31. Kapitel

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F U N K E

Verbrannter, schwarzer Stein. Hier und da verkohlte Reste von etwas, was früher vermutlich einmal Nester gewesen waren.
Und überall sah die flammenfarbene Kätzin bleiche Knochen. Fahle Schädel, deren schwarze, leere Augenhöhlen sie aus der Schwärze anstarrten.

Vor Schreck schien sie wie am Boden festgefroren. Das war der Ort, von dem die Prophezeiung gesprochen hatte? Sie war mondelang durch die Wüste gewandert und hatte alle Katzen verloren, die ihr je etwas bedeutet hatten, nur um die Opfer eines Feuers zu sehen?

Ihr Kopf schwirrte wie ein Bienenschwarm, doch die Pfoten der Kätzin bewegten sich wie von allein in die Finsternis hinein. Der Gestank von Blut, Rauch und Verwesung füllte ihre Nase und schien ihre Lungen zu verschlingen.

Langsam drehte sie sich zu Sonne um. Die goldene Kätzin hatte die Augen zu großen Kreisen aufgerissen, das Fell gesträubt und verbreitete Baumlängen weit den Gestank von Todesangst.

»Ich... ich hätte mit allem gerechnet, aber...«, keuchte die goldene Stammeskatze, dann brach ihre Stimme.
Nicht damit. Mehr als verständlich.

Alles um Funke herum drehte sich, Verwirrung fraß sich in ihre Glieder.
Falkenfrost hat dem SternenClan vertraut. Ich habe ihr vertraut. Und der SternenClan hat vorausgesagt, das Blut des Falken würde auf diese Felsen tropfen. Ich bin das Blut des Falken...
Oder?

Aber wie sollte dieser Ort ihr auf der Suche nach ihrer Bestimmung weiterhelfen?
Gar nicht.
Vermutlich hätte er es getan, wenn der Stamm des jagenden Feuers noch hier gewesen wäre.
Das ist er ja auch, dachte sie trocken. Nur eben tot.

»Ich... hätte viel früher hergemusst. Ich hätte schon hier sein müssen, bevor... bevor das Feuer ausgebrochen ist. Vielleicht reist der Stamm in diesem Moment auf den Ort zu, an dem ich eigentlich sein sollte.« Allmählich verzweifelte die kleine Kätzin. Sie hätte Sonne liebend gern beruhigt, so panisch, wie die Goldene wirkte, doch ihr selbst ging es ähnlich grauenvoll.

Funkes Reisegefährtin heulte auf und drückte die Schnauze gegen einen der geisterhaft weißen Schädel. Tiefe Furchen zogen sich über ein Auge.
»Das... das war er«, jaulte sie gequält. »Das war Regen!«
Funke musste nicht lange rätseln, um herauszufinden, dass Regen vermutlich Sonnes Gefährte gewesen war, der sich im Feuer vergeblich für seine Jungen geopfert hatte.
Eine Weile schwiegen sie, selbst die rote Kätzin fühlte sich zu elendig, um Sonne aufzumuntern, schließlich wusste sie selbst nicht, was an dieser ganzen Sache positiv war, kramte in ihrem Gedächtnis nach irgendetwas Gutem.

»Immerhin... haben wir es bis hier geschafft«, versuchte Funke, das Schweigen zu brechen und fuhr zusammen, als hinter ihr ein Klacken ertönte, wie, wenn eine Kralle auf Stein traf.
Am Höhleneingang zeichnete sich die Silhouette eines Falken ab, die immer kleiner wurde, je näher der Greifvogel den Kätzinnen kam.

