61. Kapitel

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»Na, wir werden ja sehen, ob das funktioniert«, zweifelte die SturmClan-Kriegerin.
Allmählich war Schattenschwinge fast schon genervt von ihrer impulsiven, abweisenden Art.
Vor allem aber war er verwirrt. Warum hatte der SternenClan ausgerechnet diese drei Katzen ausgesucht? Was stand ihnen noch bevor, warum waren sie alle hier? Und was machte der LichtClan hier?

»Jetzt beruhigen wir uns alle mal... wir wissen doch überhaupt nicht, ob irgendetwas passiert«, maunzte Farnnebel. »Allerdings wäre es klug, für den Fall, dass etwas passiert, mehr Krieger hierzuhaben. Schlangenmut, Bernsteinglut, Adlerflug: Teilt euch auf und sagt den anderen Clans, sie sollen so viele Katzen herschicken wie möglich.«

Schattenschwinge schauderte. Er hatte auf ein friedliches Treffen gehofft, doch jetzt befanden sie sich in der Vorbereitung einer Schlacht.
»Warum sollte denn überhaupt etwas passieren?«, winselte er.

»Weil alle Auserwählten an einem Ort sind und der EisClan das weiß«, erklärte die Zweite Anführerin.

»Und... warum bleiben wir dann hier? Es wäre doch viel klüger, sich zu verstecken oder zu fliehen!«

Wildherz sagte schonungslos: »Das wäre feige«, Farnnebel miaute fast schon feierlich: »Wenn ihr jetzt eure Bestimmung nicht erfüllt, wann dann?«
Irgendwann. Irgendwann, nur nicht jetzt! SternenClan, steh uns bei!

»Seht, wie passend«, knurrte die Schildpattfarbene mit dem seltsam zweigeteilten Gesicht und deutete mit der Schnauze auf die Wolken, die sich vor den Mond schoben. Die Panik begann, Schattenschwinge die Kehle zuzuschnüren, alles in ihm schrie jetzt! Lauf, bevor es zu spät ist!

Doch er rührte sich nicht. Seine Pfoten waren wie am Boden festgefroren.
Mit einem Mal bemerkte er das Blut an Wildherz' Brust. Ihm drehte sich der Magen um. Will ich wissen, wessen Blut das ist?
Nein! Wildherz war doch keine kaltblütige Mörderin, so unfreundlich sie sein mochte.

»Ich fühle mich so unfassbar dumm, wie ich hier sitze und darauf warte, dass wir angegriffen werden. Das ist alles so absurd! Warum sollten wir ausgerechnet jetzt attackiert werden? Was für ein beschissenes Urteilsvermögen muss der SternenClan bitte haben, dass er uns drei auswählt?«
Die Schildpattfarbene ignorierte das Blut auf ihrem Fell so gekonnt und selbstverständlich, als wäre es gar nicht da und das machte Schattenschwinge nur noch mehr Angst.

»Mut. Friede. Hoffnung«, murmelte Schattenschwinge, mehr zu sich selbst als zu einer der Kätzinnen um ihn herum.

»Was plapperst du denn da?«

»Das hat Taupfote gesagt«, miaute er weiterhin etwas geistesabwesend. »Sie hat gesagt, für das was vor uns liegt brauchen wir drei Dinge - Frieden, Mut, Hoffnung.«

»Und was bringt uns das?«, fauchte Wildherz gereizt - sie schien von allem gereizt zu sein - und peitschte mit dem langen Schweif.

»Sei doch nicht so unfreundlich zu ihm! Er hat nichts getan und uns nur etwas mitgeteilt, das nützlich sein könnte. Also fahr nicht gleich so aus dem Pelz«, miaute Funkenpfote, obwohl sie selbst mehr zitterte als Schattenschwinge. Der Heiler bewunderte die junge Kätzin für ihren Mut, denn obwohl sie aussah, als würde etwas sie gerade von innen zerfetzen, war da noch ein Strahlen in ihren Augen und sie versuchte, den Frieden der Auserwählten zu wahren.

»Und was machen wir jetzt? Es ist doch wohl nicht allzu klug, dass wir hier einfach tatenlos herumsitzen. Ich würde sagen, wir gehen etwas herum und strecken unsere Pfoten«, schlug Farnnebel vor, doch Wildherz hatte - natürlich - etwas dagegen.

