Kapitel 43

4.3K 451 167
                                    


„Das ist alles?" Enzos tiefe, raue Stimme hallte durch den Raum, als er die Tür hinter sich schloss. Seine Augen glitten prüfend durch mein Zimmer, als ob er jedes Detail in sich aufsaugen wollte. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, als ich ihm gegenüberstand, die Tasche in der Hand, in die ich hastig meine Sachen geworfen hatte.

„Das ist alles," bestätigte ich leise, obwohl seine Frage mich verletzte, da mir mal wieder bewusst wurde, dass mein gesamtes Leben in zwei kleine Taschen passte. Er ließ seinen Blick weiter durch den Raum wandern, und ich konnte fast fühlen, wie er versuchte, mich durch diese vier Wände zu verstehen. Doch was er nicht wusste: Dieses Zimmer hatte nichts mit mir zu tun. Es war eine Maske, genau wie die, die ich die letzten Jahre getragen hatte.

„Das Zimmer passt nicht zu dir," sagte er plötzlich, und seine Stimme war so rau und ehrlich, dass ich unwillkürlich erstarrte. Die Worte schnitten durch die Luft, und für einen Moment fühlte es sich an, als hätte er meine Gedanken laut ausgesprochen.

„Tut es auch nicht," flüsterte ich schließlich und versuchte, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. „Ich hasse alles daran." Es war das erste Mal, dass ich das laut aussprach, und die Wahrheit dieser Worte traf mich härter, als ich erwartet hatte. Dieses Haus, dieses Zimmer – sie hatten sich nie wie ein Zuhause angefühlt. Sie waren nur Kulissen, in denen ich lebte, ohne wirklich dazuzugehören.

Enzo sagte nichts, aber ich spürte seinen durchdringenden Blick auf mir. Es war, als würde er mich sehen – nicht die Fassade, die ich sonst immer aufrechterhielt, sondern das wahre Ich dahinter. Dieser Moment der Stille zwischen uns war schwer, fast erdrückend.

Mit einem müden Seufzer wandte ich mich zur Tür und nickte stumm. „Wir können los," flüsterte ich, die Worte kaum lauter als ein Hauch. Mein Herz war schwer, doch ich wusste, dass ich diesen Ort verlassen musste. Es war, als würde ich ein Stück meiner Vergangenheit hinter mir lassen, aber in mir loderte die Angst. Ich würde nun zu Enzo ziehen – in ein Zuhause, das genauso fremd und unerreichbar schien wie dieses hier. Ein Ort, an dem ich nicht willkommen war.

Ich setzte einen Fuß vor den anderen und spürte, wie meine Schritte mich in eine Zukunft führten, die genauso ungewiss war wie die Mission selbst. Der Gedanke an meinen Vater, der gerade das Haus verlassen hatte, um Fernando Sanchéz' Vater sein Beileid auszusprechen, erleichterte mich. Ich wollte keine Sekunde länger in diesem erstickenden Raum mit ihm oder Enzo verbringen.


„Ich hätte deinen Vater am liebsten getötet." Enzos tiefe, kalte Stimme schnitt durch die Stille des Wagens wie ein Messer, während wir durch die belebten Straßen von New York fuhren.

Ich zuckte zusammen, überrascht von der plötzlichen Intensität seiner Worte, die den Raum zwischen uns aufgeladen wirken ließen. Ich drehte meinen Kopf zu ihm, mein Herz schlug schneller. „Wieso?" fragte ich leise und beobachtete, wie er eine Zigarette an seine Lippen führte, den Rauch tief inhalierte, bevor er ihn langsam ausstieß. Die orangefarbene Glut erhellte für einen Moment das scharfe Profil seines Gesichts, sein Kiefer angespannt, die Muskeln darunter deutlich zu erkennen. Sein Blick war hart und unerbittlich auf die Straße gerichtet, als würde er versuchen, seine Wut zu kontrollieren.

„Weil er dich wie eine Angestellte behandelt. Und weil..." Enzo verstummte, seine Zunge schnalzte unruhig gegen seinen Gaumen. Ich bemerkte, wie sich seine Hände um das Lenkrad verkrampften, die Knöchel weiß hervortraten, und mit einem Stich im Bauch sah ich, dass die Wunden an seinen Händen wieder zu bluten begannen. Tropfen dunklen Blutes sickerten langsam über seine Haut, aber er schien es nicht einmal zu merken, so sehr war er in seinem Zorn gefangen.

„Weil er dich an diesen Bastard verkauft hat," fuhr er schließlich fort, seine Stimme jetzt tiefer und rauer, voller verhaltener Wut. „Es wäre ihm scheißegal gewesen, wie dein Leben bei ihm gewesen wäre." Jeder seiner Worte war wie eine Kugel, die in die Luft gefeuert wurde, und traf mich direkt ins Herz. Enzos Hass auf meinen Vater war so greifbar, dass ich ihn förmlich im Raum zwischen uns spüren konnte, schwer und bedrückend. Ich schluckte hart, meine Kehle fühlte sich plötzlich trocken an.

Dark PassionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt