammesgefährten durch den verschneiten Wald zu ihrem provisorischen Lagerplatz, einer kleinen Lichtung, die von einem kleinen vereisten Bach in zwei Hälften geteilt wurde, hinterher, die fette Maus zwischen den Zähnen.Hm. Bäume sind schon etwas Seltsames.
Die gewaltigen Dinger aus Holz hatte es in der Wüste nie gegeben, außer einen, am Rand einer wunderschönen Oase, an der sie Rast gemacht hatten und an dem es verdächtig nach Katze gerochen hatte. Doch egal, wie lange sie gesucht hatten, sie fanden nie auch nur ein Haar einer fremden Katze.»Hey, Echo! Schöner Fang!«, maunzte ihm eine ältere, wunderschöne goldene Kätzin zu.
»Danke, Horizont!«, rief er.
Der silbergraue Zukünftige gab sich wie immer ganz fröhlich, aber jetzt, wo er den kläglichen Haufen Katzen sah, der einst der Stamm des jagenden Feuers gewesen war, fühlte er sich elend. Noch elender, als er sich so oder so schon fühlte.Stets versuchte er, seine Verzweiflung hinter einer Mauer aus Optimismus und Fröhligkeit zu verbergen, fraß all seine Trauer stumm in sich hinein, schließlich war niemand da, dem er sich anvertrauen konnte. Nicht mehr. Sein mutiger Vater, seine Mutter und Schwestern waren von den Flammen verschlungen worden.
Jedes Mal, wenn sein Geist zu ihnen wanderte, schien sich eine dornenscharfe Klaue in sein Herz zu bohren, mit jedem Mal tiefer. Und die Klaue hinterließ nichts als eine gähnende Leere, ein Loch, das nichts und niemand wieder füllen konnte.
Echo bohrte die Krallen in den Boden und schüttelte den Kopf, dann spähte er in den Schatten eines jungen Nadelbaumes, in dem er die dunkle Silhouette eines braun getigerten Katers ausmachen konnte.
»Felsenseher?«
Er ließ die Maus fallen und neigte respektvoll den Kopf.»Echo.«
Die mageren Flanken unter dem stumpfen, stinkenden, ungepflegten Fell hoben und senkten sich, doch der alte Kater hob nicht einmal den Kopf.»Ich habe eine Maus gefangen und dachte, viellei-«
»Geh.«
»Aber du musst doch essen...«
»Geh.«
»Du wirst noch verhu-«
»Geh, verdammt!«, fauchte Felsenseher ihm heftig entgegen, sein stinkender Atem hinterließ neblige Dampfwolken in der klirrend klaren Luft.
Der Anführer war nicht mehr er selbst seit dem Feuer. Ohne zu fressen oder vernünftig zu reden lebte er nun ein Leben am Rand des Stammes. Auf Reisen schwieg er, alle Katzen, die ihn ansprachen, schrie er an.
Seine Nachfolgerin Blitz hatte all seine Pflichten übernommen und behandelte ihn seitdem wie einen geisteskranken Ältesten-
Was er im Endeffekt auch war.Erschrocken zuckte er zurück und sprang auf die Lichtung, wo Blitz sich gerade mit den wenigen verbliebenen Wächtern besprach, bevor ihre ungewöhnlich laute Stimme durch das vorübergehende Lager hallte.
»Katzen vom Stamm des jagenden Feuers! Wir haben vom Stamm der ewigen Sonne ein Zeichen bekommen, dass wir beinahe am Ziel sind und beschlossen, die letzte Etappe unserer Reise anzutreten.«
Die Katzen zögerten, dann erhob Schatten, ein extrovertierter brauner Kater, die Stimme:
»Ich habe nie verstanden, was das alles überhaupt soll. Warum machen wir diese Monde lange Reise, nur um diese »Vier« zu finden?«»Zweifelst du etwa an unseren Ahnen?«, rief Horizont ganz entsetzt.
»Unsere Heimat ist verflucht und unbewohnbar gemacht worden und unsere Vorfahren haben gesagt, was wir tun sollen.«»So meine ich das doch gar nicht! Aber...«
So leise, dass Echo es gerade noch hören konnte, wisperte Schattens Schwester Sturm belustigt: »Ach Bruderherz, leg dich bei sowas nie wieder mit der gläubigsten Katze des Stammes an.«
»Keine Katze zwingt dich, hier zu bleiben. Wenn du willst, kannst du jederzeit gehen und als Einzelgänger leben«, sagte Blitz, ohne auch nur mit einem Schnurrhaar zu zucken.
»Natürlich nicht, ich...«
Schatten zog beschämt den Kopf ein und sofort war die Verärgerung aus Horizonts Blick verschwunden. Mitleidig stupste sie ihn an.»Sind alle bereit?«, wollte Blitz wissen.
Eine Katze nach der anderen nickte, dann wurde Echo beauftragt, Felsenseher zu holen.
Etwas genervt trabte der junge Kater, der so viel verloren hatte, zum ehemaligen Anführer des Stammes, ohne zu wissen, dass die nächsten Herzschläge sein Leben für immer verändern würden...
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Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-III
Fanfiction»Das Blut des Falken sickert in den Wüstensand und tropft auf die Felsen aus Flammen. Das dunkle Feuer, es wandelt bereits auf finsteren Pfaden. Wo selbst der Boden tödlich ist, dort entspringt das Licht, das Leben ohne Tod. Nur gemeinsam können sie...