»Also - verstehe ich das richtig: Wir lassen uns von unseren Gegnern in eine Falle locken, stellen ihnen dann eine Falke und laufen ewig durchs Nirgendwo, bis wir eine Klippe sehen, die Funkenpfote kennt, der EisClan aber nicht. Und ihr denkt ernsthaft, sie sind alle so blöd und fallen hinunter? Und wenn wir selbst verrecken? Dann sind wir zwar tot, aber Helden, oder was?«

»Hast du eine bessere Idee?«, wollte die kleine rote Kätzin wissen, auch ihre Stimme klang mittlerweile etwas spitz.
Doch die Schildpattfarbene peitschte mit dem Schweif. »Wir töten einfach ihren neuen Anführer, so einfach ist das.«

»Wer sagt denn, dass wir überhaupt kämpfen müssen?«, startete Schattenschwinge einen letzten verzweifelten Versuch. »Wir könnten es doch nochmal friedlich versuchen, wir könnten einen Kompromiss finden und müssen kein unnötiges Blut vergießen...«

»So leid es mir tut, Schattenschwinge, der EisClan will keinen Frieden. Wir haben sämtliche Anführer ihrer Geschichte umgebracht und sie sind so schon Fuchsherzen«, sagte die goldbraun getigerte Kätzin.
Taupfote nicht. Sie war eine ehrenhafte Katze. Eine mit dem Herz einer Kriegerin.
Und Eisschatten hat sie einfach ermordet!

Er versuchte verzweifelt, sich seine lähmende Trauer nicht anmerken zu lassen, doch es brachte nichts. Unter normalen Umständen wäre er schon längst zusammengebrochen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach wo anders zu sein. Irgendwo.

Der Himmel schien sich immer tiefer zu den Katzen herabzusenken, sie mit den Wolkenwallen zu erdrücken, durch die nur ab und an ein verlorener Mondstrahl hindurchschimmerte und sein blasses, fahles Licht auf die Pelze der versammelten Katzen warf, ihr Fell silbern schimmern ließen.

Ein Schrei ertönte vom Himmel, so laut und durchdringend, dass der junge Heiler unwillkürlich heftig zusammenzuckte. Auch die anderen Katzen blickten alarmiert zu den Wolken auf - nur Funkenpfote nicht. In ihren Augen stand ein ganz neues Leuchten. Fast schon glücklich sprang sie auf, richtete den Blick in die nächtlichen Wolken und beobachtete die dunklen Schleier, bis sich eine schwache Silhouette vor dem Mond abzeichnete, ein kleiner Greifvogel mit schmalen, spitz zulaufenden Flügeln. Ein Falke vielleicht?

Funkenpfote wisperte etwas wie »Du bist da« und wurde von allen anderen anwesenden Katzen mehr als irritiert angestarrt als wäre sie ein fliegender Igel mit blauen Schuppen.
»Meine Mutter«, hauchte sie ehrfürchtig und wurde daraufhin noch irritierter angestarrt, was ihr praktisch egal zu sein schien. Allerdings war der Gedanke einer nassen, aus einem Falkenei schlüpfenden Funkenpfote so komisch, dass er trotz der unglücklichen Situation beinahe schnurren musste.

»Na, sieh mal einer an. Alle drei Auserwählten auf einer Lichtung - mit einer anderen Katze dabei.«
Die Katzen fuhren herum - und erstarrten alle vier.
Dutzende, nein - hunderte Katzen quollen zwischen den Bäumen hervor, jede von ihnen mit blitzenden Fangzähnen und ausgefahrenen Klauen. Dürr und zäh waren ihre Körper, doch in ihren Augen brannte kaltes Feuer.
»Ihr habt meinen Clan wohl etwas unterschätzt, nicht wahr?«

Nein.
Er kannte diese höhnische Stimme.
An der Spitze des Kriegerheeres stand eine kleine, vernarbte silberweiße Kätzin, ein belustigtes Funkeln lag in ihren tiefblauen Augen.
Nein. SternenClan, nein!
Eisstern.

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt