42. Kapitel

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B L I T Z A N M O R G E N H I M M E L

Erstaunt beobachtete Blitz, wie die dunklen Kater wissend nickten, wenn auch etwas irritiert wirkten. Zwei junge, schlanke Kätzinnen blickten so lustig drein, dass sie ein Schnurren nur mit Mühe unterdrücken konnte.
Fast gleichzeitig befahlen die beiden Kater, die scheinbar nicht damit klarkamen, dass beide sich wie Anführer verhalten wollten: »Kommt mit!«

Einige Herzschläge lang starrten sie sich an, doch als Blitz langsam ungeduldig wurde und fragte: »Mit wem?«, drehte sich der Gefleckte um und knurrte etwas wie »SturmClan, kommt mit!«
Immerhin schien dieser herrschsüchtige Kater zu wissen, wann er geschlagen war.

»Seid gegrüßt. Ich bin Nachtfluss, der Zweite Anführer des FlammenClans und wir heißen euch willkommen. Sicher wird Falkenstern euch aufnehmen. Wie ist dein Name, Fremde?«
Die kräftigen Muskeln spielten unter seinem nachtschwarzen Pelz, als Nachtfluss einige Schritte näher kam.

»Blitz an Morgenhimmel«, antwortete sie knapp, bevor sie ihre Stammesgefährten vorstellte.
»Eigentlich ist Felsenseher unser Anführer, doch wenn er uns nicht mehr leiten kann, nehme ich als seine Nachfolgerin diesen Platz ein. Wir danken euch für eure Großzügigkeit und das Angebot, uns aufzunehmen.«
Ihr fiel auf, wie Viper Nachtfluss wütend aus zusammengekniffenen Augen anstarrte. Als der Schwarze sich in Bewegung setzte und auf den Wald zuhielt, trabte der braun gefleckte Kater kurz neben den Zweiten Anführer und zischte ihm etwas zu, was Blitz irritiert beobachtete.

Eine kleine, lebhafte rote Kätzin trabte auf dem Weg neben Blitz und flüsterte ihr verschwörerisch zu.
»Ich glaube, Nachtfluss mag dich. Sonst ist er zu eigentlich allen Katzen unfreundlich. Ich bin übrigens Fuchsflamme!«
Blitz schnurrte, glaubte aber nicht wirklich, was Fuchsflamme sagte. Selbst wenn Nachtfluss sie mochte - also, mehr als normal für eine Katze, die man das erste Mal sah - was machte das für einen Unterschied?

Spinnennetzartige Muster von Licht und Schatten warfen die dürren Zweige der stattlichen Bäume, als die Katzen den Wald betraten. Unterwegs drehte sich Blitz immer wieder zu ihren Gefährten um, vergewisserte sich, dass noch alle ihnen folgten, während Fuchsflamme schon begann, ihr alles mögliche über Zeremonien, Ränge, Rituale und Gesetze zu erklären. Da Blitz kaum die Hälfte verstand und sich noch weniger merken konnte, nickte sie einfach nur aufmerksam und freute sich, als vor ihnen ein dichtes Brombeergebüsch auftauchte, dessen Dornen nicht aussahen, als würde man gern Bekanntschaft mit ihnen machen.

»Wen hast du denn da aufgetrieben, Nachtfluss?«
Ein grau-schwarz-weiß gescheckter Kater mit schelmischem Grinsen auf der vernarbten Schnauze begrüßte sie.
»Hallo, ihr alle!«
Überrascht hörte Blitz, wie Nachtfluss und die anderen Krieger ihn mit »Falkenstern« ansprachen. Dieser Kater, der nicht für einen Herzschlag ernst zu bleiben schien, sollte der Anführer dieser Katzen sein? Das kam ihr überaus seltsam vor!

»Das ist Falkenstern, unser Anführer! Er kommt vielleicht unprofessionell rüber, aber er ist eigentlich voll in Ordnung!«, maunzte Fuchsflamme.
Naja. Besser so einer als ein kompletter Spießer!

Gemeinsam traten die Katzen durch eine Lücke in den Brombeeren und fanden sich auf einer großen Lichtung wieder. So still der Wald am Ende der Blattleere war, so lebendig und voll wirkte das Lager des FlammenClans. Überall tobten junge Katzen, teilten Krieger Frischbeute oder unterhielten sich Freunde, bis Falkenstern seinen - etwas pummeligen - Körper auf einen bemoosten umgefallenen Baumstamm hievte und mit schiefer Stimme so ziemlich den Clan zusammenschrie.
»Claaan-Treffen!«
Sofort fanden sich sämtliche Katzen ein, einige kopfschüttelnd. Eine getupfte Kätzin mit einem so gewaltigen Jungenbauch, dass sie jeden Moment zu platzen schien, schleppte sich aus einem besonders sorgfältig mit Ranken überzogenen Bau.

»Also! Nachtfluss hat gerade ein paar verlorene Katzen aufgelesen. Wer seid ihr? Und warum haltet ihr eure Riechorgane nicht von unserem Territorium fern? Sprich, Katze!«
Als er Blitz durchdringend zunickte, erklärte sie, wer sie waren, woher sie kamen und dass sie nicht einmal innerhalb eines Territoriums gewesen waren, als die Clankatzen zu ihnen gekommen waren.

»Hach, das klingt spannend!«, freute sich Falkenstern übertrieben enthusiastisch.
»Wollt ihr euch dem FlammenClan anschließen?«

Blitz trat überrumpelt ein paar Schritte zurück. Es freute sie natürlich, dass Falkenstern sie so herzlich willkommen hieß, aber gleich ein Mitglied des Clans werden? Ihre Identität aufgeben und mit ihr alles, was sie jemals zu ihr selbst gemacht hatte? So früh war ihr das definitiv zu viel.
»Mich ehrt dieses Angebot«, erklärte sie, »aber ich selbst werde erst einmal Blitz am Morgenhimmel bleiben.«
Sie drehte sich fragend zu den anderen Katzen ihres Stammes um, doch alle nickten zögernd. Keine Frage, der Stamm des jagenden Feuers würde seinen Namen wahren!

»Nun denn, auch in Ordnung. Willkommen im FlammenClan. Nehmt euch Frischbeute, lebt euch ein, ich gehe jetzt schlafen.«
Leises Gelächter war die Folge, schließlich war Sonnenhoch noch nicht lange vorbei.
Scheinbar erwartete Falkenstern, dass die Stammeskatzen sich sofort verhielten, als wären sie im Clan geboren, was natürlich nicht der Fall war. Etwas eingeschüchtert drängten sich die wenigen mageren Katzen hinter Blitz zusammen und beäugten ihre freundlichen Gastgeber.

Schatten von fliegendem Adler trat schließlich zuerst vor, stellte sich vor und nur wenige Herzschläge später war er in ein reges Gespräch mit Fuchsflamme vertieft - zwei extrovertierte, junge Katzen, die sich vermutlich freuten, einen Gesprächspartner gefunden zu haben.

Horizont tappte vorsichtig zu der werdenden Mutter hinüber und sagte irgendetwas, das Blitz nicht mehr hören konnte. Sie selbst jedoch drehte sich zu Felsenseher um, da gerade jetzt eine alte Frage in ihrem Kopf umherspukte.
»Können wir kurz reden?«
Der alte braune Kater nickte matt. Blitz und Felsenseher verzogen sich an eine Ecke des Lagers, als sie ihn zur Rede stellte.
»Wo beim Stamm der ewigen Sonne hast du Echo hingeschickt?«, fuhr sie ihn an.
»Du hast es mir während der gesamten Reise nicht erzählt, aber jetzt bist du mir eine Erklärung schuldig!«

Gleichgültig sagte der braune Kater: »Er soll jemanden finden.«

»Wen?«, fauchte sie gereizt.

»Das Blut des Falken.«

»Was ist das?«

»Lange Geschichte. Zu lang.«

Vollkommen abgenervt stand sie schwanzpeitschend auf. Sie wusste, dass es keinen Sinn machen würde, zu versuchen, etwas aus ihm herauszubekommen. Wenn der Alte etwas nicht sagen wollte, sagte er es auch nicht.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und tappte zu Horizont und der trächtigen Kätzin, die, wie sie später herausfand, Lichtfunke hieß. Seltsame Namen hatten diese Clankatzen, aber irgendwie klangen sie schön und vor allem nicht so lang wie die der Stammeskatzen.

Auch, wenn sie keine Ahnung hatte, was mit ihrem Zuhause passiert war, wenn sie sich für die nächsten Blattwechsel fragte, wer oder was das Blut des Falken war und sie vollkommen überfordert mit der Leitung des Stammes war - sie waren angekommen.
Und sie würden von jetzt an in Frieden leben.

Oder?

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt