"Megan's erstes Mal."

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  Four days left


"Oh, fuck."
Das Fluchen riss mich aus meinem Schlaf. Ich öffnete die Augen und blickte gegen die Decke.
Meine Muskeln waren angespannt, weshalb ich mich im Schlaf streckte und als ich dabei zur Seite sah, zu Justins Seite, erkannte ich nur die weiße Bettdecke.
Ich hatte das Gefühl, als würde mein Herz aufhören zu schlagen. Panik machte sich in mir breit. Panik, die mich nun vollkommen wach gerüttelt hat.
"Justin!", rief ich ganz verwirrt. Ich hatte doch jemanden fluchen hören.
Die Badezimmertür öffnete sich und gewann somit meine Aufmerksamkeit.
"Oh, nein." Sein Gesicht tauchte im Türrahmen auf. "Habe ich dich aufgeweckt?"
Ich ignorierte sein bemitleidendes Gesicht und fragte stattdessen: "Wie viel Uhr ist es?"
"Sieben Uhr morgens." Ich wollte ihn fragen, warum er schon wach war, aber dann beantwortete er mir diese Frage von selbst. "James hat ein Treffen mit Ians Anwältin ausgemacht. In einer halben Stunde. Ich muss mich beeilen."
"Warum hast du mich nicht aufgeweckt?"
Er trat nun vollständig vor die Badezimmertür und kam zu mir rüber. Als er sich auf die Bettkante setzte, nahm er meine Hand und hielt sie in seiner.
"Du musst schlafen, Alison. Wenn du jetzt mit mir mit kommst, hast du nur vier Stunden geschlafen. Eigentlich nur drei. Und das ist zu wenig."
Ich verstand seine Fürsorge, aber dasselbe gilt doch für ihn.
"Ach, und dir reichen 4 Stunden Schlaf aus?", fragte ich ihn und warf meine Bettdecke zur Seite. "Ich will mitkommen."
"Alison.", seufzte er, aber er hatte ja keine Ahnung, wie ernst ich es meinte. "Ich werde dir danach alles ausführlich erzählen."
Ich stand auf und öffnete die Tür meines begehbaren Kleiderschrankes. "Ist doch nicht nötig, wenn ich einfach mitkomme."
Selbstverständlich folgte er mir und als ich dabei war mir ein Oberteil zu nehmen, redete er auf mich ein. "Oder du schläfst weiter und ich hole dich ab, wenn wir uns mit Megan verabreden."
Für eine Sekunde sah ich ihn verwirrt an. Mit Megan verabreden?, dachte ich mir, aber dann leuchtete es mir ein. "Oh, ja."
"Hast du das etwa vergessen?" Ein leichtes Grinsen tritt auf seine Züge und ich schüttelte beschämt den Kopf. "Nene, ist noch alles in meinem Kopf."
"Ja, sicher.", gab er von sich und verdrehte die Augen. "Du bist einfach noch müde. Leg dich doch bitte hin, Baby."
Er hatte Recht, aber ich wollte es nicht einsehen. Ich war fix und fertig, kaum in der Lage meine Augen aufzuhalten geschweige denn mich auf meinen Beinen zu halten.
Aber ich wollte unbedingt mit dabei sein, wenn meine alte Anwältin darüber spricht, wie sie vor hat Ians Arsch zu retten. Ich wollte die Jungs wiedersehen, weil ich sie vermisst habe.
Und vor Allem wollte ich nicht ohne Justin sein.
Es deprimierte mich, dass ich so müde war, aber auf der anderen Seite wusste, dass ich ohne Justin an meiner Seite nicht wieder einschlafen könnte.
Sollte er ohne mich gehen, dann würde ich alleine zurück bleiben. So alleine, wie ich es auch in den letzten Tagen war.
Und nach dem wundervollen Abend gestern, wollte ich nie wieder so alleine sein.
Ich antwortete Justin nicht und als ich ein passendes Oberteil zu meiner Lieblingsjeans gefunden hatte, zog ich mir mein T-Shirt über den Kopf.
"Also, was ist jetzt?", wollte er wissen und lehnte sich gegen meinen Schuhschrank. Er hatte die Arme ineinander verschränkt und sah mir eindringlich und viel zu ernst in die Augen.
"Mach dir keine Sorgen um mich, Justin." Ich zog mir das Top über den Kopf und strich es glatt, als es auf meinem Oberkörper saß. "Mir geht es gut und ich bin fit wie ein Turnschuh."
"Ach, bist du das?" Seine Augenbrauen waren nach oben gerichtet.
"Jap." Ich lächelte ihn an und drückte ihm anschließend einen kleinen Kuss auf die Lippen.
"Ziehst du deine Oberteile immer ohne einen BH an?"
"Was?"
Er lachte leise auf fuhr mit seinem Daumen zärtlich meine Wange entlang. Ich guckte nach unten und erkannte tatsächlich, dass ich vergessen hatte mir meinen BH anzuziehen.
"Und du sagst, du wärst nicht müde."
"Es ist aber immer noch meine Entscheidung, ob ich mitkommen will, oder nicht."
"Gott, warum musst du immer so stur sein?", beschwerte er sich und hob seine Stimme. Ich ließ mich von ihm nicht unterkriegen und zog mich umhüllt von seinem strengen Blick weiter um. "Sei doch bitte einmal vernünftig und leg dich wieder hin."
"Was hindert dich daran dich nicht wieder hinzulegen und weiter zu schlafen? Ich werde in spätestens zwei Stunden wieder bei dir sein."
"Ach, wirst du das?", fragte ich ihn, weil ich es langsam satt hatte, dass er mir immer Versprechungen gab, die er nicht halten konnte.
"Ja, werde ich." Unsere Blicke kreuzten sich und er sah fuchsteufelswild aus. Dennoch war ich mir sicher, dass mein Ausdruck auch nicht gerade der eines Engels war.
"Kommt gleich wieder ein Versprechen, das du nicht halten kannst?", giftete ich ihn leise an. "Denn davon hatte ich in letzter Zeit genug."
"Wow." Meine Wut verrauchte, als seine ebenfalls verschwand. Sie wurde durch Schuldgefühle ersetzt, kurz nachdem ich die Enttäuschung in seinem Gesicht erkannte.
Wie konnte ich nur so etwas sagen?
"Nein, Justin." Ich legte meine Hände um sein Gesicht. "Ich habe es nicht so gemeint. Es tut mir Leid."
Ich nahm ihn in den Arm und hoffte von ganzem Herzen, dass er seine Arme um mich schlingen würde und mir meinen kleinen Anfall verzeihen würde.
Er erwiderte meine Umarmung und kurze Zeit später spürte ich seine Lippen an meinem Ohr. "Ich weiß. Ist schon okay."
"Okay." Ich atmete erleichtert aus. Für einen Streit hätte ich keine Nerven gehabt.
"Dafür gehst du jetzt aber wieder ins Bett, okay?"
Er löste sich von mir, hielt seine Hände aber noch auf meinen Oberarmen. Er sah so flehend aus, so versöhnlich.
Es tat mir weh, ihm diesen Wunsch abschlagen zu müssen.
"Jetzt guck bitte nicht so. Schlaf wird dir gut tun, Baby."
"Ja, aber nicht ohne dich.", flüsterte ich.
Verwunderung trat auf seine Züge. "Alison-"
"Nein, es ist so. Ich werde nicht einschlafen können ohne dich." Ich zögerte, aber dann sagte ich es doch. "Zumindest nicht ohne Medikamente."
Er sagte nichts, aber sein Gesicht zeigte mir, dass er nachdachte. Sollte er nachgeben, oder sollte er standhaft bleiben?
"Okay.", gab er dann aber schließlich nach und meine Schultern entspannten sich endlich. "Du kommst mit, aber sobald das Gespräch mit der Anwältin vorbei ist, gehst du hoch in mein Zimmer und versuchst zu schlafen."
"Und was ist mit Megan?"
Er zuckte mit den Achseln. "Die ist sowieso die ganze Zeit da, wo auch Ethan ist. Es ist also egal, wann du mit ihr redest. Deshalb geht es auch nach einem Mittagsschlaf."
Ich ließ mir seinen Vorschlag durch den Kopf gehen. Ich war ihm so dankbar, dass er mir entgegen gekommen ist, aber da gab es noch eine Kleinigkeit, die mich glücklicher gemacht hätte.
"Wenn du mit mir zusammen diesen Mittagsschlaf hältst?" Ich lächelte ihn leicht an, klimperte ein wenig mehr mit meinen Augen, als ich es sonst tat und natürlich hatte es die übliche Wirkung auf ihn.
"Wenn du aufhörst so unschuldig zu gucken?"


"Wo wollt ihr hin?"
"Heilige Scheiße.", erschrak ich mich und fasste mir automatisch an mein Herz.
Justin hatte sich schon umgedreht, bevor ich es tun konnte. Doch als ich es dann schließlich tat, erblickte ich eine wütende Mutter im Türrahmen stehen.
Meine wütende Mutter.
"Guten Morgen, Holly." Oh nein, Justin. Schleimen half jetzt überhaupt nicht mehr.
"Justin." Sie nickte ihm zu und erst dann wurde mir das Ausmaß der Situation bewusst.
"Mom, was?" Sie verwunderte mich so. "Ich dachte, du musst arbeiten."
Sie sah zwischen mir und Justin hin und her. Selten war ich so nervös wie in diesem Moment.
"Ich habe es mir anders überlegt, als ich letzte Nacht komische Geräusche aus meinem Keller gehört habe."
Ihr ausdrucksloser Gesichtsausdruck machte die Situation nur noch viel, viel, viel peinlicher. Und es war schon das Peinlichste, das ich je erleben musste.
Meine Wangen glühten und Justin, der neben mir stand, räusperte sich.
"Jedenfalls, bleibst du hier zu Hause, wo auch immer du hingehen wolltest."
"Du weißt nicht einmal, wo ich hingehen wollte."
"Will ich auch gar nicht wissen. Du bleibst zu Hause und Justin kann gehen."
Sie war wie ausgewechselt. Was hatte sie denn so verärgert? Dass ich mit Justin geschlafen habe? Deshalb war sie so sauer auf mich?
"Lily Bicks ist Ians Anwältin, Mom.", sagte ich klar und deutlich. Ihrem ernsten Gesichtsausdruck zu urteilen wusste sie das schon. "Und sie will mit Justin und den anderen Jungs reden. Warum darf ich nicht dabei sein?"
Ihre Stirn legte sich in Falten. In dem Moment sah sie wirklich ihrem Alter entsprechend aus. "Du darfst nicht dabei sein, weil es dich nichts angeht."
"Ian ist mein Freund, Mom."
"Der einzige Verdächtige ist also dein Freund? Der Junge, der Clara geküsst hat, obwohl sie mit David zusammen ist, schon fast zwei Jahre lang? Dieser Junge ist dein Freund?"
Mein Brustkorb schmerzte. Ich unterdrückte die Tränen, die sich vor Wut bilden wollten.
Ich wusste nicht, was in sie gefahren war, aber ich war mir bewusst, dass ich mir so eine Frechheit nicht gefallen lassen wollte. Sie war meine Mom. Ich liebte sie. Aber sie hatte keine Ahnung.
Ich wandte mich zu Justin und flüsterte: "Du kannst gehen. Ich habe hier noch etwas zu klären."
Er umarmte mich und ich war froh, dass er sich nicht dazu entschlossen hatte mich vor meiner Mom zu küssen.
"Ich hole dich später ab. Ruf mich sofort an, wenn das Gespräch mit deiner Mom zu Ende ist."
"Ist gut."
Er küsste mich auf die Wange, bevor er sich von mir löste.
Er öffnete den Mund, um sich bei meiner Mom zu verabschieden, entschied sich aber dagegen und setzte ein höfliches Lächeln auf.
Ich schloss die Haustür, als Justin gegangen war und widmete mich dann wieder meiner Mom.
Ich hatte keine Angst vor ihr...aber dennoch lief mit ein Schauder über den Rücken.
Vielleicht hatte ich doch ein bisschen Angst vor ihr.
Als ich mich wieder zu ihr gedreht habe, lächelte sie mich plötzlich an.
Und es war nicht dieses vorgetäuschte, Hexenlächeln, das mir sagen sollte: "Mach dich auf etwas gefasst."
Und die Tatsache, das es nicht dieses Lächeln war, machte mir irgendwie noch mehr Angst.
"Tut mir Leid für diese kleine Show, aber ich wollte, das Justin geht, weil ich mit dir reden muss."
"Was zur Hölle?"
Plötzlich war sie wieder die Ruhe in Person. Sie begann zu kichern und ich verstand die Welt nicht mehr.
"Du bist nicht wütend auf mich?"
"Naja, ich hatte wegen euch letzte Nacht ziemlich wenig Schlaf, deshalb-"
"Oh, Gott.", unterbrach ich sie.
Sie lachte über ihren kleinen Witz, während ich immer noch dabei war zu versuchen, aus diesem Traum, aus diesem Albtraum, zu erwachen.
"Mom." Meine düstere Stimme warnte sie. "Kein Wort mehr darüber."
"Denkst du wirklich?" Sie lächelte liebevoll. "Jetzt werde ich zwar mit dir über etwas anderes reden müssen, aber wenn wir diese ganzen anderen Probleme hinter und gebracht haben, erwartet dich ein sehr ausführliches Gespräch."
"Auf das ich aber sehr gut verzichten kann."
"Ja.", entgegnete sie mir. "Ich aber nicht. Ich muss doch wissen, dass du damit zurecht kommst."
Womit? Mit Sex?
Ich verdrehte die Augen, gut darauf bedacht ihr nicht zu zeigen, wie beschämend diese Situation für mich war, und ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer.
"Also, worüber willst du mit mir reden?", fragte ich, nachdem ich mich auf die Couch gesetzt habe.
"Versprich mir, dass du mir zuhörst und mich nicht unterbrichst, bis ich zu Ende geredet habe." Sie setzte sich auf die Couch gegenüber von mir und ich ahnte, dass sie in den nächsten Minuten nicht länger über mein Sexleben reden würde. Etwas gutes, aber für meinen Geschmack wirkte sie in dem Moment viel zu ernst und...was noch? Mitfühlend?
"Ist etwas mit Clara?" Diese Frage zu stellen war für mich alles andere als leicht. Ich wusste, das meine Mutter ganz anders mit mir reden würde, wenn sie schlechte Neuigkeiten über Clara gehabt hätte, aber ich musste einfach wissen, dass es in dem darauf folgenden Gespräch nicht um sie gehen würde. Ich musste wissen, dass sich ihr Zustand nicht verschlechtert hatte.
"Nein, Süße. Clara geht es gut. Darüber wollte ich nicht mit dir reden."
Ich nickte und eine unausgesprochene Last löste sich von meinen Schultern.
"Wenn es nicht um Clara geht, worüber musst du dann mit mir reden?"
"Es geht um die Hochzeit von Katy, erinnerst du dich?"
"Ja, wir wurden eingeladen, aber ich dachte, wir hätten uns dafür entschieden nicht nach New York zu fliegen? Du musst doch arbeiten und ich habe Schule?"
Katy war meine Cousine, die vorhatte zum dritten Mal zu heiraten. Wir sind schon für die ersten beiden Hochzeiten extra nach New York geflogen. Ich konnte wirklich nicht noch ein drittes Mal dabei sein, wenn Katy sich für ihr ganzes Leben an ihr Unglück bindet.
Und ich dachte, meine Mutter wäre derselben Meinung.
"Ja, Allie, ich weiß, dass die Hochzeit auf den nächsten Freitag fällt und wir dann schon am Donnerstag nach New York fliegen müssten, aber ich habe uns schon die Karten besorgt, weil ich-"
"Du hast was?!", unterbrach ich sie erschrocken. "Wie kannst du das tun, ohne mich zu fragen?"
"Alison, jetzt hör mir-"
"Nein, bestimmt nicht." Ich stand auf. Das Adrenalin rauschte durch meine Venen. Ich konnte nicht glauben, das sie das getan hatte. Clara lag im Krankenhaus. Sie hing an so vielen Schläuchen und konnte nicht selbstständig atmen. Und meine Mutter verlangt von mir, dass ich durch die United States fliege, nur um auf einer öden Hochzeit das Tanzbein zu schwingen?
"Wie kannst du das tun, wo Clara im Koma ist?" Ich sah sie verständnislos an. "Das kannst du doch nicht ernst meinen."
"Glaubst du etwa nicht, dass Clara bis Donnerstag aufwachen wird?" Sie sah mich eindringlich an und schien das Ausmaß meiner Wut abschätzen zu wollen. "Ihr Zustand verbessert sich von Tag zu Tag. Vielleicht können die Ärzte sie schon morgen aus dem Koma holen. Das weißt du."
Ich schüttelte den Kopf und konnte nicht glauben, dass das für sie genug war. "Sie wird vielleicht morgen schon aufwachen können, aber kannst du mir versprechen, dass sie sich an mich erinnern wird? Kannst du mir versprechen, dass sie reden kann? Oder dass sie immer noch die Alte ist?"
"Das reicht langsam, Alison." Jetzt stand sie auch auf und kam mit schnellen Schritten zu mir rüber. Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand, ob ich weinen oder sie anschreien sollte, aber diese Entscheidung nahm sie mir, indem sie anfing mich anzuschreien.
"Ich weiß, wie sehr du Clara liebst, aber du musst auch mal an dich denken. Ist dir eigentlich bewusst, dass der Anschlag ursprünglich an dich gehen sollte? Hast du dir mal vor Augen geführt, dass draußen irgendjemand rum läuft, der es auf dich abgesehen hat? Ich-"
"Natürlich-", wollte ich sie unterbrechen, aber sie ist gerade erst in Fahrt gekommen.
"Nein, du unterbrichst mich jetzt ganz bestimmt nicht.", schrie sie mich an und ich zuckte vor Schreck zusammen, weil ich nicht glauben konnte, wie wütend sie in dem Moment auf mich war.
"Ich bin deine Mutter, ich bin deine Erziehungsberechtigte, ich bestimme, was du machst, wo du hingehst und mit wem du irgendwo hingehst. Und wenn ich sage, dass du mit mir nach New York fliegst, dann machst du das auch." Sie legte ihre Hände auf meine Schultern und als sie in meine Augen guckte, wurde ihr Blick wärmer. "Du wolltest schon kein Polizeischutz, wir haben uns stundenlang darüber gestritten und ich habe nachgegeben. Ich erlaube dir alles, Alison. Du darfst Justin jeden Tag sehen, ich habe dir erlaubt mit ihm nach Italien zu fliegen. Ich bin dir immer entgegen gekommen. Ich habe versucht dich glücklich zu machen, indem ich dich Sachen machen lasse, die dich glücklich machen. Aber jetzt steht an erster Stelle, dass du in Sicherheit bist. Bill und seine Kollegen tun alles dafür, den Täter ausfindig zu machen, aber solange er noch auf freiem Fuß ist, lebe ich in ständiger Angst um dich. Ich hätte es am liebsten, wenn du zusammen mit mir in meinem Bett schlafen würdest, wenn du mir auf die Arbeit
folgen würdest, wenn du den ganzen Tag nur an meiner Seite wärst. Aber stattdessen fährst du mitten in der Nacht zu Jason, oder verabredest dich mitten in der Nacht mit Justin. Du weißt ja gar nicht, wie viel Angst ich gestern hatte. Ich bin aufgewacht, weil ich Durst hatte und bin dann nach unten gegangen und dann habe ich Geräusche aus dem Keller gehört und ich dachte, jemand wäre eingebrochen und wollte dich holen und-" Ihre Stimme brach ab und es bildeten sich Tränen in ihren Augen. "In New York weiß ich wenigstens, dass dir niemand etwas antun wird. Da werde ich nicht diese ständige Angst haben, und du auch nicht."
"Mom." Ich unterdrückte mein Schluchzen und umarmte sie, weil sie es brauchte und ich mindestens genauso sehr. "Ich liebe dich und ich bin dir so dankbar für alles, was du für mich getan hast."
"Ich kann dich nicht auch noch verlieren, Allie. Du bist das einzige, was ich habe. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustoßen würde." Ihre erstickte Stimme löste die größten Schuldgefühle in mir aus. Ich habe sie schon an dem Abend an Halloween weinen sehen müssen und es hat mich zerstört, ein zweites Mal würde ich es nicht schaffen.
"Ich weiß, Mom.", hauchte ich und drückte sie noch mehr an mich.
"Ist es wegen Justin? Willst du nicht von Justin getrennt sein?"
"Nein, das ist es nicht." Warum dachte sie das? Es sollte doch nur ein Wochenende werden, oder? "Es geht mir um Clara. Ich will bei ihr sein, wenn sie durch die schwierigste Zeit ihres Lebens geht." Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn sie in der schwierigsten Zeit meines Lebens für mich da war, ich aber nicht für sie, als sie mich gebraucht hätte.
"Ich verstehe dich, Süße." Sie löste sich von mir und strich sich die getrockneten Tränen aus dem Gesicht, bevor sie dasselbe bei mir tat. "Aber du musst auch mal an dich denken. Hast du denn keine Angst?"
Sie hatte ja keine Vorstellung davor, wie groß meine Angst war. Aber die Tatsache, dass ich wusste, wer der Täter ist, machte es mir leichter. So musste ich vor allen anderen Menschen keine Angst haben, sondern nur vor ihm.
"Ich habe mehr Angst um Claras Zustand."
Sie nickte, jedoch wusste ich nicht, ob sie Verständnis für mich hatte.
"Sollte Clara vor Donnerstag aufwachen und sollte es ihr gut gehen, dann fahren wir gemeinsam nach New York. Sollte es ihr nicht gut gehen, dann bleiben wir bei ihr. Okay?" Sie lächelte mich leicht an und ich wusste, wie schwer es ihr fallen musste, mir entgegen zu kommen.
"Und was, wenn Clara bis Donnerstag nicht auf wacht?" Neue Tränen bildeten sich in meinen Augen, die keine Sekunde später meine Wange entlang liefen. Genau das war meine größte Angst. Nicht die vor Ted, nicht die vor seinen unberechenbaren Taten.
Ich hatte Angst um meine beste Freundin. Unergründliche, unerklärliche Angst.
Ted konnte mir alles nehmen. Mein Glück, meine Freiheit...mein Leben.
Aber er würde mir nicht die Menschen nehmen können, die ich liebe.
"Sie wird aufwachen, Allie." Meine Mom nahm mein Gesicht in ihre Hände und sah mir mit einem Blick in die Augen, der mich beruhigte und die Hoffnung in mir zurück brachte, die ich unbedingt brauchte. "Ich meine, es ist Clara."
Und mehr brauchte sie nicht sagen.
Sie hatte Recht.
Es ist Clara. Sie würde mich niemals alleine lassen. Nicht sie.

"Wo gehst du hin?"
"Ich muss ins Gericht. Ich habe aber David angerufen. Er kommt in einer halben Stunde, damit du nicht alleine sein musst." Sie schnappte sich ihre Autoschlüssel von der Kommode und blickte anschließend zu mir, um sicherzugehen, ob ich damit auch einverstanden bin.
"Kannst du mich zu Justin fahren?"
Sie seufzte. "Willst du nicht ein bisschen Zeit mit David verbringen?"
Warum musste sie mir immer Schuldgefühle machen? "Es geht um die Sache mit Ian. Er ist-"
"Dein Freund. Ich verstehe." Sie griff nach ihrem Blazer und biss sich nachdenklich auf die Lippe. Ich schätze, dass ich diese Angewohnheit von ihr hatte.
"Dann sag David aber Bescheid."
Ich nickte. "Danke, Mom."

"Wirst du bei der Verhandlung dabei sein?", fragte ich sie, als sie vor Justins Haus parkte.
"Ich bin im Gerichtsgebäude, aber ich weiß nicht, ob ich die Zeit finde."
"Okay." Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Ich schätze, ich wollte nicht, dass meine Mutter meine neuen Freunde in einem Gerichtssaal kennen lernt.
"Das wird schnell gehen, Allie. Die Counselor werden plädieren. Der Richter wird es sich anhören und für deinen Freund Ian eine klitze kleine Kaution stellen."
"Was macht dich da so sicher?"
"Er ist jung, er ist nicht vorbestraft, er hat eine gute Anwältin." Sie grinste leicht. "Er wird seinen Pass abgeben müssen, damit kein Fluchtrisiko besteht und dann war's das."
Ich war so einen Optimismus nicht gewöhnt. Sie redete über diesen Fall, als wäre er totaler Kinderkram. "Ja, dann war's das. Bis zur Hauptverhandlung."
"Quatsch, Süße. Ian Nolan ist unschuldig."
Ihr Verhalten schien heute nur Verwirrung in mir auszulösen. Natürlich war Ian unschuldig, aber warum war meine Mutter so überzeugt davon?
"Hör mir mal zu, Allie. Das einzige, was gegen Ian spricht sind die Beweismittel und die Tatsache, das er kein Alibi hat. Vielleicht auch, das er an dem Abend mit Clara zusammen war. Aber das erklärt nicht, warum er deine Bremsen durchschneiden würde. Du hast mit der Situation überhaupt nichts zu tun."
"Wenn du so denkst, warum wurde Ian dann überhaupt festgenommen?"
"Wegen den Handschuhen und der Drahtschere, die die Agents in seinem Auto gefunden haben. Der Staatsanwalt ist der Meinung, dass Ian wusste, dass Clara mit deinem Auto nach Hause fahren würde und hat es deshalb getan. Ich und Lily glauben nicht, das es so war."
"Moment Mal." Ich fuchtelte mit meinen Händen in der Luft herum. "Du hast dich mit Lily getroffen? Warum weißt du so viel über diesen Fall? Warum weißt du, welcher Meinung der Staatsanwalt ist?"
In einem Auto so etwas zu diskutieren war sehr merkwürdig. Hätte sie nicht schon vorher mit mir darüber reden können?
Ich fühlte mich ein wenig verarscht von ihr. Sie wusste so viel über den Fall und erwähnte es mir gegenüber nur nebenbei, während sie dabei war mich bei meinem Freund abzusetzen.
"Als Lily gestern mit Ian geredet hat, hat sie mich dazu geholt. Wir haben lange mit ihm gesprochen und-" Sie setzte aus und ihre Stirn legte sich in dem Moment in Falten. "Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll", begann sie weiterzusprechen und ich hörte ihr aufmerksam zu. "Aber ich musste schon mit vielen sehr, sehr schlechten Menschen ein Gespräch führen und habe in den letzten Jahren eine Art Gespür dafür entwickelt, wer zu welcher Seite gehört. Und Ian gehört definitiv nicht zur Seite der Kerle, die einem siebzehn jährigen Mädchen so etwas antun würden."


Ethan öffnete mir die Tür und das erste, was mir buchstäblich ins Gesicht sprang, war sein Pfeilchen.
"Oh, h-"
"Wo ist das denn passiert?" Ich trat ein, ohne das er es mir angeboten hatte und begutachtete sein Auge genauer.
"Was meinst du?", fragte er und tat auf unscheinheilig.
Ich verdrehte die Augen. "Dein Auge?"
"Oh, das." Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Das ist schon etwas länger her."
"Und trotzdem ist es immernoch lila."
Ich sah ihn streng an, verlangte sofort die Antwort zu dem Rätsel, das um seine Verletzung kreiste, und er begann zu lächeln.
Warum zur Hölle lächelte er?
"Ich hab dich vermisst." Plötzlich legte er seine Arme um mich und zerdrückte mich beinahe. Ich brummte vor Schmerzen und legte nur einen Arm um ihn, weil ich seine liebevolle Bergüßung nur als Ablenkungsmanöver empfand.
"Jaja, raus mit der Sprache."
Ich grinste ihn auffordernd an, als wir uns voneinander lösten. Ich hatte ihn auch vermisst. Jetzt wo ich ihn sah, konnte ich es nicht leugnen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass er nicht auf der Halloweenparty war. Nachdem er mir erklärt hat, woher er dieses Pfeilchen hatte, musste ich ihn auch das fragen.
"Hey."
Mein Grinsen verschwand innerhalb von Sekundenbruchteilen. Diese bekannte Stimme ließ mein Unterbewusstsein warnend aufschreien.
Sie ist hier?!, ging mir in dem Moment durch den Kopf, bevor ich mich in die Richtung drehte, aus der ihre Püppchenstimme kam.
Megan stand im Türrahmen zum Wohnzimmer. Sie war ungeschminkt, trug ein weites T-Shirt und eine Jogginghose. An den Füßen war sie barfuß und ihre pink lackierten Nägel blitzten hervor.
So hatte ich sie noch nie gesehen. Ich nahm ihr natürliches Gesicht unter die Lupe. Ihre Augenbrauen waren nicht so voll, wie sie es sonst immer waren und sie hatte viel kleinere Augen, als ich es gewohnt war.
Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich an ihr Aussehen zu gewöhnen. Sie sah gut aus. Sie war auch ohne das ganze Make-Up und ohne ein enges Kleid mit hohen Absatzschuhen eine Schönheit.
"Hey, wie geht's dir?"
Wie geht's dir? Warum fragte ich sie so etwas?
Sie zuckte mit den Achseln und lächelte leicht. Ihre Mundwinkel waren zwar nach oben gezogen, aber ihre Augen waren traurig.
Ich wollte unbedingt mir ihr reden. Endlich hatte ich das Gefühl, das die echte Megan vor mir steht.
"Seid ihr beide alleine?" Ich wandte mich wieder an Ethan, der mir meine Frage wenig später mit einem Nicken beantwortete.
Ich runzelte die Stirn. "Es ist elf Uhr. Ich dachte, die wollten nur mit der Anwältin reden."
"Ja, Justin hat mich vor einer halben Stunde angerufen. Die haben einen früheren Termin für die Kautionsverhandlung bekommen. Um viertel vor elf."
"Was?" Justin rief also Ethan an, aber mich nicht? Wow. "Wirklich?"
"Ja." Er schien die Emotionen in meinem Gesicht nicht ganz deuten zu können. "Ist doch gut, oder nicht?"
Ich wurde meine Jacke los und hing sie an einen Haken an der Wand. "Ja." Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu sammeln. "Ich meine, ich wollte eigentlich dabei sein, aber das macht nichts. Die Hauptsache ist, dass Ian frei kommt und das wird er ganz bestimmt."
Ethan nickte mir zu und ich versuchte nicht auf sein Auge zu starren. Als ich zu Megan sah, lächelte sie mich an.
Ich dachte nach.
Vielleicht hatte ich nur noch wenige Minuten mit Megan alleine, wenn die Verhandlung gut ausgegangen ist, und die wollte ich unbedingt ausnutzen.
"Megan, können wir reden?"
Diese Fraue auszusprechen fühlte sich so merkwürdig an. Vor wenigen Tagen wollte ich nichts mehr mit ihr zu tun haben und jetzt bat ich sie um ein Gespräch.
Aber bis dahin war auch sehr, sehr viel passiert.
"Ja.", kam es sofort aus ihrem Mund. Man sah ihr die Verwunderung an und ich konnte Ethan neben mir lächeln sehen. "Natürlich. Dasselbe wollte ich dich auch fragen."
Wir gingen auf die Terrasse, denn die Sonne schien heute nicht so stark, sodass es angenehm warm war. Ich holte eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und nahm mir noch zwei Gläser, bevor ich auf dem Stuhl, der Megans gegenüber war, Platz nahm.
"Willst du etwas trinken?", fragte ich sie höflich, während ich Wasser in ein Glass goss.
"Nein, danke."
Sie zappelte auf ihrem Stuhl herum und als ich sie dabei beobachtete, lächelte sie nervös. Möglicherweise auch ein bisschen beschämt.
Ich hatte so viele Fragen an sie. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.
"Ich will komplett ehrlich zu dir sein, Allie." Dass sie mich so nannte ließ mich an die alten Zeiten denken. Wo wir Freundinnen waren. Wo sie nur das Beste für mich wollte. "Ich habe Schreckliche Dinge getan, die ich zutiefst bereue. Ich-"
"Wann hat das alles angefangen?", unterbrach ich sie. Ich wollte die ganze Geschichte hören. Von vorne bis hinten und erst danach kann sie mir erzählen, wie Leid es ihr tut. "War es an dem Tag, an dem Justin und ich brunchen waren und du anschließend mit mir im Diner über Ted geredet hast? Hast du an dem Tag geplant, wie du mir mein leben zur Hölle machst?"
Mein Blick in ihre Augen war ausdruckslos, monoton und emotionslos. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann legte sie ihre Hände auf den Tisch und faltete sie ineinander, bevor sie nach unten blickte.
"Ja, da hat die Eifersucht angefangen.", gestand sie kleinlaut. "Als ich euch beide zusammen in dem Lokal gesehen habe. Wie er dich angeguckt hat, wie er deine Hand genommen hat. Ich habe gehört, was ihr euch gesagt habt. Das tat mir unendlich weh. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr." Ich erkannte Tränen in ihren Augen, obwohl sie ihr Gesicht vor mir versteckte. Ich mochte es nicht sie so zu sehen, aber ich musste so tun, als würde es mir nichts ausmachen. Ich musste hart bleiben.
"Warum weinst du jetzt? Tut es dir immer noch weh? Bist du in Justin verliebt?"
Was für eine absurde Frage. Was für eine scheiß Frage.
"Ich weine, weil ich so verdammte Schuldgefühle habe. Weil es mir schwer fällt, mit dir darüber zu reden. Weil du so etwas nicht verdient hast."
"Vor drei Monaten warst du aber der Meinung, dass ich es verdient habe.", stellte ich fest und sie schniefte, bevor sie zu mir hoch sah.
"Ein ganzes Jahr lang habe ich Justin versucht dazu zu bringen, sich in mich zu verlieben. Ich bin gesprungen, wenn er mich brauchte. Ich habe alles für ihn gemacht, obwohl ich von ihm immer wieder wie Luft behandelt wurde, es sei denn, wir waren in seinem Schlafzimmer. Unsere Beziehung war rein körperlich und das war mir zu wenig. Ich wollte mehr. Ich wollte, dass er mich liebt, so wie ich ihn geliebt habe."
Ich musste schlucken. Ihre Worte taten mir weh und ich wusste nicht, warum. Justin hatte sie nie geliebt, das wusste ich, doch allein die Vorstellung davon schmerzte. Ich wusste nicht, wie ich dieses Gespräch überstehen sollte, ohne mich werlos und schrecklich zu fühlen.
"Dann hatte David Geburtstag und als ich erfahren habe, dass ihr beide was habt, konnte ich das nur belächeln. Ich dachte, Justin will etwas Neues ausprobieren. Ich dachte, dass Justin dich braucht um sich besser zu fühlen. Und ich dachte, dass das zwischen euch schneller vorbei sein wird, als das man bis drei zählen kann."
"Wie du siehst, hattest du Unrecht.", presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. Wer dachte sie, wer sie ist, dass sie so etwas sagen kann?
"Ich weiß, Allie." Der Blick in ihre Augen verwirrte mich. Sie sah so ehrlich und reuevoll aus, doch ihre Wortwahl löste nur noch Wut in mir aus. "Und als ich gemerkt habe, dass ich mich möglicherweise täuschen konnte, wollte ich Justin einfach nur noch für mich haben. Zuerst wollte ich ihn ein bisschen mit dir spielen lassen, weil ich wusste, dass er danach zu mir zurück kommen würde-"
"Kannst du bitte aufhören, so etwas zu sagen?", unterbrach ich sie. Tränen der Wut sammelten sich in meinen Augen und all das, was sich in meinem Kopf abspielte, verließ in der nächsten Sekunde ungehindert meinen Mund. "Du wusstest, dass Justin jemand ist, der gerne mit Mädchen spielt, der sie nur für das Eine ausnutzt, nämlich um Sex mit ihnen zu haben und jetzt sitzt du ernsthaft hier, vor mir, guckst mir in die Augen und sagst, dass du ihn ein bisschen mit mir spielen lassen wolltest?"
Ich holte tief Luft und das Loch in meinem Herzen wurde größer. "Du warst meine Freundin. Du warst für mich da, als ich durch die schwierigste Zeit meines Lebens gegangen bin. Ich habe dir von meinem Missbrauch erzählt. Ich habe mich dir anvertraut. Du wusstest, wie schwer es für mich war, Männern zu vertrauen. Und jetzt erfahre ich, dass du Justin mit mir spielen lassen wolltest? Du wolltest, dass ich eine seiner Bettgeschichten werde und du wusstest, dass es die Chance gegeben hat, dass er mich verlässt, dass er mich fallen lässt, nachdem ich mit ihm schlafe. Und du hast nichts getan, um das zu verhindern. Im Gegenteil, du hast gehofft, das es passiert und als du gemerkt hast, dass deine Hoffnungen nicht der Realität entsprechen, hast du mit deinem Ex, der genauso abgefuckt und verkorkst ist wie du, Pläne geschmiedet, wie ihr mich und Justin auseinander bringt. Ted kennt mich nicht. Aber du-du kennst mich. Du weißt, dass ich es nicht überleben würde, wenn ich mit einem so großen Verlust zu kämpfen hätte. Aber dir war es egal. Ich war dir egal. Ich bin dir egal. Und ich frage mich, wer diese Person ist, die gerade vor mir sitzt. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass es nicht dasselbe Mädchen sein kann, das mit mir vor zwei Jahren zusammen Klavierunterricht genommen hat, nur damit ich nicht alleine mit der alten Lehrerin sein muss. Ich erkenne dich nicht wieder. Du bist so ein schlechter Mensch und ich weiß nicht, was das für Fotos oder Videos sind, die Ted gegen dich in der Hand hat und die deine Zukunft zerstören könnten, aber ich an deiner Stelle würde darüber nachdenken, ob ich es nicht verdient hätte."
Ich stand auf und schob meinen Stuhl zur Seite. Meine Beine fühlten sich so an wie Wackelpudding, als ich Megans Schluchzen ignorierte und die Terrassentür öffnete. Meine Augen waren glasig und ich sah alles verschwommen und trotzdem erkannte ich mehr als eine Person vor mir stehen.
"Scheiße, Ethan.", fluchte Justin, bevor ich seine Arme um meinen Körper spürte. "Wie kannst du die beiden nur alleine lassen?"
Ich krallte mich an seinem T-Shirt fest und versuchte gegen die Tränen anzukämpfen. Die Situation war mir so unangenehm und ich wollte um keinen Preis vor den anderen Jungs heulen.
"Komm, Allie." Justin löste sich von mir und nahm meine Hand. Wir gingen an den Jungs vorbei, doch ich hielt meinen Blick nur auf den Boden gerichtet. Justin zog mich die Treppen hoch und das einzige woran ich denken konnte war an den Hass, den ich gegenüber dem blonden Mädchen entwickelt habe, das unten alleine auf der Terrasse saß.
"Komm her." Justin nahm mich noch einmal in den Arm, nachdem er die Tür geschlossen hatte. Sein Geruch beruhigte mich und seine Wärme ließ mein Herz schneller schlagen. Ich weinte nicht mehr, aber das trockene Schluchzen hatte die Kontrolle über mich gewonnen.
"Was hat sie gesagt?"
"Ich bin ihr egal, Justin." Ich hatte meine Arme um seinen Hals geschlungen und hielt die Augen geschlossen. "Eben habe ich es gemerkt. Du hast mich die ganze Zeit davor gewarnt und als wir uns vor Halloween gestritten haben...du hattest Recht. Ich bedeute ihr nichts. Ich bin ihr egal."
"Alison, was hat sie gesagt?", wiederholte er und seine Stimme wurde ernster.
"Erinnerst du dich an Davids Geburtstag? Wo ich erfahren habe, dass ihr beide euch kennt und ihr Sex miteinander habt? Sie war so nett zu mir, sie hat gesagt, dass ich auf mich aufpassen soll, dass ich ihr so viel bedeute und dieses ganze Chaos ihr so Leid tut und dass ich immer zu ihr kommen kann, wenn ich etwas auf dem Herzen habe. Das war alles erstunken und erlogen. Sie hat mir eben gesagt, dass sie an dem Abend schon einen Plan geschmiedet hat, wie sie dich wieder für sich alleine hat. Sie wollte mich ein bisschen mit dir spielen lassen, bis du die Nase voll von mir hast und wieder zurück zu ihr rennst. Das hat sie mir ins Gesicht gesagt."
Justin löste sich von mir und nahm mein Gesicht in seine Hände. Sein Blick war streng und wütend. "Sie ist ein verdammtes Miststück, Alison. Sie ist es nicht wert, dass du wegen ihr weinst, hast du gehört?"
Er wischte über meine getrockneten Tränen und küsste mich anschließend auf die Stirn.
Ich wusste nicht, wie ich ihm meine Gefühle über Megan erklären sollte, sodass er sie verstand. "Es ist nur, sie war mir eine große Hilfe, als es mir so dreckig ging. Sie hat mir so viel bedeutet und jetzt ist es, als wäre sie ein anderer Mensch. Und es tut mir weh, dass sie mir so etwas Böses wünscht. Sie weiß jedes Detail von meiner Vergangenheit und will mich am Boden sehen, gerade erst, wo ich mein Leben wieder genieße. Sie weiß, wie schlecht es mir ging und sie will, dass es mir wieder so schlecht geht. Was für ein Mensch will so etwas?"
"Ein sehr, sehr schlechter Mensch. Sie ist eine verbitterte Hure. Wann verstehst du das endlich?" Der Blick in seine Augen wurde intensiver. Ich hätte von Anfang an auf ihn hören sollen. Er hatte so eine gute Menschenkenntnis und ich konnte noch viel von ihm lernen. Hätte ich von Anfang an auf ihn gehört, wären mir diese unnötigen Tränen, die ich wegen ihr vergossen habe, erspart geblieben.
Ich glaube, ich habe es jetzt verstanden.
"Wie ist die Verhandlung ausgegangen?", fragte ich Justin endlich, denn das war viel wichtiger, als Megans Theater.
Justin beantwortete meine Frage mit einem Grinsen und ehe ich Details aus ihm heraus kitzeln konnte, klopfte es an der Tür.
Justin verdrehte die Augen, aber ich rief: "Herein."
Die Tür öffnete sich und jemand streckte seinen Kopf heraus. Ich stieß einen Freudenschrei aus, als ich diesem Kopf einer Person zuordnen konnte und schmiss mich ihr über den Hals, bevor sie überhaupt eintreten konnte.
"Freut mich auch, dich zu sehen, Alison." Ian kicherte und erwiderte meine plötzliche Umarmung.
Ich konnte es kaum glauben. Es fühlte sich so unreal an, ihn wieder in diesem Haus zu sehen.

"Die Verhandlung hat vielleicht eine Minute gedauert. Der Staatsanwalt der Gegenseite wollte mich bis zur Hauptverhandlung einsperren, weil angeblich Fluchtgefahr bestünde aber meine Anwältin, die wunderbare Lily Bicks, hat die Augen verdreht und Argumente rausgehaut, die einfach unglaublich waren. Der Richter-"
"Welcher war es?", unterbrach ich Ian, denn ich kannte alle Kollegen meiner Mutter beim Namen.
"Ich habe absolut keine Ahnung, man sagt doch immer 'Euer Ehren'."
Ich musste lachen und auch Justin grinste. Wie konnte Ian nicht wissen, wie der Richter heißt?
"Er hieß mit Nachnamen Archer.", sagte Justin und Ian öffnete erschrocken den Mund.
"Warum weißt du das und ich nicht?"
"Weil ich deiner Anwältin zugehört habe anstatt ihr in den Ausschnitt zu gucken."
Selbst solche Gespräche hatte ich vermisst.
Ian grinste nur und versuchte sich nicht zu verteidigen.
"Du hast einen ziemlich guten Richter erwischt. Er mag Jugendliche."
"Ja, er war ziemlich nett. Ich meine, sonst hätte er die Kaution nicht so niedrig gehalten."
"Wie hoch war sie?"
"150 Tausend."
Ich nickte nachdenklich.
"Das ist wenig, Alison.", versuchte Justin meine Gedanken zu unterbrechen.
"Ja, ich weiß." Immerhin gab es schon Kautionen im acht stelligem Bereich. "Aber ihr konntet die Kaution mal eben so bezahlen?"
Ich sah Justin fragend an und er beantwortete mir meine Frage mit einem Nicken.
"Wir haben mit einer viel höheren Summe gerechnet, deshalb haben wir ausreichend Geld für den heutigen Tag beiseite gelegt."
"Immerhin bekommen wir es zurück erstattet, wenn dieser ganze Horror vorbei ist.", sagte Ian und lächelte mich leicht an.
"Ja, das stimmt. Ich erwiderte sein Lächeln und war so dankbar, dass er wieder hier war. Jetzt musste Clara wieder gesund werden und dann könnte ich endlich wieder durchatmen.
"Wie geht es Clara?", erkundigte er sich, als hätte er Einblick in meinen Kopf bekommen.
"Sie ist stark. Sie macht gute Fortschritte. Wenn sie so weiter macht, dann kann sie bald aus dem Koma geholt werden."
Freude erschien in Ians müdem Gesicht und diese Reaktion machte mich glücklich.
"Das ist doch wunderbar, Allie." Er zerdrückte vor Euphorie beinahe meine Hand.
Ich lächelte und erkannte aus dem Augenwinkel, das Justin es auch tat.
"Ich werde später zu ihr fahren. Wenn du willst, dann-"
"Ja, liebend gern.", sprudelte es aus ihm heraus.
"Gut, aber davor musst du dich unbedingt rasieren. Ohne Bart siehst du besser aus."
Er zwickte mir spielerisch in die Wange. "Besonders deine Schmeicheleien habe ich vermisst."


"Sie will wieder mit Alison reden? Hast du gesehen, wie das geendet hat? Hat dir dieses Miststück überhaupt erzählt, was sie alles zu Alison gesagt hat?"
"Sie hat angefangen ihr alles zu erzählen, wie sie sich gefühlt hat, was sie sich am Anfang dabei gedacht hat. Alison hätte damit rechnen müssen, dass sie Dinge hören wird, die sie nicht gerade erfreuen werden. Aber sie ist abgehauen, bevor Megan sich entschuldigen konnte."
"Eine Entschuldigung." Justin lachte auf und ich konnte nicht länger still im Bett liegen bleiben. Justin wollte, dass ich ein wenig schlafe, bevor wir zu Clara fahren, aber bei diesem lärm war es unmöglich meine Augen geschlossen zu halten. "Und du denkst, das eine Entschuldigung alles wieder gut machen wird?"
"Die beiden können wenigstens miteinander reden."
Ich stand auf und zog mir meine Jeans wieder an, während ich Justins Gegenangriff lauschte. "Das haben sie versucht. Ich lass es nicht zu, dass Megan Alison noch einmal verletzen kann."
"Und wie soll es deiner Meinung nach jetzt weiter gehen? Wir brauchen sie um Ted zu finden. Wir können nicht auf die verzichten."
Ich konnte Ethan verstehen. Aber Justin wusste eben, was richtig für mich war und was nicht.
"Sie kann uns auch helfen, wenn sie sich von Alison fernhält. Das eine schließt das andere nicht aus."
"Aber-"
"Nein. Und außerdem, warum schickt sie dich denn vor? Dann soll sie doch wenigstens mir erklären, warum sie diesem unschuldigem Mädchen immer und immer wieder versucht wehzutun. Du verstehst auch nicht, dass sie dich einfach nur ausnutzt."
"Ach, sie nutzt mich aus? Weil sie uns also helfen will, nutzt sie mich aus? Was hat sie denn davon?"
"Wo ist sie gerade?", fragte Justin, als ich mich vor der Tür platziert hatte. Eigentlich wollte ich den Streit zwischen den beiden beenden, aber ich wollte auch, dass sie weiterreden. Meine Neugier siegte.
"Sie ist in meinem Zimmer und wartet auf dich."
Ich runzelte die Stirn. Warum sollte sie auf Justin warten?
"Warum wartet sie auf mich?" Es erleichterte mich, dass Justin sich auch darüber wunderte. Ich wollte nicht, dass irgendetwas hinter meinem Rücken passiert, besonders nicht, wenn Megan darin involviert ist.
"Bevor wir beide zu Teds Eltern fahren, wolltest du ihr noch erklären, wie sie die Wanzen anbringen soll." Was zur Hölle? "Hast du das etwa vergessen?"
"Oh, fuck.", hörte ich Justin fluchen. Anscheinend hatte er es vergessen. Und ich wusste gar nichts darüber. "Ja, gib mir eine Sekunde. Ich will nach Alison sehen."
Jetzt war ich diejenige, die vor sich hin fluchte. Ich lief zurück zum Bett, knöpfte meine Hose auf und in dem Moment, wo die Tür geöffnet wurde, tat ich so, als würde ich mir gerade erst die Hose anziehen.
"Warum schläfst du nicht?" Auf seinem Gesicht lag ein frustrierter Ausdruck.
Ich versuchte ehrlich zu ihm zu sein. "Ihr wart mir ein bisschen zu laut."
"Oh, konntest du-"
"Was für Wanzen?"
Ich habe es nicht verhindern können. Es kam aus mir rausgeschossen, ehe ich darüber nachdenken konnte.
Justins Verwirrung verflog schnell. Dann seufzte er und setzte sich aufs Bett.
Ich blieb vor ihm stehen und legte meine Hände auf meine Hüften. Gespannt wartete ich auf seine Erklärung.
"Megan kennt Teds Eltern. Sie und Ethan werden zu ihnen fahren und sie wird mit den beiden reden. Natürlich nicht über die Taten ihres lieben Sohnes. Megan hat sich damals gut mit seiner Mutter verstanden. Sie wird sagen, dass sie sie vermisst hat und wird mit ihr einen Kaffee trinken, was weiß ich. Irgendwann wird sie sagen, dass sie auf Toilette muss und dann wird sie Wanzen im ganzen Haus anbringen. Ted hatte immer schon ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Wenn er sie besuchen geht, dann werden wir es wissen."
Ich hob eine Augenbraue und ließ mir diese Idee durch den Kopf gehen. Es war ein guter Plan, keine Frage. Aber ob Megan dieser Aufgabe gewachsen ist?
"Und du denkst, das Megan das hinkriegen wird?"
Er zog mich auf seinen Schoß und ich ließ es geschehen. Wenig später legte ich meine Arme um seinen Hals und genoss den Anblick auf pure Perfektion.
"Ich weiß es nicht, Allie." Na, wenigstens war er ehrlich. "Aber wir sollten es zumindest versuchen. Es könnte uns wirklich helfen."
"Sie könnte uns wirklich helfen.", sagte ich und in meiner Stimme lag Abscheu. Sie könnte uns die größte Hilfe sein, aber das Problem war, dass ich ihr nicht vertrauen konnte.
Sie hasste mich- Warum würde sie mir helfen wollen?
"Du traust ihr nicht?", fragte Justin und ich schüttelte den Kopf.
"Ja, ich auch nicht. Deshalb habe ich auch in ihrem ganzen Haus Wanzen und Kameras angebracht und lasse ihr Handy von James abhören."
Ich sollte überrascht sein, aber das war ich nicht. Justin grinste mich an und ich konnte nicht anders als zu lachen. "Weiß Ethan das?"
Er schüttelte den Kopf und der amüsierte Ausdruck hielt an. "Natürlich nicht. Er würde sofort zu ihr rennen und es ihr sagen."
Wenn ich an Ethan dachte, dann erschien das Bild seines blauen Auges vor meinem Gesicht. Ich hatte Angst Justin zu fragen, ob er ihn geschlagen hatte, deshalb formulierte ich die Frage ein wenig um.
"Weißt du woher Ethan sein blaues Auge hat?"
Es war interessant zu sehen, wie er innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder ernst wurde. Diese Reaktion bestätigte mir, dass er etwas damit zu tun haben muss.
"Wir haben uns an dem Morgen an Halloween gestritten, nachdem wir bei Megan waren. Er hat Dinge gesagt, die mich wütend gemacht haben." Er spielte mit einer Haarsträhne von mir und lockte sie indem er sie um seinen Zeigefinger wickelte. "Wir haben uns aber inzwischen wieder vertragen. Er hat selber gesagt, dass er sich auch geschlagen hätte, wenn er ich gewesen wäre."
"Du schlägst nie einen deiner Freunde, nur Ethan.", stellte ich fest und er zuckte mit den Achseln.
"Mit ihm habe ich auch die meisten Schwierigkeiten."
"Und trotzdem würdest du sagen, dass er dein Freund ist?"
Er runzelte die Stirn und schien meine Frage nicht zu verstehen. "Natürlich."
Ich nickte und kam über ein Lächeln nicht hinweg. Er hatte so starke Freundschaften mit diesen fünf Jungs geschlossen und es bedeutete mir viel, dass Justin außer mich Menschen hatte, die er so sehr vertrauen konnte.
"Du hattest doch bestimmt auch mal das Bedürfnis David oder Clara eine reinzuhauen, oder?"
Ich musste aufgrund seiner Frage lachen. "Ich denke schon."
Das Grinsen auf seinen Zügen erschien wieder und das machte die Situation viel, viel leichter. "Und Mädchen unterdrücken dieses Bedürfnis immer. Jungs aber nicht. Deshalb schlage ich Ethan auch so oft."
Ich schmunzelte über diese Antwort. Eine wirklich sehr plausible Erklärung.
"Was meinst du wie oft James mich schon geschlagen hat?"
"Hat er das?", fragte ich erschrocken, weil ich mir das wirklich nicht vorstellen konnte.
"Ja, klar. Wir haben uns zum Beispiel einmal darüber gestritten, dass er Abi von unseren Geschäften erzählt hat. Da sind Fäuste geflogen."
Ich versuchte es mir vorzustellen, aber es gelang mir einfach nicht. James hatte in meinen Augen so eine große Vaterrolle, obwohl er vielleicht nur zwei oder drei Jahre älter war als Justin. "Ich hoffe, das ihr euch nie vor meinen Augen streiten. James ist so etwas wie-" Ich wollte nicht 'Vater' sagen, aber mir fiel kein passender Ausdruck dafür ein.
"Ich weiß was du meinst. Er ist derjenige, der das alles hier zusammen hält. Er und Brian sind die einzig Vernünftigen."
Ich grinste. "Und was-"
"Ich bin natürlich der Vernünftigste von allen."
"Ach, und du denkst, das ich dir das glauben werde?" Ich bemühte mich um einen ausdruckslosen Blick, aber als er mich zurück auf das Bett warf, meine Hände über meinen Kopf festhielt, lachte ich und zappelte wie wild herum. Ich wusste, was er jetzt machen würde.
"Du findest also nicht, dass ich vernünftig bin?", fragte er mich und löste die eine Hand von meinem Handgelenk. Er war so stark, dass er meine beiden Arme nur mit einer Hand ruhig halten konnte. Ich hatte keine Chance gegen ihn.
Ich schüttelte den Kopf und grinste breit, weil ich den spielerischen Justin so sehr vermisst hatte. Er sah so jungenhaft aus, endlich mal seinem Alter entsprechend und ich hätte wetten können, dass er in dem Moment nicht länger an Ted dachte.
Seine freie Hand wanderte unter mein T-Shirt, so wie ich es erwartet habe, und innerhalb von einer Sekunde, erschien eine Gänsehaut. Auf meinem ganzen Körper.
Seine Fingerkuppen fuhren langsam über meine sensible Haut und er setzte sich nun ganz auf meine Oberschenkel und drückte sie mithilfe seiner Knie ganz zusammen. In dieser Position war es unmöglich sich zu bewegen und ich war ganz still, machte mich mental für die Folter bereit, die ich in wenigen Momenten über mich ergehen lassen musste.
"Du hast Recht. Ich glaube nicht, dass jemand, der vernünftig ist, so etwas machen würde." Seine Finger legten sich um meine Rippen und als sie sich sanft ins Fleisch bohrten, kreischte ich los.
Er kitzelte mich unerbittlich und unersättlich, sodass mir irgendwann Tränen in die Augen stiegen und an der Seite runterliefen.
Es war Freude und Folter zugleich und dennoch genoss ich diesen Moment in vollen Zügen.
Justin grinste über meinem Kopf und fragte: "Willst du, dass ich aufhöre?"
"Ja", quietschte ich zwischen zwei Lachanfällen. Lange würde ich das nicht mehr ertragen können.
"Sag: Justin ist vernünftiger als ich und jeder andere."
"Justin ist ver-" Er wurde grober und ich lachte lauter. Gezwungenermaßen.
"Was? Ich hab dich nicht verstanden.", zog er mich auf. Dieses kleine Arschloch von Freund.
"vernünftiger als ich und jeder andere.", rief ich, so laut ich es konnte, damit er nicht auf die Idee kommen konnte noch einmal zu sagen: "Was? Ich habe dich nicht verstanden."
Er hörte auf und ich dankte den Geschöpfen im Himmel.
"Braves Mädchen.", lobte er mich und gab mir einen feuchten Kuss auf den Mund, während ich versuchte meine Atmung zu beruhigen.
"Fick dich."
"Ne, Baby. Das hast du gestern doch schon getan." Sein Zwinkern gab mir den Rest und als ich einigermaßen wieder normal atmen konnte, richtete ich mich auf, so wie er es getan hatte.
"Tja." Ich richtete mein T-Shirt und stand vom Bett auf. "Wenn du brav gewesen wärst, dann hätte ich es heute Abend wieder getan."
Er zuckte die Schultern, als würden in diese Worte nicht berühren, aber dann leckte er sich über die Lippen und da wusste ich, dass ich ihn hatte.
"Wenn du es nicht tust, dann mache ich es eben.", sagte er und ich wusste nicht, was genau er meinte. Dass er es sich selber machen würde?
"Was machst du?", fragte ich deshalb nach und mein Herz schlug schneller wegen des versauten Gesprächs, das wir beide hier führten.
"Dich ficken."
Er sagte diese Worte, als würde er über Eier und Speck reden. Als wäre es ein ganz normaler Satz. Mir jedoch blieb die Spucke weg und mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, Kammerflimmern zu bekommen, was total absurd war. Er spielte schließlich nur mit mir.
Aber er unterschätzte mich. Ich konnte das Blatt wenden.
"Ich sage ja nur, dass du es andersrum haben könntest." Ich ging auf ihn zu und sein Blick klebte auf meinem Körper. "Ich weiß doch, wie sehr du es magst, wenn wir die Rollen tauschen.", hauchte ich. In meiner verführerischsten Stimme. Gegen seine Lippen.
Ich berührte ihn nicht, aber meine Worte und meine Nähe machten ihn genauso verrückt, wie es meine Berührungen getan hätten.
Er leckte sich über die Lippen, während er auf meine blickte und ehe ich mich versah, legte er seine Hand um meinen Hals und drückte seine Lippen gegen meine.
Ich grinste in den Kuss und erinnerte mich an eine ähnliche Situation, wo ich denselben Kampf das erste Mal gewonnen hatte. Justin und ich waren da nicht einmal zusammen und ich habe ihn geil gemacht und dann fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel, indem ich ins Bad gerannt bin.
Ob er wohl wieder so wütend werden würde, wenn ich es wieder tat?
Doch er machte es mir so, so schwer mich von ihm zu lösen. Seine Küsse waren wie Drogen und ich war ein hoffnungsloser Abhängiger. Er küsste mich grob und dennoch so leidenschaftlich, dass meine Knie weich wurden und er mich stützen musste.
Seine linke Hand drückte meine Lippen gegen seine, während seine rechte Hand meinen Unterleib gegen seinen drückte.
Als ich seine Erektion an meinem Bauch spüren konnte unterdrückte ich ein Wimmern.
Das musste ganz schnell beendet werden. Das Haus war voll mit Leuten und ich wollte nicht, das uns irgendjemand hört.
Das, was zwischen mir und Justin passiert, diese Magie, diese Liebe und diese Leidenschaft...das alles ging nur mich und ihn etwas an.
Ich schaffte es irgendwie mich aus seinem Griff zu befreien und meine Lippen von ihm zu nehmen.
Sein sehnsüchtiger und versauter Blick ließ mich erschaudern. Seine Wangen waren gerötet, seine Lippen angeschwollen von unserem Kuss und seine Haare zerzaust. Seine Augen waren Karamel, das ich zum Schmelzen gebracht habe.
Sein Mund stand einen Spalt weit offen und seine Atmung ging mindestens so flach wie meine.
Ich vergaß ins Badezimmer zu rennen und flüsterte stattdessen: "Du könntest es haben. Du wirst es aber nicht."
Er lächelte. Verspielt und frech und es fühlte sich so an, als würde ich mich in dem Moment noch einmal in ihn verlieben.
Was löste er nur in mir aus?
"Wir werden ja sehen.", sagte er und es hörte sich so an wie ein Versprechen. Er ging an mir vorbei und ich biss mir auf die Lippe, nur um eine Sekunde später ein Schreien zu unterdrücken, als er mir auf den Po schlug.
"Ich gehe zu Megan, Baby."
Er steuerte die Tpr zum Badezimmer zu, weshalb ich ihn fragte: "Warum gehst du dann ins Bad?"
Er drehte sich vor der Tür um. "Willst du etwa, dass ich mit einer Erektion zu ihr gehe?"
Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte nicht zu Lachen. Schamesröte machte sich in meinem Gesicht breit.
Justin schmunzelte. "Ja, das dachte ich mir."

"Oh, Gott." Ich hielt mir meine Hand auf den Kopf und blinzelte ein paar Mal, um sicher zu gehen, das ich nicht länger träumte und Justin wirklich neben mir lag und mich grinsend anstarrte.
"Weißt du eigentlich, wie gruselig das ist?", fragte ich ihn und sein Grinsen wurde breiter. "Ich wache auf und alles, was ich sehe ist dein Gesicht."
"Mein Gesicht ist gruselig?"
Ich lachte und rieb mir die Augen. "Du weißt, was ich meine."
"Ich mag es eben, dir beim Schlafen zuzusehen." Er gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. "Ich könnte mich jedes Mal schlagen wenn ich so etwas Kitschiges sage."
Seine Ehrlichkeit brachte mich zum Lachen. Ich legte meine Handflächen auf seine Wangen und drückte seine Lippen zusammen, sodass er diesen Fischmund bekam. Wahrscheinlich dachte er, dass ich etwas Süßes sagen würde, aber ich entfernte meine rechte Hand von seiner Wange, nur um ihm einen kleinen Klaps auf die Stelle zu geben. "Erledigt."
Er schloss die Augen und unterdrückte sich ein Lachen. "Ich schätze, das habe ich verdient."
Ich kicherte, aber dann entschied ich mich schließlich doch dazu ein bisschen netter zu ihm zu sein und küsste ihn kurz auf den Mund, bevor ich auf stand und mich eine Minute lang erst mal ausgiebig streckte.
"Wie lange habe ich geschlafen?", fragte ich ihn.
"Zwei Stunden." Er schien sich darüber zu freuen, das nahm ich seinem stolzen Lächeln ab.
"Oh." Ich zog mir mein T-Shirt über den Kopfund griff nach meinem BH, um ihn wieder anzuziehen. "Ich hoffe du bist glücklich darüber."
Ich sah zu ihm, als ich die Schnalle des BHs zumachte, und er sagte: "Das war ich, in den zwei Sekunden zwischen 'Ich ziehe mein T-Shirt aus' und 'Ich ziehe meinen BH wieder an'."
Lachend verdrehte ich die Augen und zog mir mein T-Shirt wieder über.
"Hast du Hunger?"
"Großen, aber ich will so schnell wie möglich zu Clara." Ich hatte sie heute noch nicht gesehen und langsam breiteten sich Schuldgefühle in mir aus. Ich hatte sie zuletzt gestern Abend gesehen und ich vermisste sie.
"James macht gerade Pasta. Sie müsste gleich fertig sein."
"Sie?"
"Die Pasta." Er runzelte die Stirn. "Nicht James."
"Okay.", lachte ich, bevor Justin mich auslachen konnte. "Ich gehe nur kurz ins Bad und dann komme ich runter."

Im Badezimmer, als ich mir einen neuen Zopf band, fiel mir ein, dass Megan und Ethan zu Teds Eltern fahren wollten. Ich musste gleich unbedingt prüfen, ob sie es getan haben. Wer weiß, vielleicht waren die beiden auch schon zurück.
Ich rief David an und telefonierte kurz mit ihm, weil ich wissen wollte, wo er ist und wie es ihm geht. Ich sollte bei ihm sein, in dieser schwierigen Zeit, so wie er für mich da war. Wir machten aus, dass wir zu ihm fahren würden, wenn wir bei Clara waren. Noch wusste ich nicht, wo ich die Nacht verbringen sollte, aber David war die sinnvollste und beste Option.
Ich schrieb meiner Mom eine Nachricht auf Whatsapp, als ich meine Blase leerte, und fragte sie, ob sie Clara besuchen kommt, wenn sie Feierabend hat.
Ich hatte sie heute Morgen gesehen, aber ich wollte unbedingt mit ihr über Ians Verhandlung reden. Vielleicht wusste sie etwas, das Ian und Justin mir noch nicht erzählt hatten. Und sie musste mir sagen, wie es jetzt weitergehen wird. Es wird keine Hauptverhandlung geben, ehe Clara nicht in der Lage ist auszusagen, das hatte sie mir schon gesagt, aber was passiert mit Ian bis dahin?
Sekunden später erhielt ich eine Nachricht. Sie war jedoch nicht von meiner Mom, sondern von Justin.
"Was willst du trinken?", schrieb er mir und ich musste grinsen, weil es nicht typisch für ihn war mit mir per Handy zu kommunizieren, wenn ich bei ihm war.
Ich schrieb ihm, das mir Wasser ausreiche und legte mein Handy weg, um mir das Gesicht mit kaltem Wasser waschen zu können, weil ich immer noch nicht ganz wach war.
Als ich mein Gesicht abtrocknete, vibrierte mein Handy noch einmal.
Ich rechnete mit der Antwort meiner Mom oder mit einem Text von Justin, aber ich hatte eine Nachricht von einer unbekannten Nummer bekommen. Als ich die Nachricht öffnete, staunte ich darüber, dass es ein Video war.
Schon nach den ersten fünf Sekunden wich jede Farbe aus meinem Gesicht und ich erlitt eine Schockstarre.
Das konnte, nein, das durfte nicht das sein, wofür ich es hielt.
Meine Finger zitterten, als ich das Video pausierte und ich nahm tief, tief Luft, um mich zu sammeln.
Keine Sekunde später rannte ich aus dem Badezimmer, die Treppen runter, in die Küche.
Justin, James, Brian, Ian und Jacob sahen alle gleichzeitig von ihrem Teller zu mir auf, als ich hysterisch und panisch das Esszimmer betrat.
"Was ist passiert?" Justin stand so schnell auf, das sein Stuhl nach hinten kippte und ich aufgrund des Lärms zusammen zuckte.
Er kam zu mir rüber und wollte mir das Handy aus der Hand nehmen, aber ich drückte es gegen meine Brust. Ich wollte nicht, das es er sieht, so lächerlich es auch klingen mag.
"Alison, was ist los?" Seine Stimme war besorgt, aber auch sehr streng.
"Du hast doch gesagt, das Ted diese Videos gegen Megan in der Hand hat und sie damit erpresst." Ich flüsterte diese Worte, denn ich wollte nicht, das die Jungs sie hören konnten. Megan war in dem Fall ein Opfer und ich hatte das Gefühl sie beschützen zu müssen.
Ich hielt Justin mein Handy hin und als er auf das Display sah, wurden seine Augen größer.
"Fuck."

Wir brauchen sie um Ted zu finden. Wir können nicht auf die verzichten."
Ich konnte Ethan verstehen. Aber Justin wusste eben, was richtig für mich war und was nicht.
"Sie kann uns auch helfen, wenn sie sich von Alison fernhält. Das eine schließt das andere nicht aus."
"Aber-"
"Nein. Und außerdem, warum schickt sie dich denn vor? Dann soll sie doch wenigstens mir erklären, warum sie diesem unschuldigem Mädchen immer und immer wieder versucht wehzutun. Du verstehst auch nicht, dass sie dich einfach nur ausnutzt."
"Ach, sie nutzt mich aus? Weil sie uns also helfen will, nutzt sie mich aus? Was hat sie denn davon?"
"Wo ist sie gerade?", fragte Justin, als ich mich vor der Tür platziert hatte. Eigentlich wollte ich den Streit zwischen den beiden beenden, aber ich wollte auch, dass sie weiterreden. Meine Neugier siegte.
"Sie ist in meinem Zimmer und wartet auf dich."
Ich runzelte die Stirn. Warum sollte sie auf Justin warten?
"Warum wartet sie auf mich?" Es erleichterte mich, dass Justin sich auch darüber wunderte. Ich wollte nicht, dass irgendetwas hinter meinem Rücken passiert, besonders nicht, wenn Megan darin involviert ist.
"Bevor wir beide zu Teds Eltern fahren, wolltest du ihr noch erklären, wie sie die Wanzen anbringen soll." Was zur Hölle? "Hast du das etwa vergessen?"
"Oh, fuck.", hörte ich Justin fluchen. Anscheinend hatte er es vergessen. Und ich wusste gar nichts darüber. "Ja, gib mir eine Sekunde. Ich will nach Alison sehen."
Jetzt war ich diejenige, die vor sich hin fluchte. Ich lief zurück zum Bett, knöpfte meine Hose auf und in dem Moment, wo die Tür geöffnet wurde, tat ich so, als würde ich mir gerade erst die Hose anziehen.
"Warum schläfst du nicht?" Auf seinem Gesicht lag ein frustrierter Ausdruck.
Ich versuchte ehrlich zu ihm zu sein. "Ihr wart mir ein bisschen zu laut."
"Oh, konntest du-"
"Was für Wanzen?"
Ich habe es nicht verhindern können. Es kam aus mir rausgeschossen, ehe ich darüber nachdenken konnte.
Justins Verwirrung verflog schnell. Dann seufzte er und setzte sich aufs Bett.
Ich blieb vor ihm stehen und legte meine Hände auf meine Hüften. Gespannt wartete ich auf seine Erklärung.
"Megan kennt Teds Eltern. Sie und Ethan werden zu ihnen fahren und sie wird mit den beiden reden. Natürlich nicht über die Taten ihres lieben Sohnes. Megan hat sich damals gut mit seiner Mutter verstanden. Sie wird sagen, dass sie sie vermisst hat und wird mit ihr einen Kaffee trinken, was weiß ich. Irgendwann wird sie sagen, dass sie auf Toilette muss und dann wird sie Wanzen im ganzen Haus anbringen. Ted hatte immer schon ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Wenn er sie besuchen geht, dann werden wir es wissen."
Ich hob eine Augenbraue und ließ mir diese Idee durch den Kopf gehen. Es war ein guter Plan, keine Frage. Aber ob Megan dieser Aufgabe gewachsen ist?
"Und du denkst, das Megan das hinkriegen wird?"
Er zog mich auf seinen Schoß und ich ließ es geschehen. Wenig später legte ich meine Arme um seinen Hals und genoss den Anblick auf pure Perfektion.
"Ich weiß es nicht, Allie." Na, wenigstens war er ehrlich. "Aber wir sollten es zumindest versuchen. Es könnte uns wirklich helfen."
"Sie könnte uns wirklich helfen.", sagte ich und in meiner Stimme lag Abscheu. Sie könnte uns die größte Hilfe sein, aber das Problem war, dass ich ihr nicht vertrauen konnte.
Sie hasste mich- Warum würde sie mir helfen wollen?
"Du traust ihr nicht?", fragte Justin und ich schüttelte den Kopf.
"Ja, ich auch nicht. Deshalb habe ich auch in ihrem ganzen Haus Wanzen und Kameras angebracht und lasse ihr Handy von James abhören."
Ich sollte überrascht sein, aber das war ich nicht. Justin grinste mich an und ich konnte nicht anders als zu lachen. "Weiß Ethan das?"
Er schüttelte den Kopf und der amüsierte Ausdruck hielt an. "Natürlich nicht. Er würde sofort zu ihr rennen und es ihr sagen."
Wenn ich an Ethan dachte, dann erschien das Bild seines blauen Auges vor meinem Gesicht. Ich hatte Angst Justin zu fragen, ob er ihn geschlagen hatte, deshalb formulierte ich die Frage ein wenig um.
"Weißt du woher Ethan sein blaues Auge hat?"
Es war interessant zu sehen, wie er innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder ernst wurde. Diese Reaktion bestätigte mir, dass er etwas damit zu tun haben muss.
"Wir haben uns an dem Morgen an Halloween gestritten, nachdem wir bei Megan fahren. Er hat Dinge gesagt, die mich wütend gemacht haben." Er spielte mit einer Haarsträhne von mir und lockte sie indem er sie um seinen Zeigefinger wickelte. "Wir haben uns aber inzwischen wieder vertragen. Er hat selber gesagt, dass er sich auch geschlagen hätte, wenn er ich gewesen wäre."
"Du schlägst nie einen deiner Freunde, nur Ethan.", stellte ich fest und er zuckte mit den Achseln.
"Mit ihm habe ich auch die meisten Schwierigkeiten."
"Und trotzdem würdest du sagen, dass er dein Freund ist?"
Er runzelte die Stirn und schien meine Frage nicht zu verstehen. "Natürlich."
Ich nickte und kam über ein Lächeln nicht hinweg. Er hatte so starke Freundschaften mit diesen fünf Jungs geschlossen und es bedeutete mir viel, dass Justin außer mich Menschen hatte, die er so sehr vertrauen konnte.
"Du hattest doch bestimmt auch mal das Bedürfnis David oder Clara eine reinzuhauen, oder?"
Ich musste aufgrund seiner Frage lachen. "Ich denke schon."
Das Grinsen auf seinen Zügen erschien wieder und das machte die Situation viel, viel leichter. "Und Mädchen unterdrücken dieses Bedürfnis immer. Jungs aber nicht. Deshalb schlage ich Ethan auch so oft."
Ich schmunzelte über diese Antwort. Eine wirklich sehr plausible Erklärung.
"Was meinst du wie oft James mich schon geschlagen hat?"
"Hat er das?", fragte ich erschrocken, weil ich mir das wirklich nicht vorstellen konnte.
"Ja, klar. Wir haben uns zum Beispiel einmal darüber gestritten, dass er Abi von unseren Geschäften erzählt hat. Da sind Fäuste geflogen."
Ich versuchte es mir vorzustellen, aber es gelang mir einfach nicht. James hatte in meinen Augen so eine große Vaterrolle, obwohl er vielleicht nur zwei oder drei Jahre älter war als Justin. "Ich hoffe, das ihr euch nie vor meinen Augen streiten. James ist so etwas wie-" Ich wollte nicht 'Vater' sagen, aber mir fiel kein passender Ausdruck dafür ein.
"Ich weiß was du meinst. Er ist derjenige, der das alles hier zusammen hält. Er und Brian sind die einzig Vernünftigen."
Ich grinste. "Und was-"
"Ich bin natürlich der Vernünftigste von allen."
"Ach, und du denkst, das ich dir das glauben werde?" Ich bemühte mich um einen ausdruckslosen Blick, aber als er mich zurück auf das Bett warf, meine Hände über meinen Kopf festhielt, lachte ich und zappelte wie wild herum. Ich wusste, was er jetzt machen würde.
"Du findest also nicht, dass ich vernünftig bin?", fragte er mich und löste die eine Hand von meinem Handgelenk. Er war so stark, dass er meine beiden Arme nur mit einer Hand ruhig halten konnte. Ich hatte keine Chance gegen ihn.
Ich schüttelte den Kopf und grinste breit, weil ich den spielerischen Justin so sehr vermisst hatte. Er sah so jungenhaft aus, endlich mal seinem Alter entsprechend und ich hätte wetten können, dass er in dem Moment nicht länger an Ted dachte.
Seine freie Hand wanderte unter mein T-Shirt, so wie ich es erwartet habe, und innerhalb von einer Sekunde, erschien eine Gänsehaut. Auf meinem ganzen Körper.
Seine Fingerkuppen fuhren langsam über meine sensible Haut und er setzte sich nun ganz auf meine Oberschenkel und drückte sie mithilfe seiner Knie ganz zusammen. In dieser Position war es unmöglich sich zu bewegen und ich war ganz still, machte mich mental auf die Folter vor, die ich in wenigen Momenten über mich ergehen lassen musste.
"Du hast Recht. Ich glaube nicht, dass jemand, der vernünftig ist, so etwas machen würde." Seine Finger legten sich um meine Rippen und als sich sanft ins Fleisch bohrten, kreischte ich los.
Er kitzelte mich unerbittlich und unersättlich, sodass mir irgendwann Tränen in die Augen stiegen und an der Seite runterliefen.
Es war Freude und Folter zugleich und dennoch genoss ich diesen Moment in vollen Zügen.
Justin grinste über meinem Kopf und fragte: "Willst du, dass ich aufhöre?"
"Ja", quietschte ich zwischen zwei Lachanfällen. Lange würde ich das nicht mehr ertragen können.
"Sag: Justin ist vernünftiger als ich und jeder andere."
"Justin ist ver-" Er wurde grober und ich lachte lauter. Gezwungenermaßen.
"Was? Ich hab dich nicht verstanden.", zog er mich auf. Dieses kleine Arschloch von Freund.
"vernünftiger als ich und jeder andere.", rief ich, so laut ich es konnte, damit er nichta auf die Idee kommen konnte noch einmal zu sagen: "Was? Ich habe dich nicht verstanden."
Er hörte auf und ich dankte den Geschöpfen im Himmel.
"Braves Mädchen.", lobte er mich und gab mir einen feuchten Kuss auf den Mund, während ich versuchte meine Atmung zu beruhigen.
"Fick dich."
"Ne, Baby. Das hast du gestern doch schon getan." Sein Zwinkern gab mir den Rest und als ich einigermaßen wieder normal atmen konnte, richtete ich mich auf, so wie er es getan hatte.
"Tja." Ich richtete mein T-Shirt und stand vom Bett auf. "Wenn du brav gewesen wärst, dann hätte ich es heute Abend wieder getan."
Er zuckte die Schultern, als würden in diese Worte nicht berühren, aber dann leckte er sich über die Lippen und da wusste ich, dass ich ihn hatte.
"Wenn du es nicht tust, dann mache ich es eben.", sagte er und ich wusste nicht, was genau er meinte. Dass er es sich selber machen würde?
"Was machst du?", fragte ich deshalb nach und mein Herz schlug schneller wegen des versauten Gesprächs, das wir beide hier führten.
"Dich ficken."
Er sagte diese Worte, als würde er über Eier und Speck reden. Als wäre es ein ganz normaler Satz. Mir jedoch blieb die Spucke weg und mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, Kammerflimmern zu bekommen, was total absurd war. Er spielte schließlich nur mit mir.
Aber er unterschätzte mich. Ich konnte das Blatt wenden.
"Ich sage ja nur, dass du es andersrum haben könntest." Ich ging auf ihn zu und sein Blick klebte auf meinem Körper. "Ich weiß doch, wie sehr du es magst, wenn wir die Rollen tauschen.", hauchte ich. In meiner verführerischsten Stimme. Gegen seine Lippen.
Ich berührte ihn nicht, aber meine Worte und meine Nähe machten ihn genauso verrückt, wie es meine Berührungen getan hätten.
Er leckte sich über die Lippen, während er auf meine blickte und ehe ich mich versah, legte er seine Hand um meinen Hals und drückte seine Lippen gegen meine.
Ich grinste in den Kuss und erinnerte mich an eine ähnliche Situation, wo ich denselben Kampf das erste Mal gewonnen hatte. Justin und ich waren da nicht einmal zusammen und ich habe ihn geil gemacht und dann fallen gelassen, wie eine heiße Kartoffel, indem ich ins Bad gerannt bin.
Ob er wohl wieder so wütend werden würde, wenn ich es wieder tat?
Doch er machte es mir so, so schwer mich von ihm zu lösen. Seine Küsse waren wie Drogen und ich war ein hoffnungsloser Abhängiger. Er küsste mich grob und dennoch so leidenschaftlich, dass meine Knie weich wurden und er mich stützen musste.
Seine linke Hand drückte meine Lippen gegen seine, während seine rechte Hand meinen Unterleib gegen seinen drückte.
Als ich seine Erektion an meinem Bauch spüren konnte unterdrückte ich ein Wimmern.
Das musste ganz schnell beendet werden. Das Haus war voll mit Leuten und ich wollte nicht, das uns irgendjemand hört.
Das, was zwischen mir und Justin passiert, diese Magie, diese Liebe und diese Leidenschaft...das alles ging nur mich und ihn etwas an.
Ich schaffte es irgendwie mich aus seinem Griff zu befreien und meine Lippen von ihm zu nehmen.
Sein sehnsüchtiger und versauter Blick ließ mich erschaudern. Seine Wangen waren gerötet, seine Lippen angeschwollen von unserem Kuss und seine Haare zerzaust. Seine Augen waren Karamel, das ich zum Schmelzen gebracht habe.
Sein Mund stand einen Spalt weit offen und seine Atmung ging mindestens so flach wie meine.
Ich vergaß ins Badezimmer zu rennen und flüsterte stattdessen: "Du könntest es haben. Du wirst es aber nicht."
Er lächelte. Verspielt und frech und es fühlte sich so an, als würde ich mich in dem Moment noch einmal in ihn verlieben.
Was löste er nur in mir aus?
"Wir werden ja sehen.", sagte er und es hörte sich so an wie ein Versprechen. Er ging an mir vorbei und ich biss mir auf die Lippe, nur um eine Sekunde später ein Schreien zu unterdrücken, als er mir auf den Po schlug.
"Ich gehe zu Megan, Baby."
Er steuerte die Tpr zum Badezimmer zu, weshalb ich ihn fragte: "Warum gehst du dann ins Bad?"
Er drehte sich vor der Tür um. "Willst du etwa, dass ich mit einer Erektion zu ihr gehe?"
Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte nicht zu Lachen. Schamesröte machte sich in meinem Gesicht breit.
Justin schmunzelte. "Ja, das dachte ich mir."

"Oh, Gott." Ich hielt mir meine Hand auf den Kopf und blinzelte ein paar Mal, um sicher zu gehen, das ich nicht länger träumte und Justin wirklich neben mir lag und mich grinsend anstarrte.
"Weißt du eigentlich, wie gruselig das ist?", fragte ich ihn und sein Grinsen wurde breiter. "Ich wache auf und alles, was ich sehe ist dein Gesicht."
"Mein Gesicht ist gruselig?"
Ich lachte und rieb mir die Augen. "Du weißt, was ich meine."
"Ich mag es eben, dir beim Schlafen zuzusehen." Er gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange. "Ich könnte mich jedes Mal schlagen wenn ich so etwas Kitschiges sage."
Seine Ehrlichkeit brachte mich zum Lachen. Ich legte meine Handflächen auf seine Wangen und drückte seine Lippen zusammen, sodass er diesen Fischmund bekam. Wahrscheinlich dachte er, dass ich etwas Süßes sagen würde, aber ich entfernte meine rechte Hand von seiner Wange, nur um ihm einen kleinen Klaps auf die Stelle zu geben. "Erledigt."
Er schloss die Augen und unterdrückte sich ein Lachen. "Ich schätze, das habe ich verdient."
Ich kicherte, aber dann entschied ich mich schließlich doch dazu ein bisschen netter zu ihm zu sein und küsste ihn kurz auf den Mund, bevor ich auf stand und mich eine Minute lang erst mal ausgiebig streckte.
"Wie lange habe ich geschlafen?", fragte ich ihn.
"Zwei Stunden." Er schien sich darüber zu freuen, das nahm ich seinem stolzen Lächeln ab.
"Oh." Ich zog mir mein T-Shirt über den Kopfund griff nach meinem BH, um ihn wieder anzuziehen. "Ich hoffe du bist glücklich darüber."
Ich sah zu ihm, als ich die Schnalle des BHs zumachte, und er sagte: "Das war ich, in den zwei Sekunden zwischen 'Ich ziehe mein T-Shirt aus' und 'Ich ziehe meinen BH wieder an'."
Lachend verdrehte ich die Augen und zog mir mein T-Shirt wieder über.
"Hast du Hunger?"
"Großen, aber ich will so schnell wie möglich zu Clara." Ich hatte sie heute noch nicht gesehen und langsam breiteten sich Schuldgefühle in mir aus. Ich hatte sie zuletzt gestern Abend gesehen und ich vermisste sie.
"James macht gerade Pasta. Sie müsste gleich fertig sein."
"Sie?"
"Die Pasta." Er runzelte die Stirn. "Nicht James."
"Okay.", lachte ich, bevor Justin mich auslachen konnte. "Ich gehe nur kurz ins Bad und dann komme ich runter."

Im Badezimmer, als ich mir einen neuen Zopf band, fiel mir ein, dass Megan und Ethan zu Teds Eltern fahren wollten. Ich musste gleich unbedingt prüfen, ob sie es getan haben. Wer weiß, vielleicht waren die beiden auch schon zurück.
Ich rief David an und telefonierte kurz mit ihm, weil ich wissen wollte, wo er ist und wie es ihm geht. Ich sollte bei ihm sein, in dieser schwierigen Zeit, so wie er für mich da war. Wir machten aus, dass wir zu ihm fahren würden, wenn wir bei Clara waren. Noch wusste ich nicht, wo ich die Nacht verbringen sollte, aber David war die sinnvollste und beste Option.
Ich schrieb meiner Mom eine Nachricht auf Whatsapp, als ich meine Blase leerte, und fragte sie, ob sie Clara besuchen kommt, wenn sie Feierabend hat.
Ich hatte sie heute Morgen gesehen, aber ich wollte unbedingt mit ihr über Ians Verhandlung reden. Vielleicht wusste sie etwas, das Ian und Justin mir noch nicht erzählt hatten. Und sie musste mir sagen, wie es jetzt weitergehen wird. Es wird keine Hauptverhandlung geben, ehe Clara nicht in der Lage ist auszusagen, das hatte sie mir schon gesagt, aber was passiert mit Ian bis dahin?
Sekunden später erhielt ich eine Nachricht. Sie war jedoch nicht von meiner Mom, sondern von Justin.
"Was willst du trinken?", schrieb er mir und ich musste grinsen, weil es nicht typisch für ihn war mit mir per Handy zu kommunizieren, wenn ich bei ihm war.
Ich schrieb ihm, das mir Wasser ausreiche und legte mein Handy weg, um mir das Gesicht mit kaltem Wasser waschen zu können, weil ich immer noch nicht ganz wach war.
Als ich mein Gesicht abtrocknete, vibrierte mein Handy noch einmal.
Ich rechnete mit der Antwort meiner Mom oder mit einem Text von Justin, aber ich hatte eine Nachricht von einer unbekannten Nummer bekommen. Als ich die Nachricht öffnete, staunte ich darüber, dass es ein Video war.
Schon nach den ersten fünf Sekunden wich jede Farbe aus meinem Gesicht und ich erlitt eine Schockstarre.
Das konnte, nein, das durfte nicht das sein, wofür ich es hielt.
Meine Finger zitterten, als ich das Video pausierte und ich nahm tief, tief Luft, um mich zu sammeln.
Keine Sekunde später rannte ich aus dem Badezimmer, die Treppen runter, in die Küche.
Justin, James, Brian, Ian und Jacob sahen alle gleichzeitig von ihrem Teller zu mir auf, als ich hysterisch und panisch das Esszimmer betrat.
"Was ist passiert?" Justin stand so schnell auf, das sein Stuhl nach hinten kippte und ich aufgrund des Lärms zusammen zuckte.
Er kam zu mir rüber und wollte mir das Handy aus der Hand nehmen, aber ich drückte es gegen meine Brust. Ich wollte nicht, das es er sieht, so lächerlich es auch klingen mag.
"Alison, was ist los?" Seine Stimme war besorgt, aber auch sehr streng.
"Du hast doch gesagt, das Ted diese Videos gegen Megan in der Hand hat und sie damit erpresst." Ich flüsterte diese Worte, denn ich wollte nicht, das die Jungs sie hören konnten. Megan war in dem Fall ein Opfer und ich hatte das Gefühl sie beschützen zu müssen.
Ich hielt Justin mein Handy hin und als er auf das Display sah, wurden seine Augen größer.
"Fuck."

"Fakt ist, irgendjemand muss sich dieses Video angucken.", sagte Brian in die Runde. "Vielleicht sagt er irgendwann irgendwas, vielleicht sind Botschaften darin versteckt, mögl-"
"So ein Schwachsinn.", meldete ich mich zu Wort, weil ich diesen Jungs schon viel zu lange zugehört habe. "Megan trägt auf dem Video ihre Haare viel kürzer als jetzt, mit einem Pony. Dieses Video muss zwei Jahre alt sein. Die beiden waren da noch zusammen. Was sollen denn da für Botschaften drin versteckt sein?"
"Alison.", warnte mich Justin, aber diesmal war er im Unrecht.
"Nein, man hat mir das Video geschickt. Es ist auf meinem Handy. Megan war da wie alt? Siebzehn, achtzehn? So wie ich jetzt. Habt mal ein bisschen Respekt." Ich ging aus dem Esszimmer, hielt das Handy fest in meiner rechten Hand. Justin ging mir hinterher und zog mich an meiner Hand zurück, bevor ich die erste Treppenstufe nehmen konnte.
"Wir müssen darüber reden.", sagte er und blickte mir eindringlich in die Augen. "Es muss einen Grund haben, warum Ted dir das Video geschickt hat und nicht mir oder jemand anderem."
"Wenn er sie jedes Mal gefilmt hat, wenn die beiden Sex hatten, dann muss es noch mehr Videos geben. Das erste hat er an mich geschickt. Vielleicht schickt er das zweite an dich, das dritte an Ethan und klappert die anderen Jungs auch ab. Dann ist ihre Familie dran, oder vielleicht hat er ihrer Familie als erstes dran. Egal wie man es dreht oder wendet, dieses Video" Ich hielt ihm mein Handy vors Gesicht. "ist nur eines von vielen."
Und sowas hatte sie nicht verdient. Sowas hat niemand verdient. Sie hat diesem Jungen vertraut, sie hat ihn geliebt und er hat sie gefilmt, in ihren intimsten Momenten.
Er war noch ein so viel schlimmerer Mensch, als ich gedacht habe.
Wie kann man dem Menschen, den man geliebt hat, nur so etwas antun?
"Ich muss es mir angucken, Alison." Seine sanfte Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
Ich wandte mich verärgert von ihm ab und ging die Treppen hoch.
Er folgte mir, wartete jedoch mit weiteren Worten, bis wir in seinem Zimmer waren.
"Jetzt ignorier mich nicht."
"Du hast keine Ahnung, worum es hier geht. Du denkst, du würdest es verstehen, aber das tust du nicht.", schrie ich ihn endlich an und ließ meinem Frust freien Lauf.
Justin verstand viele Dinge, er konnte gut nachvollziehen und noch viel besser handeln. Richtig handeln.
Aber das war eine Sache, die ich besser verstand, die ich besser nachvollziehen konnte und bei der ich handeln musste. Nicht er.
"Dieses Mädchen hat ihm vertraut und er hat ihr Vertrauen missbraucht, indem er sie gefilmt hat, ohne das sie es wusste. Und jetzt schickt er diese Videos an ihre Freunde und an ihre Familie. Und du hast dann noch die Dreistigkeit zu sagen, dass du dir dieses Video angucken musst?" Ich schüttelte verständnislos meinen Kopf, obwohl es mich interessierte, dass er auf sein Handy blickte, während ich ihn versuchte zur Sau zu machen "Ich denke, dass sie schon genug gelitten hat."
Er sah von seinem Handy auf, öffnete den Mund, vermutlich um sich zu verteidigen aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen, indem ich warnend meine Hände hob. "Oh, und außerdem ist sie nicht hier, Justin. Sie ist nicht hier, um sich verteidigen zu können, deshalb wird dieses Handy da bleiben, wo es hingehört. Nämlich in meine Opput."
"Bist du fertig?", fragte er. "Denn Megan und Ethan werden in zwei Minuten hier sein."
"O-okay." Ich trat von einem Fuß auf den anderen und dachte nach. Was sollte ich jetzt tun? Ich verstaute mein Handy in meiner Hosentasche. "Kannst du nach unten gehen und sie zu mir hoch schicken, wenn sie da ist?"
Er zuckte mit den Achseln. Als würde es ihn nicht interessieren, aber ich kannte ihn besser. Er hasste es eben, wenn ich Recht hatte, und in dem Moment wusste er, dass es so war.
"Alles, was du willst." Er gestikulierte merkwürdig mit seinen Händen und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Es verschaffte mir ein wenig Stolz.
"Ich muss sowieso zu James und nachsehen, ob die Handynummer einen Treffer ergab." Das ergab sie zu 99,9 % nicht. Ted war nicht dumm. Er musste ein Prepaid-Handy verwendet haben. "Wenn Megan da ist, werde ich sie zu dir schicken und du wirst es ihr irgendwie beibringen müssen. Danach werdet ihr beide euch das Video gemeinsam angucken und du wirst auf Auffälligkeiten achten, hast du mich verstanden?"
Das klang doch absurd. Das klang doch scheiß absurd. Ich musste mir mit Megan ein Sexvideo angucken, indem sie und der Typ, der mich tot sehen wollte, die Hauptrolle spielten. Konnte sie es sich nicht einfach alleine angucken? Ich würde ihr auch mein Handy anvertrauen. Doch dieses Video...das wollte ich wirklich nicht sehen.
"Muss das-"
"Ja, verdammt.", nahm er mir sofort das Wort ab und seine laute, fast schon aggressive Stimme schüchterte mich ein. "Denkst du ich mache Luftsprünge bei dem Gedanken, das du dir ein Sexvideo von Megan und Ted angucken musst? Scheiße!", fluchte er, brüllte er und fuhr sich frustriert durch die Haare. "Diese ganze Scheiße hat solch absurde Ausmaße angenommen."
Ich schluckte, denn sein plötzlicher Wutausbruch bereitete mir Herzschmerz. Ich hatte nicht daran gedacht, dass es auch für ihn schlimm sein musste mit der Vorstellung zu leben, dass ich mir dieses Video angucke.
Das Klopfen an der Tür hinderte mich daran zu ihm zu gehen und ihn zu trösten. Justin und ich richteten beide unseren Blick auf die Tür, als sie sich öffnete.
Ich atmete tief durch, als ich Megan erblickte.
"Ian hat gesagt, dass Alison mit mir reden will." Sie lächelte nervös und eingeschüchtert.
Sie hatte ja keine Ahnung, worüber ich mit ihr reden wollte.



"Nein.", wimmerte sie und in der nächsten Sekunde brach sie in Tränen aus. Ich legte meinen Arm um sie und drückte sie tröstend an mich.
"Es tut mir so Leid." Es ist mir so schwer gefallen ihr irgendwie beizubringen, dass Ted seine Drohung wahr gemacht hat und dass sich auf meinem Handy eines ihrer privaten Videos befand.
Sie hat die Nachricht so aufgenommen, wie ich es auch getan hätte.
Nämlich sehr, sehr schlecht.
"Warum macht er so etwas?", hauchte sie unter Tränen und ich strich ihr sanft über den Rücken. Verrückt. Wenn mir vor drei Stunden jemand gesagt hätte, dass ich Megan bald schon in den Arm nehmen würde, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt.
Ich schätze, das manche Situationen, meistens die der ganz abgefuckten Sorte, auch die unterschiedlichsten Menschen vereinen können.
Ich war nicht länger gegen sie. Das konnte ich nicht.
"Wie lange geht das Video?", fragte sie mich, als sie auf sah. Ihr Gesicht war von Tränen überströmt und sie so zu sehen tat mir weh.
"Ein bisschen über zehn Minuten."
"Was?" Neue Tränen liefen ihr die Wange entlang, die sie sich schnell mit ihrem Handrücken weg wischte.
"Es tut mir Leid.", wiederholte ich nur und fühlte mich in dem Moment so erbärmlich. "Ich habe es niemandem der Jungs gezeigt, nicht einmal Justin."
Etwas wie Überraschung trat auf ihre Züge. "Wirklich?", fragte sie und schien gerührt.
Ich nickte stirn runzelnd. "Natürlich nicht."
Sie umarmte mich, drückte mich ganz fest an sich, als wäre ich ihr Rettungsanker oder als wäre sie mir ein Leben lang dafür dankbar. "Danke, Allie.", hauchte sie und ich erkannte etwas in ihrer Stimme, das mir bisher fremd war. "Ich habe es nicht verdient, das du dich so für mich einsetzt."
Ich tat das nicht, weil ich sie mochte, oder weil ich sie als meine Freundin empfand. Nein, dieser Zug war schon längst abgefahren. "Du bist ein Mädchen. Du warst auf diesem Video so alt wie ich jetzt. Wenn mir so etwas passieren würde, dann bräuchte ich auch eine Schulter zum Ausheulen."
"Hast du es dir angeguckt?"
Ich löste mich vorsichtig von ihr und schüttelte dann den Kopf. "Aber wir müssen es uns angucken."
Panik machte sich in ihrem Gesicht breit. "Warum?"
"Weil Ted es mir nicht umsonst geschickt hat. Vielleicht ist eine Botschaft darin versteckt, die uns helfen könnte ihn zu finden.", wiederholte ich Brians Worte von eben.
Megan stand vom Bett auf, als hätte ich sie verraten. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie schwer es für sie sein musste.
"Ich habe ihm vertraut, Alison.", weinte sie und ging im Zimmer hin und her. "Er war der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe und während ich dabei nur daran denken konnte, wie sehr ich ihn liebte, hat er uns dabei gefilmt, als wäre ich nur irgendeine Gelegenheitsschlampe." Sie blieb stehen, sah gegen die Decke, schloss die Augen und holte tief Luft. Ich wusste, wie sie sich fühlte. In Momenten, die alles von mir forderten und die mir den Boden unter den Füßen wegrissen tat ich dasselbe wie sie. "Niemand sollte das sehen, Alison. Das waren unsere, nein, meine intimsten Momente mit einem Jungen, den ich geliebt habe. Das geht niemanden etwas an. Ich will nicht, dass es jemand sieht."
Scheiße, scheiße, scheiße. Derselben Meinung war ich doch auch. Ich konnte sie absolut nachvollziehen. Ich hätte dieses Video am liebsten gelöscht, aber wenn Justin sagte, dass es uns helfen könnte Ted zu finden, dann wollte ich ihm glauben. Ich musste es schließlich.
"Ich verstehe dich, Megan. Ich-"
"Ach, tust du das?", fragte sie und ich nahm es ihr nicht übel. "Denn wenn du mich verstehen würdest, dann würdest du nicht sagen, das wir uns dieses Video angucken müssen."
Ich seufzte und musste mir selbst eingestehen, dass ich mit der Situation überfordert war.
Ich stand auf und ging zu ihr. Vielleicht könnte ich sie besser erreichen, wenn ich vor ihr stand und ihr nahe war.
"Bitte glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich dich verstehen kann. Du warst in meinem Alter, jung und verliebt, so wie ich, warum sollte ich dich nicht verstehen können?" Sie sah mir in die Augen und ich hatte das gefühl, als würde sie überprüfen wollen, ob ich auch die Wahrheit sagte.
"Okay.", sagte sie und ich atmete durch. "Wir gucken es uns an. Du hast Recht. Vielleicht ist am Ende irgendein Hinweis darauf, wo er sich befindet. Ich habe das Gefühl, das dieses Video erst der Anfang ist und ich will ihn finden, bevor er meinen Eltern oder meinen Verwandten irgendwas schicken kann." Sie zuckte bei dem Gedanken zusammen und ich strich ihr tröstend über den Oberarm.


Die nächsten zehn Minuten waren die skurrilsten meines Lebens. Bevor ich das Video abspielen konnte, hatte Megan es sich anders überlegt. Sie setzte sich auf die Couch, weit weit weg von mir, sodass ich die einzige war, die sich das Video anguckte.
Ich konnte sie verstehen. Sie musste das alles nicht noch einmal durchleben. Das Wichtigste war doch, dass ich das Video sah.
Das war das, was Justin wollte.
Ich saß also auf Justins Bett und guckte mir das Sextape mit Kopfhörern an.
Ich ignorierte Megans Blick, der die ganzen zehn Minuten lang auf mir klebte und konzentrierte mich auf Ted.
Auf seine Worte. Nicht auf das Offensichtliche.
Das Video war in schwarz-weiß und seitlich gefilmt. Ted musste die Kamera irgendwo an der Wand platziert haben.
Er musste einen Teil rausgeschnitten haben, weil das Video damit anfang, dass er sich in ihr bewegte. Während des Videos wurde mir eins bewusst. Nämlich das Megan sich für nichts schämen musste. Die beiden haben miteinander geschlafen, so wie jedes Paar es tut. Es war nichts ekelhaftes daran, nichts peinliches, nichts beschämendes.
Das einzige, was mir die Schamesröte ins Gesicht trieb, war das Stöhnen. Ich wusste nicht, ob es besonders laut war, oder leise, oder womöglich durchschnittlich. Aber es war Megans Stöhnen. Und das habe ich nie, nie hören wollen.
Vielleicht sollte ich nicht so darüber denken. Vielleicht war ich ja noch viel lauter. Ich würde es wohl nie erfahren, es sei denn, Justin macht auch Videos von uns, was er niemals machen würde. Demnach werde ich es nie erfahren.
"Wann ist es endlich fertig?", hörte ich Megans Stimme und ich pausierte das Video bei der fünften Minute.
Ugh. Ich hatte also noch die Hälfte vor mir und bisher hat Ted keinen Muks gesagt.
"Noch die Hälfte."
Ich erkannte pure Folter in ihrem Gesicht. Sie schlang die Arme um ihre angewinkelten Beine und nickte mir zu, als ein Zeichen dafür, dass ich wieder Play drücken durfte.
Die nächsten zwei Minuten ging es so weiter und als ich merkte, dass die beiden langsam zum Ende kommen würden, schaltete ich den Ton ganz aus. Das wollte ich wirklich nicht hören.
Als die beiden sich voneinander lösten, waren noch drei Minuten übrig und als ich sehen konnte, wie sie sich die Laken über die Körper zogen und zu reden begannen, verstärkte ich die Lautstärke und lauschte.
"Habe ich dir weh getan, Baby?" Er küsste sie auf die Stirn und zog sie an seine Brust und ich fühlte mich unbehaglich. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, das Ted so fürsorglich sein konnte.
"Nur am Anfang ein bisschen.", antwortete Megan und ich war verwirrt. "Ich hätte nicht gedacht, dass das erste Mal so schön sein würde."
Das erste Mal?


"Justin, er hat mir ein Video davon geschickt, wie er sie entjungfert."
"Verarsch mich nicht." Er hielt sich an dem Waschbecken fest. Ja, mir ging es nicht anders.
Ich nickte und spielte nervös mit meinen Händen. Es trieb mir fast die Tränen in die Augen. Als ich realisiert habe, dass es Megans erstes Mal war, hat es mir den Boden unter den Füßen weggerissen.
Und dann musste ich es ihr auch noch irgendwie beibringen. Sie ist in Tränen ausgebrochen, hat Minutenlang pausenlos geschluchzt. Ethan hat irgendwann an die Tür geklopft und hat Megan zu sich geholt. Ich hoffte, dass sie bei ihm in guten Händen ist.
"Wie hast du das gemerkt?", wollte Justin wissen und massierte sich gestresst mit einer Hand die Schläfen.
"Sie haben danach darüber geredet.", sagte ich.
"Wie lange?"
"Nach der siebten Minute."
Er hob beide Augenbrauen. "Warum hat er dir auch diesen Teil geschickt?"
Ich zuckte langsam mit meinen Achseln, weil ich mir diese Frage selbst nicht beantworten konnte. Warum hatte er mir auch das liebevolle Gespräch der beiden geschickt? Was wollte er mir damit sagen?
"Kannst du mir dein Handy geben?"
"Eh." Ich dachte wir hätten usn geeinigt? "Warum? Ich habe dir doch alles erzählt."
Er nahm seine Hand vom Waschbecken und legte beide Hände auf meine Schultern, damit er mir eindringlich in die Augen blicken konnte. Oh ja, so konnte er mich immer von seiner Meinung überzeugen.
"Ich will mir ja nicht die ersten sieben Minuten angucken. Du spulst zu den harmlosen Stellen vor und dann gucke ich mir nur das Gespräch der beiden an." Er seufzte, als er den kritichen Ausdruck in meinem Gesicht erkannte. "Bitte, Alison. Es ist wichtig."
"Na gut.", gab ich schließlich nach, weil ich nicht eifersüchtig rüber kommen wollte. Er hatte Megan schon oft nackt gesehen. Inzwischen musste ich es mir eingestehen. Und außerdem bedeckte in den letzten drei Minuten ein Laken ihren perfekten, jugendlichen Körper.
Ich nahm mein Handy aus der Hosentasche und öffnete das Video, pausierte es schließlich direkt nachdem es angefangen hatte und spulte vor, so wie er es sich wünschte. "Hier." Ich reichte ihm das Gerät und als er es dankend annahm, fügte ich noch hinzu: "Aber es geht irgendwie nur bis zur neunten Minute. Danach ist alles schwarz."
Er runzelte die Stirn. Sein kritischer Blick ließ Zweifel in mir hochkommen, hatte ich vielleicht etwas übersehen?


Ich ging sicher, dass die Tür geschlossen war und mich niemand hören konnte. Dann setzte ich mich zurück an ihr Bett und nahm ihre warme, zarte Haut.
David musste sie eingecremt haben. Der Gedanke daran ließ mich schmunzeln.
"Also, ich habe gute und schlechte Neuigkeiten.", begann ich mit ihr zu reden und in meinem Herzen löste sich eine unbeschreibliche Last, jetzt, wo ich bei ihr war.
"Da ich weiß, dass du immer zuerst die gute hören willst, werde ich sie dir auch zuerst sagen. Ian ist auf Kaution frei." Ich drückte ihre Hand vor Euphorie und blickte in ihr müdes, erschöpftes Gesicht. Was hatte ich erwartet? Dass sie Luftsprünge macht?
"Die Kaution lag bei 100 Tausend Dollar, aber natürlich haben die Jungs so viel Geld..." Ich erzählte ihr die ganze Geschichte. All das, was Ian mir erzählt hat und alles, was ich von meiner Mom aufgegriffen habe.
Es tat so gut bei ihr zu sein und mit ihr reden zu können, auch wenn ich wusste, dass sie mir nicht antworten konnte. Ich wusste nach jedem Satz aber immer ganz genau, was sie sagen würde. Ich kannte sie einfach zu gut.
"Es wird zu keiner Hauptverhandlung kommen, ehe du nicht in der Lage bist vor Gericht auszusagen. Meine Mutter ist der festen Überzeugung, dass alles gut verlaufen wird. Du wirst ihn nicht unnötig belasten und einfach sagen, wie nett er ist und dass er dir das niemals antun würde. Sowas eben. Das kriegst du doch hin, oder?"
Ich lächelte sie an und küsste ihren Handrücken.
"Ich habe auch noch mehr gute Neuigkeiten. Megan und Ethan wollen Ted finden, du erinnerst dich noch an ihn? Ich habe dir letztens von ihm erzählt." Vor ein paar Tagen habe ich ihr die ganze Wahrheit erzählt. Es half dabei mir selber einzugestehen, dass ich die Hoffnung noch nicht aufgeben brauchte. Und es reinigte mein Gewissen. Jetzt hatte ich wenigstens keine Geheimnisse vor ihr.
"Jedenfalls sind die beiden zu Teds Eltern gefahren, weil Megan schon immer ein gutes Verhätlnis zu den beiden hatte. Sie sollte Wanzen in dem Haus anbringen." Unbewusst verdrehte ich die Augen. "Kaum zu glauben, oder? Und ich dachte wirklich, dass Megan es nicht schaffen wird, aber sie hat es geschafft! Sie hat sechs Wanzen im ganzen Haus angebracht! Eins muss man diesem Mädchen lassen. Sie wäre eine verdammt gute Kriminelle."
"Justin lässt ihr Handy abhören und hat auch in ihrem Haus Videos und Wanzen angebracht, weil er ihr immer noch nicht traut. Ich kann ihr aber auch noch nicht trauen, auch wenn wir uns seit heute näher stehen...und so kommen wir zu der schlechten Nachricht." Ich dachte nach. "Obwohl ich glaube, dass du sagen würdest, dass sie es verdient hat."
Ich erzählte ihr von dem Sexvideos, selbst die kleinsten Details ließ ich nicht aus. Ich erzählte ihr von Megans Tränen und versuchte ihr zu erklären, wie Leid es mir für sie tat.
Ich erzählte ihr davon, wie Justin sich das Gespräch der beiden angehört hat und wie er danach nicht mehr über das Video reden wollte. Er schnitt das Video zurecht, löschte die ersten sieben Minuten und ließ nur noch die letzten drei übrig. Er schickte sich das Gespräch der beiden und gab mir wieder mein Handy zurück.
Er schien das Gespräch als sehr wichtig zu empfinden, aber immer wenn ich ihn gefragt habe, warum er nicht auch das Gespräch gelöscht hatte, hat er mir mit: "Vielleicht hilft es uns. Nicht jetzt, aber später." geantwortet.
Und diese Antwort bereitete mir Kopfzerbrechen.
Claras künstliche Koma hatte wenigstens ein Vorteil. Sie konnte mich nicht unterbrechen, so wie sie es normalerweise getan hätte.
"Also, was denkst du von der ganzen Sache.", fragte ich sie und sah ihr ins Gesicht, versuchte die Schläuche und die Geräte zu ignorieren. "Jetzt wo du alles weißt, musst du mir deine Meinung dazu sagen. Wie soll ich jetzt weitermachen?"
Ich brauchte eine Antwort von ihr, die brauchte ich so dringend. Sie sollte doch Scherze mit mir machen und Witze über Megan reißen, um mich so zum Lachen zu bringen.
Aber sie schwieg und das einzige, was zu hören war, waren die Geräusche der Geräte. Und diese zerdrückten mich.
Geräusche aus dem Flur ließen mich meine Tränen wegwischen. Ich rückte meinen Stuhl zur Seite, nachdem ich Claras Hand wieder vorsichtig auf das Bett legte und machte mich auf den Weg Richtung Tür.
"Oh, da ist sie ja." Justin warf seine Hand aufgebraucht in meine Richtung und ich wusste, worum es ging.
Der Polizist sah mich geduldig an. "Miss Steal, ist es-"
"Ja, er ist mein Freund und ein guter Freund von Clara. Es ist okay." Ich lächelte den Polizisten an, der kritisch zwischen mir und Justin hin und her sah, bevor er sich wieder auf seinen Stuhl setzte.
"Ich werde alle fünf Minuten ins Zimmer kommen.", betonte er und mir entfiel nicht, wie sein Blick warnend zu Justin wanderte. Dieser wiederrum warf ihm den feindlichsten Blick zu. So feindlich, das selbst ich Gänsehaut bekam.
Er griff nach meiner Hand und zog mich zurück in Claras Krankenhauszimmer.
"Dasselbe auch bei dem Cop.", beschwerte er sich.
Der andere Polizist, der vor der Tür Wache hielt, hat ihn auch nicht rein gelassen, bevor ich ihn davon überzeugen konnte.
"Du stehst eben nicht auf der Liste."
"Wow." Justin blieb vor Claras Bett stehen. "Sie sieht schon viel, viel besser aus."
"Hey, verlieb dich nicht in sie."
Er lächelte mich an und sein Blick wurde wieder wärmer. "Bestimmt können sie sie bald schon aus dem künstlichen Koma holen."
Ich sah ihm an, dass er es wirklich glaubte. Er sagte es nicht nur, um mich aufzuheitern oder mir unnötige Hoffnungen zu machen. Er glaubte wirklich daran.
"David hat mich eben angerufen. Er kommt gleich und er war schon heute Morgen bei ihr und er hat mit den Ärzten geredet. Ihre Werte sind sehr, sehr gut und sie planen schon am Dienstag oder am Mittwoch die Medikamente abzusetzen, damit sie langsam zu sich kommt."
"Alison." Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht, bevor er mich vor Glück küsste. "Warum sagst du mir das erst jetzt?"
Ich zuckte mit den Achseln und kämpfte mit den Tränen.
Die Ärzte haben es ein Wunder genannt. Clara war mein Wunder.
"Nein, nicht weinen. Das sind doch tolle Neuigkeiten."
Die Tränen platzten aus mir heraus, bevor ich sie aufhalten konnte. Gott, warum war ich nur so eine Heulsuse?
Vielleicht lag es an dem Mangel an Schlaf oder an der Scheiße, die heute schon auf mich zugekommen ist, aber ich brach in Tränen aus, bevor Justin mich überhaupt in den Arm nehmen konnte.
"Ich habe nur Angst, dass ich mir zu große Hoffnungen mache und dass, wenn sie dann auf wacht, sie diese bleibenden Schäden hat, von denen der Arzt gesprochen hat.", japste ich irgendwo zwischen Schniefen und nach Luft ringen.
"Sieh sie dir doch nur an. Sie ist immer noch die Alte und das ist sie auch im Inneren. Du wirst deine Freundin in wenigen Tagen wieder zurück haben." Er küsste meine Schläfe und ich verbot mir weiterzuheulen. Nicht hier. Nicht vor Clara, wenn die Chance bestand, dass sie mich hören konnte.
"Das weißt du doch gar nicht." Das war die Wahrheit. Er wusste es nicht. Niemand wusste es und deshalb beruhigten mich diese Worte nicht.
"Nein, das tue ich tatsächlich nicht." Er nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich dazu ihn anzusehen. Ich sah nur einen verschwommenen Kopf vor mir. "Aber ich glaube fest daran und das solltest du auch tun, anstatt immer an die "Was wäre, wenn's" zu denken."
Die "Was wäre wenn"s. Es gab so viele von ihnen. Was wäre wenn Clara nie wieder mehr aufwacht? Was wäre wenn sie aufwacht und sich nicht mehr an mich erinnern kann? Was wäre wenn sie aufwacht und sich an niemanden mehr erinnern kann? Was wäre, wenn sie nicht mehr reden oder sich bewegen kann?
So viele Fragen und es gab noch viel viel mehr.
Und niemand könnte mir diese Fragen beantworten. Ich musste warten und es gab nichts, was mich davon abbringen könnte, nicht an diese Fragen zu denken oder an die möglichen Antworten, die mir noch viel mehr Angst einjagten.
Es klopfte an der Tür und ich schaffte es endlich, diese Fragen für wenige Sekunden zu verdrängen. Ich löste mich von Justin und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, als die Tür geöffnet wurde.
"Sie hat neue Blumen bekommen.", erklärte der Polizist und hielt einen großen Blumenstrauß in der Hand. Ich lächelte leicht, weil Clara täglich von irgendwelchen Bekannten und Verwandten neue Blumen zugeschickt bekam.
Mein Lächeln verschwand jedoch, als ich den Blumenstrauß genauer betrachtete. Die vielen gelben Rosen sprangen mir ins Auge und ein Schauder ergriff meinen ganzen Körper.
Nur nebenbei bekam ich mit, wie mir der Polizist den Blumenstrauß hin hielt und mich erwartungsvoll ansah.
Ich konnte mich nicht rühren, ich spürte meinen Körper nicht mehr. Das einzige, was ich fühlen konnte war das Pochen meines Herzens. Mir wurde schwindelig und ehe ich mich versah, spürte ich Justins Arme, die mich stützten.
"Alison, was ist los?" Seine Stimme hörte sich wie ein weit, weit entferntes Echo an. Gelb war alles, was ich nun sehen konnte.
Ted war hier. Ted muss hier gewesen sein.
Ich musste etwas tun. Ich musste es Justin sagen, bevor es zu spät war. Bevor er wieder über alle Berge war und wir ihn nicht finden konnten.
Aber mein Körper erlaubte es mir nicht. Ich befand mich in einer Schockstarre.
Nur noch mein Geist funktionierte.
Och entickelte furchtbare Gedanken. Furchtbare "Was wäre, wenn"s.
Und der Gedanke daran, dass Ted hier war, in Claras Nähe, dass er ihr wieder etwas hätte antun können, ließ mich endlich handeln.
Meine Arme schlangen sich um Justins Hals und ich näherte mich seinem Ohr. Wir durften keine Fehler machen. Ab jetzt musste alles problemlos ablaufen.
"Du wirst gleich gehen und dem Polizisten sagen, dass du mir ein Glas Mineralwasser holen gehen wirst. Lass dir nichts anmerken, okay? Ich werde dir jetzt etwas sagen und du darfst es dir nicht anmerken lassen.", flüsterte ich, sodass der Polizist mich nicht hören konnte. "Ted hat diese Blumen geschickt. Er muss also noch hier sein."
Er verkrampfte sich, als ich diese Worte aussprach. Ich löste mich von ihm und blickte in sein vor Wut verzerrtes Gesicht. Ich drehte meine Augen in die Richtung des Polizisten um ihn zu signalisieren, dass er das Mineralwasser ansprechen musste.
Keine Sekunde später setzte er ein Lächeln auf, doch ich wusste, wie es in seinem Inneren aussah.
"Ich gehe dir ein Glas Mineralwasser holen. Vielleicht ist dir dann nicht mehr so schwindelig."
Ich nickte ihm zu und als ich den verwirrten Ausdruck des Polizisten registrierte, widmete ich mich wieder ihm und nahm den Blumenstrauß entgegen.
Justin verschwand aus dem Zimmer und ich bekam Angst. Furchtbare Angst.
So viele "Was wäre wenn"-Fragen und jetzt noch eine mehr.
Was wäre, wenn das nur ein Trick von Ted ist, Justin zu sich zu locken um mit ihm alleine zu sein?
Ich hatte keine Antwort darauf, aber eines wusste ich.
Ich musste die Jungs zur Hilfe holen.


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