Fahles, kaltes Licht fiel von der schimmernden Halbmondsichel am samtenen, nachtdunklen Himmel auf die Pelze der Katzen und ließ ihre Felle schimmern wie ein Sternenmeer. Heller als tausend Himmel strahlte der gewaltige Felsen vor ihnen, aus dessen Spitze schillerndes, kristallklares Wasser sprudelte, als feiner Sprühregen in einen kleinen Teich tropfte. Leises Plätschern wurde nur vom Schreien eines Vogels übertönt.
Die sieben Katzen hockten wie in einem Kreis neben dem Felsen, murmelten leise, bis eine rot-weiße Kätzin das Wort erhob.
»Ich habe beschlossen, dass du, Schattenpfote, nun bereit bist, deinen vollständigen Heilernamen zu erhalten.«Überrascht riss der graue Kater die azurblauen Augen weit auf, bevor er von innen zu strahlen schien. Glücklich nickte er und die Kätzin fuhr fort.
»Ich, Honigwolke, Heilerin des NebelClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diesen Schüler herabzublicken. Er hat hart gearbeitet, um das Wissen einer Heilerkatze zu erlernen und mit eurer Hilfe wird er seinem Clan viele Monde lang dienen.Schattenpfote, versprichst du, die Wege eines Heilers zu gehen, dich von Rivalitäten zwischen den Clans fernzuhalten und kranke Katzen aller Clans zu versorgen, selbst wenn es dein Leben kostet?«
Der junge silberne Kater, dessen Augen im Mondlicht schimmerten, nickte und miaute mit Ehrfurcht in der Stimme: »Ich verspreche es.«
»Dann gebe ich dir mit der Kraft des SternenClans deinen Heilernamen. Schattenpfote, von diesem Augenblick an wird man dich Schattenschwinge nennen. Der SternenClan ehrt deine Klugheit und deine Freundlichkeit und wir heißen dich als vollwertigen Heiler des NebelClans willkommen!«
Sie musste den Kopf gewaltig in die Höhe recken, um ihn trotz ihrer schlaff auf dem Boden liegenden Hinterbeine auf die Stirn des jungen Katers zu legen.
Strahlende Freude leuchtete in seinem Blick, als die anderen Katzen begannen, seinen Namen zu rufen. Die Rufe vereinten sich zu einer einzigen Melodie, hallten an den Gelsen und Bäumen wieder und stiegen so zu den funkelnden Sternen empor.
Nur eine Katze schwieg. Ein winziger, hellroter Kater.***
»Nun lasst uns Träume mit dem SternenClan teilen«, miaute die Rotweiße, hievte sich mit den Vorderbeinen voran und tauchte ein in das mystische Licht, das in der kleinen Höhle herrschte. Die anderen Heilerkatzen folgten ihr.
Schattenschwinge blieb noch einen Moment stehen, wollte das Licht des Stolzes in seiner Brust leuchten lassen, doch sofort wurde es von den Schatten der Sorgen verschlungen. Die Sache mit dem EisClan ließ ihm einfach keine Ruhe. Noch immer wollte er mit aller Macht versuchen, eine Lösung zu finden, die nicht in einem Blutbad endete.
Als er noch ein winziges Junges gewesen war, hatte Rankenfluss ihm erklärt, dass Rache immer eine schlechte Lösung war, da sich so der Hass auf beiden Seiten ausbreitete und schließlich in grausigen Kämpfen explodierte, die zahllose unnötige Tode bedeuteten.
Das schlechte Gewissen rumorte in seinem Magen noch immer, weil er den EisClan in den Wald gelockt und somit einen Kampf provoziert hatte. Vielleicht wäre Froststern ohne ihn noch am Leben? Vielleicht wäre Eisschatten nicht so hasserfüllt? Vielleicht... wäre ohne ihn diese ganze Katastrophe über die Clans nicht hereingebrochen. Was, wenn er am Untergang der Clans schuld war?
Sonnenpfote schien das so zu sehen.
Ihm war nicht entgangen, dass der junge Kater geschwiegen hatte, als alle anderen Heiler seinen neuen Namen gerufen hatte. Stets bedachte er den silbernen Kater mit diesem seltsamen Blick, einer Mischung aus Argwohn und Angst. Panische Angst.Schattenschwinge wusste, dass Angst eine mächtige Waffe war. Angst hatte den EisClan zu grausamen Taten und Sonnenpfote vielleicht zum Mordversuch getrieben. Selbstverständlich hatte der neuernannte Heiler seine Mentorin Dämmerschwinge gefragt - Sonnenpfote selbst auszufragen traute er sich nicht. Doch die hellbraune Kätzin hatte nur gemeint: »Er ist wie ein Junges. Er glaubt alles, was man ihm erzählt, und er hat eben den falschen Katzen vertraut.«
Irgendwie war er empört gewesen, dass von allen Clans die Tatsache, dass Sonnenpfote versucht hatte, ihn umzubringen, einfach hingenommen und abgehakt wurde. Federstern hatte gesagt, er solle niemals allein irgendwo herumlaufen und schickte ihm stets Krieger mit, wenn er Kräuter sammeln ging. Doch das brachte nichts, zerstörte höchstens seine Privatsphäre. Irgendwie kam dem jungen Kater in diesem Moment alles scheußlich kompliziert vor.
»Schattenschwinge! Willst du die ganze Nacht hier herumstehen und Löcher in die Luft starren?«
Flammenpfote, die junge Heilerschülerin des SturmClans, riss ihn aus seinen Gedanken. Schattenschwinge mochte die kleine Kätzin, sie war so lebensfroh und schien sich über jede Kleinigkeit zu freuen, solange sie damit anderen Katzen half.
Ihr rotgoldenes Fell flimmerte im Mondlicht und Schattenschwinge schüttelte den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen und die düsteren Gefühle in seinem Herzen zu vertreiben.Sobald er die kleine Höhle betrat, benetzte ein feiner Sprühnebel sein grau getigertes Fell. Bevor er Heiler geworden war, hatte er nicht gewusst, dass Wasser oder Sternenlicht einen Geruch hatten. Und doch kam es ihm vor, als würde in den hauchzarten Tropfen die Witterung seiner Ahnen hängen.
Er setzte sich neben die anderen Heiler und hielt seine Nase in den Regen des Wasserfalls und begrüßte den Strudel aus Licht und Schatten, der ihn in seine Träume begleitete.***
Grelles Licht weckte ihn, Gras kitzelte seine Schnurrhaare und mit zuckender Nase setzte er sich auf. Wie ein Diamantenmeer lag eine von zahllosen bunten Blumen getupfte Wiese vor ihm. Vielleicht kommt Rankenfluss wieder! Doch da erinnerte er sich an die Worte des braunen Katers. Er hatte gesagt, dass sein Sohn ihn nicht wiedersehen würde. Wieder legte sich ein Schatten auf Schattenschwinges Herz.
»Willkommen, Schattenschwinge!«
Die helle Stimme ließ ihn zusammenzucken, er drehte sich um und sah zwei Katzen auf ihn zutraben. Eine war winzig, wahrscheinlich noch ein Junges, mit dichtem Fell in einem warmen, dunklen Braunton. Ihre Augen waren noch strahlender azurblau als seine eigenen und gerade strahlten sie mit den Sternen am Silbervlies um die Wette. Der andere war ein kräftiger Kater mit dunklem Pelz, dessen Farbe nicht mehr zu erkennen war, so durchschimmernd war er. Schattenschwinge konnte die Blumen durch seinen Körper hindurch sehen.»Endlich seh'n wir uns wieder!«, quiekte die kleine Kätzin und hüpfte an Schattenschwinge hoch, drückte ihre Nase gegen seine, sprang dann zurück und kicherte beim Anblick des vollkommen irritiert starrenden Katers.
»Du hast keinen Plan, wer ich bin, oder?«»Ähm...«
Verlegen trat er von einer Pfote auf die andere und heißes Blut stieg ihm in die Ohren.
»Tatsächlich nicht.«»Ich...«
Sie machte eine theatralische Pause, »bin Sumpfjunges! Deine Schwester, du Bienenhirn!«
Schattenschwinge kramte in seinem Kopf nach den Erinnerungen an die kleine Katze, doch die Biler, die er von den vier Geschwistern fand, waren so verschwommen, dass er von allein nicht einmal darauf gekommen war, dass er eine tote Schwester hatte.
»Ich erinnere mich«, schnurrte er trotzdem. In seiner Stimme schwang etwas Wehmut mit. Wie schrecklich es sein musste, so früh das Leben zu verlieren...»Das ist es nicht, warum wir gekommen sind, Kleiner.«
Mit ruhiger Stimme sprach der durchscheinende Kater.
»Sicher weißt du von der Prophezeiung, Schattenschwinge. Du weißt, zu was du bestimmt bist. Die anderen beiden Auserwählten wissen von der Prophezeiung, aber sie wissen nicht von dir. Finde sie.«Unzählige Fragen schwirrten in seinem Kopf.
»Aber wie soll ich sie finden? Kannst du mir nicht dabei helfen? Wer bist du überhaupt?«
Der Kater schwieg.
»Die Prophezeiung besagte doch, dass die drei Auserwählten gemeinsam den EisClan besiegen können, oder? Aber haben das die Krieger nicht schon getan? Oder wird es noch einen Kampf geben?«Der Durchscheinende nickte geheimnisvoll.
»Gib Acht, Kleiner. Die Sterne sagten zwar, ihr könntet gemeinsam das Eis brechen lassen, aber sie hatten keine Ahnung, wie fest und tödlich es ist.«
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Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-III
Fanfiction»Das Blut des Falken sickert in den Wüstensand und tropft auf die Felsen aus Flammen. Das dunkle Feuer, es wandelt bereits auf finsteren Pfaden. Wo selbst der Boden tödlich ist, dort entspringt das Licht, das Leben ohne Tod. Nur gemeinsam können sie...