46. Kapitel

32 8 1
                                    

Verdammt! Dich krieg ich noch, Du verfluchtes Stück Mäusedung!
Frustriert grub Wildpfote ihre Krallen tiefer in die Erde, stieß sich noch kräftiger ab und flog nur so durch das flammende Abendlicht. Die glutroten Strahlen der Sonne ließen ihren Pelz in einem Wirbel aus Schatten und Feuer aufleuchten, ebenso wie das hellbraune Fell des Kaninchens, das sie verfolgte.
Du musst schneller denken, als das Kaninchen rennen kann, kamen ihr Löwenmuts Worte in den Sinn und sie fokussierte sich auf den Kopf des Nagetiers, der sich nach links richtete.

Noch ehe ihre Beute es tat, schlug sie einen Haken und schnitt dem Tier den Weg ab.
Du wirst nicht der Grund sein, dass ich durch meine Prüfung falle!
So entschlossen wie selten zuvor setzte sie zum letzten Sprung an, grub ihre langen Klauen tief ins Fleisch des Kaninchens und riss es brutal zu Boden.
Triumphierend schlug sie ihm die Zähne in den Hals und schmeckte süßes Blut.
Wildpfote trabte, das Kaninchen hinter sich herschleifend, in Richtung SturmClan-Lager.

Blitzpfote hatte sicherlich doppelt oder dreimal so viel gefangen wie sie, und das machte sie unfassbar wütend. Sie war nicht wütend auf ihre Schwester, die Katze, die ihr am meisten bedeutete. Nein, der glühende Hass, der sie von innen zu verschlingen schien, galt ihr selbst. Immer stand sie im Schatten ihrer Schwester, außer in Kämpfen, aber Wolkennacht ließ sie ja nicht mit Blitzpfote kämpfen, der Zweite Anführer traute ihr noch immer nicht und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Wo war ihr Clan gewesen, als sie ihre Pfoten auf einen finsteren Pfad gesetzt hatte? Wo waren sie gewesen, als sie nach Seeschattens Verrat fast versunken war in Zweifeln? Noch immer hatte der graue Kater keinen guten Ruf im Clan, doch er genoss deutlich mehr Ansehen als Wildpfote. Keine große Kunst.

Aber wenn es stimmte, was Aschenschwinge erzählt hatte, würde sie es ihnen schon zeigen! Sie würde es allen zeigen. Und wenn sie den Clan gerettet hatte vor was auch immer, dann würde keine Katze mehr an ihr zweifeln. Doch drei Katzen gab es, die immer zu ihr gehalten hatten. Ihre beiden Mentoren, denen sie unheimlich viel zu verdanken hatte und eben Blitzpfote.

Der Ruf eines Falken riss sie aus ihren Gedanken und sie ließ ihr Kaninchen fallen, als sie Löwenmuts Stimme hörte.
»Wildpfote!«, schnurrte der goldene Krieger. Wildpfote war aufgefallen, dass seine Schnauze in den letzten Monden immer grauer geworden war.

Trotz seines Schnurrens jagte sein Anblick Wildpfote einen Schauer über den Rücken. In ihrem Kopf schwirrten noch immer zahllose Fragen an ihren Mentor, seit er ihr offenbart hatte, dass er alles wusste. Auf ihre Frage hin hatte er einfach »alles zu seiner Zeit« geantwortet. Seltsamerweise schien es ihm nichts auszumachen, dass sie im finsteren Wald trainierte, oder schien zumindest ein seltsames Verständnis zu zeigen.
Seitdem hatte sie trotzdem mit keiner Katze über ihre nächtlichen Besuche am Ort ohne Sterne gesprochen, nicht einmal mit Blitzpfote.
Verblüfft starrte Löwenmut Wildpfote an. »Du hast bestanden! Freust du dich denn gar nicht?«

Der Blick aus ihren verschiedenfarbigen Augen, der den Goldenen schier durchbohrte, verriet ihm wohl, was sie dachte.
Er seufzte und schüttelte das lange Fell in der Farbe eines Morgenhimmels.
»Geduld war noch nie deine Stärke, hm? Wie gesagt, alles zu seiner Zeit. Und jetzt komm, Wildpfote, lass uns zum Lager zurückgehen. Die Kampfprüfung wartet noch. Aber wie ich dich kenne, wird das kein Problem!«

Wildpfote nickte, doch noch immer schien ein Stein auf ihrem Herzen zu lasten. Auf dem Weg kamen ihnen bereits Blitzpfote mit ihrem Mentor und Wolkennacht entgegen.
»Wildpfote!«, freute sich ihre Schwester. »Wir haben es fast geschafft! Also du hast es fast geschafft, ich hab meine Prüfung ja schon eben gemacht.«
Wohl oder übel keimte Freude in ihr auf, als sie das glückliche Leuchten in Blitzpfotes Augen sah.

Doch schon kurze Zeit später lastete der Felsen der Sorge schwerer auf ihrem Herzen als je zuvor.
Die Schildpattfarbene war nie eine gute Jägerin gewesen. Immer war sie zu früh losgelaufen oder hatte zu wenig Ausdauer gehabt, doch fürs Kämpfen hatte sie eine Leidenschaft entwickelt. Allerdings stieg in ihr fast in jedem Kampf diese flammende Wut auf, die sie mit aller Kraft unterdrücken musste.

Ihre Prüfung endete hier nicht - der wirklich schwierige Teil find gerade erst an, das wusste sie, als sie sich dem schwarz-grauen Kater gegenübersah.
»Wir werden sehen, ob du an dir gearbeitet hast«, knurrte Wolkennacht.
Dann stürzte er sich auf sie.

Wildpfotes Reflexe waren durch das mondelange Training blitzschnell, sodass sie sich flink wie ein Wiesel unter seinem Angriff wegducken konnte. Als der Zweite Anführer über sie hinwegflog, rammte sie ihm den Kopf in den Bauch, sodass er mit einem dumpfen Laut in der Heide landete.
Schneller als ihr lieb war richtete sich Wolkennacht auf, sprang auf sie zu und zielte einen Schlag nach links. Wildpfote wollte ihn schon mit erhobener Pfote abwehren, doch da traf sie rechts ein Hagel aus Schlägen, sodass sie das Gleichgewicht verlor. Ehe sie es sich versah, nagelte er die kleine Kätzin auf den Boden.

Der rote Schleier legte sich über ihre Sinne, sie zwang sich mit aller Macht, den glühenden Zorn in ihrem Inneren zu ersticken und versuchte verzweifelt, nicht wild um sich zu schlagen. Sie rammte Wolkennacht mit aller Macht die Hinterläufe in den Bauch, er wurde einige Schwanzlängen durch die Luft geschleudert.

»Stop!«, hallte Löwenmuts Ruf durch die lauwarme Abendluft, er schien zu merken, dass die Situation zu eskalieren begann.
»Gut gemacht, Wildpfote«, schnurrte er stolz. »Was sagst du, Wolkennacht?«

»Bestanden«, grummelte der Kater. Scheinbar war das nicht ganz der Ausgang des Kampfes, den er sich gewünscht hatte, aber in Wildpfote stieg ein warmes Triumphgefühl auf. Stimmte das wirklich? Würde sie nun Kriegerin werden?

***

»Wildpfote, versprichst du, das Gesetz der Sterne zu ehren, den Clan zu schützen und ihn zu verteidigen, selbst wenn es dein Leben kostet?«
In diesem Moment waren ihr die Blicke ihrer Clan-Gefährten, Falkenfeders Hass, Aschenschwinges Prophezeiung und all diese Dinge egal. Das war ihr Moment. Auf diesen hatte sie ihr ganzes Leben lang hingefiebert, hart trainiert. Mit einem gleißenden Licht im Herzen, das noch nie so hell vor Stolz und Glück gestrahlt hatte, schwor sie:
»Ich verspreche es.«

Windstern schien nach jedem Wort, das sie sprach, erleichtert, dass ein Wort weniger der Zeremonie zu sprechen war, doch auch das war Wildpfote egal.
»Dann gebe ich dir nun mit der Kraft des SternenClans deinen Kriegernamen. Wildpfote, von diesem Augenblick wird man dich Wildherz nennen. Der Clan ehrt deinen Mut und deine Kampffertigkeiten und wir heißen dich als vollwertige Kriegerin des SturmClans willkommen!«

»Wildherz! Blitzsprung! Wildherz! Blitzsprung!«, erschallen die ohrenbetäubenden Rufe ihres Clans, die sich zu einem einzigen Lied in Wildpfotes - nein, Wildherz' Ohren vereinte, bis zum Silbervlies hinaufklang und zum ersten Mal seit zahllosen Monden war Wildherz wirklich glücklich.

Warrior Cats - Sternenpfade || Band I-IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt