7. Kapitel

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F U N K E

"Bist du sicher?", murmelte Falkenfrost unsicher.

"Ja, das bin ich!", rief Funke. "Diese Katze braucht unsere Hilfe."

"Wie du meinst", seufzte ihre Mutter nur.

Eifrig tappte Funke voraus, bis ihr einfiel, dass sie keine Ahnung hatte, in welche Richtung sie überhaupt gegen musste. Schlangenbiss! Wie finde ich das jetzt heraus?

Krampfhaft kramte sie in ihrem Kopf nach einer Erinnerung, einem Anhaltspunkt, irgendetwas. Doch da war nichts.

Die Sonne erhob sich bereits als glühender, leuchtender Feuerball vom Horizont. Und im ersten Licht, der einen neuen, unerträglich heißen Tag ankündigte, erkannte die kleine Kätzin eine winzige Silhouette, die weit entfernt auf einer Erhebung stand. Funkes Herz machte einen Sprung, als sie eine Katze erkannte.

"Da ist sie! Da ist die Katze! Komm, es ist nicht so weit", miaute sie in der Hoffnung, Falkenfrost aufmuntern zu können.

"Bist du sicher?", krächzte ihre Mutter schwach. Sie versuchte, auf die Pfoten zu kommen, doch ihre dürren Beine gaben unter ihr nach.

"Das schaffst du! Bestimmt!", feuerte Funke die Kätzin an. Stets hatte Falkenfrost ihr das Wasser überlassen, falls sie welches gefunden hatten. Immer hatte sie Beute gefangen, nur, um ihre Tochter am Leben zu erhalten. Jetzt muss ich ihr helfen!

Vorsichtig stupste Funke Falkenfrost mit der Nase an, doch ihr Kopf fiel nur schlaff zurück in den Wüstensand, der von der augegenden Sonne rot gefärbt wurde. Rot wie Feuer. Oder Blut...

"Bitte, steh auf! Ich brauche dich", wisperte sie, allmählich verzweifelt.

"Geh ohne mich. Du... brauchst mich nicht", hauchte Falkenfrost.

"Doch! Bitte, bleib hier! Du kannst nicht gehen", wimmerte Funke.

"Ich muss. Feder... ich... kann ihn sehen."

Verzweifelt presste Funke die Schnauze ins Fell ihrer Mutter. Das konnte nicht sein. Nein!

Die Stimme ihrer Mutter war nur noch ein Hauch, als sie weitersprach: "Geh, Funke. Geh und... finde diese Katze. Finde deine... Bestimmung. Ich werde dich nie verlassen. Ich werde immer... über dich... wachen. Mein Leben... ist vorbei. Aber deins... hat gerade... erst... begonnen. Lebe wohl, meine Tochter. Ich... liebe dich."

Dann war es vorbei. Falkenfrost erschlaffte.

"Nein! Komm zurück, ich brauche dich!", heulte Funke entsetzt, fühlte unendlichen Schmerz in ihr aufsteigen. Es war, als würden Krallen ihr Herz zerfetzen und verschlingen. Die Trauer überwältigte sie und sie drückte die Schnauze noch fester ins erkaltende Fell der Kätzin.
Sie war allein. Allein dieser Gedanke machte ihr Angst. Erneut heulte sie auf, heulte ihren ganzen Schmerz, ihre Trauer und Angst hinaus. Sie klang kläglicher und trauriger als die Katze, deren Lied sie gelauscht hatte.

Ihre Schreie verstummten erst, als ihre Lunge zu bersten schien und sie erschöpft zusammenbrach, vor Schwäche, Hunger, Trauer. Sie wusste es nicht. Langsam machte sich in ihr eine Taubheit breit, sie spürte nichts mehr, nichts als den unerträglichen Schmerz, das einzige verloren zu haben, das ihr jemals etwas bedeutet hatte.

Als ihre Rufe verklangen, war es einen Moment lang unheimlich still, bis ein Krächzen über ihr Funke zusammenzucken ließ. Über ihr kreisten schon die Geier, warteten darauf, dass sich die kleine Kätzin vom Körper ihrer Mutter entfernte oder - wenn es nach den riesigen Vögeln ginge - ebenfalls starb.

Nein! Ich werde Falkenfrost nicht diesen Bestien überlassen. Ich werde sie begraben. Wenn ich das schaffe.

Also begann sie, halbherzig im Sand zu scharren, doch jedes Mal, wenn eine halbwegs große Kuhle entstand, wurde sie vom heißen Wind zugeschüttet.

Lass es!, fuhr etwas sie an, lass meinen Körper liegen und geh!

"Falkenfrost? Bis du das etwa?", miaute sie hoffnungsvoll.

Ich... ja. Aber ich bin tot, Funke, und es ist mit nicht wichtig, ob mein Körper von Geiern zerfressen wird. Wichtig ist mir, dass du überlebst. Bitte, erfüll mir diesen einen Wunsch. Lass mich liegen und blicke nach vorn. Finde deine Bestimmung!

Lange hallten die Worte in ihrem Kopf nach, bis sie sich schüttelte und schluckte. Ich kann das nicht. Nicht allein.
Doch sie musste. Schweren Herzens wandte sie sich von ihrer Mutter ab und blinzelte in Richtung der Silhouette. Doch diese war jetzt verschwunden. Hin- und hergerissen zwischen der Trauer um ihre Mutter und dem Verlangen, diese Katze zu finden, drehte sie sich einmal im Kreis.

Der letzte Wunsch ihrer Mutter hallte in ihrem Gedächtnis wider, also riss sie sich zusammen und tappte los, schleppte ihre müden Pfoten immer weiter vorwärts. Und während sie lief, fühlte sie sich, als wäre ein Teil von ihr immer noch bei Falkenfrost, und stattdessen herrschte nun Leere in ihr.

Die Sonne stieg, und zu Funkes Erleichterung ragten immer mehr Büsche und Sträucher aus dem staubigen, trockenen Boden. Schließlich, als sie das Gefühl hatte, etwa die richtige Stelle erreicht zu haben, ließ sie sich einfach in den Schatten eines knorrigen Strauches fallen und überließ sich der Hitze.

In ihr kämpften zwei Gefühle. Erschöpfung und Trauer.
In Gedanken versunken lag sie da, mit jedem Herzschlag sickerte mehr Energie in den Wüstensand. Kurz, bevor sie einschlafen konnte, zerschnitt eine klirrend scharfe Stimme die Luft.

"Was willst du hier?"

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt