Kapitel 31

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„Du hättest nicht gehen brauchen, mi Hermosa..." Lucias Stimme zitterte, ihre Augen glänzten feucht, als sie mich ansah, voller Traurigkeit und Schmerz. Der Anblick ihrer Tränen war der letzte Tropfen, der meine eigene Fassade brechen ließ. Unfähig, die Tränen noch länger zurückzuhalten, brach ich in einem Schluchzen aus. „Wir sehen uns doch wieder, Lucia", stammelte ich, während ich sie fest in meine Arme zog, so fest, dass ich sie nie wieder loslassen wollte. „Außerdem hast du jetzt keinen, der sich einmischt bei deinen Aktionen. Du kannst machen was du willst, ohne eine Standpauke von mir zu hören." Es fühlte sich an, als würde ich einen Teil von mir zurücklassen, hier, in dieser endlosen Wüste, inmitten von Erinnerungen, die mich für immer verfolgen würden.

„Wie soll ich das ohne dich durchstehen? So sehr ich deine Standpauken auch hasse, so sehr liebe ich sie auch, weil sie von dir kommen.." Ihre Stimme klang verzweifelt, und der Gedanke, sie zurückzulassen, zerriss mir das Herz. Ich hob ihre zarte, vertraute Hand und legte sie sanft auf meine Wange, bevor ich ihr Gesicht zwischen meine Hände nahm. „Du hast doch die anderen Mädels, Lucia. Du bist nicht allein." Ich zwang mich zu einem Lächeln, obwohl es in mir drinnen tobte. „Vielleicht ist es besser, wenn ich wieder in das kalte Leben meines Vaters zurückkehre. Vielleicht kann ich doch noch etwas Nützliches von ihm lernen."

Verwirrt runzelte Lucia die Stirn. „Und was soll das sein?" Ihre Augen suchten nach einem Funken Verständnis.

Ich schaute in die Ferne, hinaus in die Dunkelheit der Wüste, die so viele Erinnerungen in sich barg. „Arroganz und Kälte", flüsterte ich schließlich. „Damit mich keiner mehr verletzen kann. Vielleicht tue ich einfach das, was er seit Jahren von mir erwartet..." Die Worte blieben einen Moment in der Luft hängen, während ich die Stille der Wüste in mich aufsog. „Vielleicht studiere ich Jura, um in seine Fußstapfen zu treten. Vielleicht... vielleicht bekomme ich so endlich seine Anerkennung."

Aber die Wahrheit, die wahre Qual, die mich innerlich zerriss, behielt ich für mich. Der Grund, warum ich wirklich nach New York zurückkehrte, war nicht das Bedürfnis, meinem Vater zu gefallen oder mich in sein kaltes Leben einzufügen. Es war der verzweifelte Versuch, mich selbst zu retten. Mich von den Erinnerungen an Enzo zu lösen, die wie Gift durch meine Adern flossen und mich mit jeder Stunde mehr vergifteten. Weg von ihm, weg von dem, was er in mir ausgelöst hatte.

Nach einer langen, wortlosen Umarmung bat ich Lucia schließlich, mich die letzten Minuten allein zu lassen. Ich wollte in Ruhe Abschied nehmen – von diesem Ort, von dieser Zeit, von allem, was ich hier erlebt hatte. Es war drei Uhr morgens, und die kalte Wüstenluft kroch durch meine Kleidung, ließ mich zittern, doch das war nichts im Vergleich zu dem Sturm, der in mir tobte. Der Wind trug das Flüstern der Vergangenheit mit sich, als ich auf das Flugfeld hinaussah. All diese Monate hier würden ab morgen nur noch eine schmerzhafte Erinnerung sein. All die Tage, die Nächte, die Augenblicke, die ich hier verbracht hatte, würden mich begleiten, aber nichts schmerzte so sehr wie die Erinnerung an ihn.

Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich plötzlich eine große, dunkle Gestalt auf mich zukommen sah. Der kalte Wind erfasste meinen Atem, während ich erstarrt stehen blieb. Mein Magen drehte sich um, als die Gestalt näher kam.

Die Silhouette in der Dunkelheit wurde immer klarer, und mein Herz begann in meiner Brust zu hämmern. Mein Atem stockte, als ich erkannte, wer es war. Enzo. Er kam direkt auf mich zu, seine Schritte schwer, als würde jeder einzelne von ihnen die Luft zwischen uns zerschneiden. Die Kälte der Wüste um mich herum wurde von einem plötzlichen Hitzeschwall in mir überdeckt, eine Mischung aus Angst und Wut, die meinen ganzen Körper durchdrang.

Seine Augen... diese Augen. Sie funkelten in der Dunkelheit wie stählerne Klingen, beinahe wütend, starrten sie mich an, als ob ich das Zentrum seines Zorns wäre. Sein Kiefer war angespannt, und seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig, als ob er mit jeder Sekunde mehr mit seiner Selbstbeherrschung kämpfte. Der Wind trug ein leises, nervöses Schnalzen mit sich, als seine Zunge gegen seinen Gaumen schlug, ein Zeichen seiner tiefen Anspannung. Jeder Muskel in seinem Gesicht war verkrampft, seine Lippen schmal, als ob er gleich etwas sagen oder schreien würde – doch es kam nichts. Nur dieser unausgesprochene Sturm, der zwischen uns wütete, während er mich durchbohrte.

Dark PassionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt