In der Falle
Dánirah folgt Berim durch einen Seiteneingang in den Palast. Der Krieger war sehr schweigsam, als er sie in Naiins Gasthaus abholte. Er meinte nur, Liha benötige ihre Anwesenheit im königlichen Palast. Nach den Träumen der letzten Nacht war sie davon nicht weiter überrascht. Der dunkelhaarige Krieger führt sie durch den Teil des Palasts, der den Wachen vorbehalten ist. Die Männer, denen sie begegnen, grüßen Berim respektvoll und werfen der Frau in seiner Begleitung neugierige Blicke zu. Der Halb-Tanna genießt bei den Truppen des Königs offensichtlich ein hohes Ansehen, trotz seiner Herkunft. Dánirah zieht sich ihren Schal um die Schultern. Es ist kalt hinter den dicken Mauern. Sie überqueren einen Hof, in den kaum ein Sonnenstrahl fällt, und steigen eine lange, gedeckte Treppe hinauf. Berim öffnet eine Tür, die in einen großen und überraschenderweise sonnendurchfluteten Raum führt. Dánirah atmet auf und tritt an eines der Fenster. Es erlaubt einen guten Blick nach Süden, über die Dächer von Penira. Sie wendet sich zu ihrem Begleiter um.
«Berim, wir haben uns lange nicht gesehen. Wie geht es dir?»
«Mir geht es gut, Wahrträumerin. Aber ich mache mir Sorgen um Talai und den jüngsten Prinzen. Er zeigt Zeichen einer magischen Begabung.»
Dánirah zieht überrascht die Augenbrauen hoch. Aber bevor sie Berim antworten kann, öffnet sich die Tür und Liha betritt den Raum. Mit wenigen Schritten steht er vor der Tanna und nimmt ihre Hände.
«Danke, dass du sie so rasch hergebracht hast, Berim. Dánirah, ich möchte, dass du jemanden kennenlernst. Sie werden bestimmt gleich hier sein.»
«Du sprichst von Kerim, dem Prinzen?»
«Nein, wie kommst du darauf?»
«Ich habe von ihm geträumt. Er braucht Hilfe. Du solltest ihn zu Dánan bringen lassen, bevor es zu spät ist.»
«Nun, Berim hat mir bereits das gleiche geraten. Aber Pentim wird das nicht zulassen, du weißt was er über Magier denkt.»
«Liha, der Junge wird sterben, wenn er nicht rechtzeitig die richtige Ausbildung erhält.»
Der Drache von Kelèn blickt von Dánirah zu Berim. Die Wahrträumerin ist froh, dass der erfahrene Krieger gleicher Meinung ist. Da öffnet sich die Tür und Mirim betritt den Raum. Ihm folgt eine junge Frau mit langem schwarzem Haar. Lächelnd tritt sie auf die Wahrträumerin zu.
«Dánirah! Ich hoffte, dich in Penria zu treffen und war enttäuscht, als ich dich im Palast nicht finden konnte. Thisàn hat mir gesagt, du seist hierhin unterwegs. Wie geht es dir?»
«Danke, Miràn, soweit gut. Was machst du hier?»
«Dánan schickte mich los, um herauszufinden, was es mit dieser Krankheit auf sich hat. Mirim brachte mich nach Penira. Wir haben heute den ganzen Tag kranke Kinder besucht. Es sieht so aus, als ob alle an etwas anderem leiden, als der Krankheit, die ich in Zalkenar gesehen habe. Das ist gut für die Kinder, denen ich helfen konnte, bringt uns aber nicht weiter.»
«Ich habe auch beobachtet, dass im Haontal die Krankheit mehr Opfer verlangt als hier in den Hügeln. Vielleicht hat die Krankheitsursache etwas mit der Feuchtigkeit zu tun?»
«Das ist möglich. Oder sie wird von Insekten übertragen, die nur im Sumpfland vorkommen. Ich sollte vielleicht besser nach Zalkenar zurückkehren und weiter mit Thisàn nach der Ursache und einem Heilmittel suchen. Schattenmagie vermag dort nicht zu helfen. Ich kann den kranken Kindern Energie schenken, aber sie nicht wirklich heilen.»
«Ich bin ziemlich sicher, dass Heilung von anderer Seite kommen wird.»
«Die Frau, mit der du unterwegs warst? Thisàn hat mir davon erzählt. Sie meinte, deine Träume seien stark, mit ihr. Wer ist diese geheimnisvolle Fremde?»
Dánirah blickt Liha fragend an. Der Drache von Kelèn überlegt einen Moment und fährt sich mit der Hand durch das kurz geschnittene Haar, bevor er zu einem Entschluss kommt.
«Sag es ihnen, Dani. Vorgestern ist hier ein Bote angekommen, den Numesh schickte. Es sieht so aus als ob er ihre Spur gefunden hat. Wir werden entscheiden müssen, was als nächstes zu tun ist. Silish schläft noch, er muss beinahe ununterbrochen von Haonjit hierher geritten sein. Aber er erwartet Befehle, um sie zurück zu Numesh zu bringen.»
Dánirah nickt. Sie sieht Miràn in die Augen, ist sich aber der Anwesenheit Mirims bewusst.
«Nun, die junge Frau, von der du sprichst, ist Talai von Kelèn, Tochter des Morgensterns.»
«Talai? Wie meine verschollene Schwester Talai? Ich habe erst kürzlich erfahren, dass sie bei einem Überfall umgekommen sein soll. Dann behauptete Kerim, sie lebe noch, und nun das. Was hat das alles zu bedeuten? Und was ist eine Tochter des Morgensterns?»
Liha blickt Mirim streng an.
«Beruhige dich, Mirim. Deiner Schwester scheint es gut zu gehen, wenn ich Dánirah richtig verstehe. Dass sie nicht nach Penira zurückkehrte, war ihre eigene Entscheidung.»
Der junge Prinz ist aufgebracht. Berim, der von der ganzen Geschichte ebenfalls zum ersten Mal hört, nimmt ihn beruhigend am Arm. Von seinem alten Waffenmeister lässt Mirim sich dies gefallen. Dánirah ist froh, dass die Geste wirkt. Es ist wohl an der Zeit, die ganze Geschichte zu erzählen.
«Ich begegnete Talai in Haonjit. Meine Träume führten mich zu ihr, ich wusste zunächst nicht, wer sie ist, nur dass sie in den kommenden Ereignissen eine wichtige Rolle spielt. Wir reisten zusammen bis Zalkenar. Dort hießen die Träume uns, getrennte Wege zu gehen. Talai zieht nun nach Nirah, auf der Suche nach einer Heilung für die Krankheit. Ich wurde nach Penira gesandt, bestimmt um euch heute zu berichten. Aber letzte Nacht hatte ich einen neuen Traum. Er betraf Kerim.»
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Talai
FantasíaNach einem Überfall findet sich die rebellische Tochter des Sonnenkönigs allein in einem fremden Land - einem Land, dessen Kinder von einer tödlichen Krankheit heimgesucht werden. Auf dem langen Weg nach Hause findet Talai überraschend Hilfe und Fre...