»Ich wünschte, ich hätte es nicht geschafft. Ich wünschte, ich wäre auf dem Weg zusammengebrochen und von Geiern zerfressen worden! Dann müsste ich nicht hier stehen, zwischen den Gebeinen meiner Familie!«

Der Falke schritt näher an die Katzen heran und Funke hielt den Atem an. Natürlich hatte der Greifvogel etwas mit Falkenfrost zu tun, doch ganz hatte sie es nie verstanden.
Nun wusste sie es. Sie wusste es, als sie die winzigen weißen Sprenkel im graubraunen Gefieder des Falken sah, die wie ein kleines Sternenmeer wirkten.
Sie wusste es, als sie tief in die dunkelgrünen Augen des Vogels blickte, der grazil wie eine Gazelle den Kopf sanft auf und ab bewegte, als würde er nicken.

Funke suchte nach den richtigen Worten.
»Glaub mir, Sonne. Regen und deine Jungen werden immer da sein. Sie werden in dir weiterleben, solange du die Erinnerung an sie lebendig hältst.«
Und in diesem Augenblick tropfte von der Höhlendecke ein schillernder Tropfen, in dem sich der rot gefärbte Boden spiegelte und landete auf dem bleichen Knochen, perlte ab und sickerte in den Wüstensand.
Tropfte auf die Felsen aus Feuer.

Tapfer nickte Sonne, hob den Kopf und in ihren himmelfarbenen Augen glänzte eine neue Entschlossenheit.
Der Falke erhob sich, schlug elegant mit den Flügeln, wirbelte Sand auf und als die staubige Wolke erneut auf den Boden niederging, erkannte sie den Greifvogel nur noch als blasse Silhouette am Himmel, den sie durch den Eingang sehen konnte. Funke musste sich beherrschen, um ihm nicht hinterherzuheulen, doch sie wusste ja, dass er - oder eher sie - stets über der kleinen Kätzin am Himmel kreisen würde.

»Danke«, hauchte Sonne, kaum hörbar. Die eigentliche Sonne ging schon als glühender Feuerball auf den Horizont nieder und ihre letzten, glutroten Strahlen ließen die endlose Wüste wie ein einziges Flammenmeer wirken.

Nun fühlte Funke sich schon viel besser und tat ihr bestes, die Stille mit schlechten Witzen und lustigen Bemerkungen zu lockern -
Alles, was sie dabei eigentlich tat, war allerdings, die andächtige, friedliche Stimmung zu zerstören.
Sonne schien zwar nicht mehr so gebrochen, doch ihre Panik davor, bei Dunkelheit draußen zu sein, legte sich natürlich nicht von heute auf morgen, also kratzten die Kätzinnen verbrannte Reste von seltsamen Pflanzen auf einen Haufen, rollten sich nebeneinander auf dem provisorischen Nest zusammen und wärmten sich gegenseitig in der unbarmherzig kalten Wüstennacht.
Gerade wurden ihre Lider schwerer, da hallte ein Wort durch die Stille.

»Hallo.«

Die Stimme kam wie aus dem Nichts und das Echo, als sie von den verbrannten Felswänden zurückgeworfen wurde, ließ sie klingen, als käme sie von den Feuerfelsen selbst. Als würde die Höhle selbst sie begrüßen und nur darauf warten, dass das nächste Feuer ausbrach und ihre fahlen Gebeine bis in die Ewigkeit im blutbefleckten Wüstensand liegen blieben.

Funke zuckte heftig zusammen, Sonne preschte schon Sand aufwirbelnd nach draußen ins gleißende Licht der untergehenden Sonne, da sah die fuchsfarbene Kätzin etwas Weißes aus der Dunkelheit herausleuchten wie die Mondkatze an einem nachtdunklen Himmel.
Zuerst nur schemenhaft, als lägen Nebelschlieren im Weg, doch dann immer klarer erkannte Funke den Körper eines jungen, silbernen Katers mit weißen Pfoten und Augen, die warm waren wie die Milch einer Königin.

Sie zitterte noch immer.
Wer ist dieser Kater? Das Feuer konnte er unmöglich überlebt haben, aber warum war er dann hier?
Bei den nächsten Worten des Fremden zogen sich Funkes Eingeweide geschockt zusammen.

»Willkommen.
Willkommen, Blut des Falken.«

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt