DREI

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3 Monate zuvor

Nora's Sicht

Einsamkeit, ein Zustand, der bei mir tagtäglich ein und ausging. Er wurde zu meinem ständigen Begleiter und „Mitbewohner". Nein, es war nicht immer so, es gab tatsächlich auch andere Zeiten. Zeiten, in denen ich glücklich war. Das war so lange her und doch reichte ein bloßer Gedanke, ein Gefühl oder ein Song aus und alles kam wieder hoch.

Ich saß im Wohnzimmer auf meiner Couch und verbrachte meinen Nachmittag damit, meinen Gedanken Raum zu geben und wusste doch, dass ich irgendetwas an meinem Leben ändern musste. So konnte es nicht weitergehen. Jedoch kam ich zu keinem Ergebnis und das ärgerte mich jetzt gerade wirklich sehr.

Zwischendurch hatte ich das Radio angemacht, welches im Hintergrund leise Musik spielte. Nachdem ich zu keinem wirklichen Ergebnis kam, wie ich es angehen sollte, schnappte ich mir die Zeitung und begann lustlos drin herum zu blättern, als ein Song meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Einer, den ich nie wieder hören wollte.

Augenblicklich liefen mir meine Tränen mein Gesicht herab und ich wusste, es war mal wieder soweit. Ich bekam mich gar nicht mehr ein, alles drumherum blendete ich aus, die Zeitung fiel im hohen Bogen zu Boden. Ich schlug immer wieder meine Hände gegen die Wand, sackte schließlich erschöpft zusammen. Zu stark waren die Bilder, die wieder vor meinen Augen auftauchten, mich gefangen nahmen. In diesem Zustand war ich absolut machtlos gegenüber mir selber und meinem Körper.

Rückblende

Ich sah sie alle wieder. Wie wir zusammen am Feuer saßen, wie glücklich wir gewesen waren. Uns konnte nichts und niemand etwas. Wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel und verbrachten jede freie Minute zusammen. Ich hatte dort das, was ich in meinem Leben nie hatte. Freunde. Mit ihnen fühlte ich mich angekommen. Besonders mit Basti, er war meine Zuversicht, meine Heimat, mein „großer Bruder". Doch uns blieb nur wenig Zeit zusammen. Das Schicksal hatte einen anderen Plan und an dieser Stelle begann, was zu meinem Ende werden sollte.

Es war ein schöner, sonniger Tag. Basti war auf dem Weg zu mir, um seine bestandene Prüfung mit mir zu feiern. Ich freute mich sehr auf ihn und wartete vor meinem Haus. Es dauerte nicht lange und ich hörte sein Motorrad schon knattern. Noch eine Kurve und er würde vor mir stehen.

Aufgeregt schaute ich ihm entgegen, als ich ein Mordsgeschepper und quietschende Reifen vernahm. Vollkommen erschrocken und voller Sorge lief ich in die Richtung, aus der der Krach kam. Was ich dort vorfand, ließ mich erstarren. Blut, überall Blut, Teile vom Motorrad und Basti mittendrin unter einem LKW.

Tränenüberströmt lief ich so schnell ich konnte zu ihm. „Basti, hey mein Lieber, halte bitte durch. Ich bin hier." Ich zog mein Handy aus der Hose und wählte den Notruf. Ich beugte mich zu ihm und sah ihm in die Augen. Sie blickten mich so kalt an, wie ich sie noch nie bei ihm gesehen habe, aber er atmete noch. „Basti, bitte bleib bei mir, ich kann doch nicht ohne Dich, bitte lass mich nicht allein" schrie ich ihn bittend an. Doch er reagierte nicht mehr. Ich nahm seinen Kopf in meine Arme und erzählte ihm von unserer gemeinsamen Zeit. Ich fühlte nichts mehr, auch nicht, dass der Notarzt kurz darauf da war und mir versuchte zu erklären, dass mein bester Freund gerade gestorben war. Völlig unter Schock knallte ich auf den harten Boden der Tatsachen zusammen und blieb regungslos liegen.

Es dauerte lange, bis ich mich davon erholt hatte. Wieder zu leben begann, wenn man das „leben" nennen konnte. Die anderen versuchten, für mich da zu sein, taten ihr Bestes. Ich jedoch konnte nicht mehr lachen oder glücklich sein. Alles was vorher positiv war, war nur nur schwarz für mich. Ich ging langsam aber sicher ein.

Unsere Gruppe zersprang daran nach und nach. Einige hielten es nicht aus und begingen Selbstmord, andere hatten schwere Unfälle oder erkrankten schwer und kamen nie wieder. Es war wie ein Fluch, der über uns, mir lag. Ich konnte mich nie mehr erholen und dachte mehr als ein paar Mal darüber nach, ihnen zu folgen. Ich fühlte nichts als unbändige Wut und Trauer und konnte mich selber einfach nicht mehr leiden. Ich war so kalt zu mir selber, als wäre ich selber mein eigener Feind. Immer wieder gingen mir die gleichen Gedanken durch den Kopf, warum gerade mir das passierte. Ich fand einfach keine Antwort. Ich war mutlos, zutiefst erschüttert und vor allem war ich mit all dem absolut einsam. Ich hatte nun absolut niemanden mehr in meinem Leben.

Rückblende Ende

Mühsam richte ich mich auf, wischte mir meine Augen mit dem Ärmel meines Pullovers ab und ging ins Bad. Im Spiegel blickte ich mir in meine Augen. Müde, traurig, kalt, wütend und von dicken Augenringen umgeben, blickten sie mir entgegen. Und doch entdeckte ich ganz hinten etwas, was ich dachte, schon vergessen zu haben. Stolz, Würde und Entschlossenheit. Egal, wie es weitergehen würde in meinem Leben, dies würden sie mir nie nehmen können. Niemals. Diese drei Dinge waren meins. Ich muss etwas ändern, das stand fest. Entschlossen nickte ich mir zu und wusch meinen Frust von mir. Ich ging in die Küche, trotz aller Trauer, die diese Erinnerungen aufgerüttelt hatten, hatte ich Hunger. Für meinen Kampf gegen mich brauchte ich Energie und so warf ich mir eine Pizza in den Ofen.

Auf dem Weg zur Couch schaltete ich das Radio aus, nahm meine Kopfhörer, stöpselte sie an meinen MP3 Player an und sofort vernahm ich meine Lieblingsmusik. Sie ließ mich vergessen und abschalten. Ich ließ mich auf meine gemütliche Couch fallen und sang leise vor mich hin mit.

Meine Wohnung war entsprechend meinem Typ sehr einfach eingerichtet. Zumal meine kleine ein Zimmer Wohnung eh nicht viel Platz her gab. Ich hatte ein Bett, einen Holztisch, meine Lieblingscouch und ein Sideboard, auf dem mein Fernseher und drunter die Anlage stand. Meine Bücher waren auf einem Regal an der Wand angeordnet, ein paar Pflanzen standen auf den 2 Fensterbrettern. Mehr brauchte ich nicht. Ich war ein einfacher Mensch und brauchte nicht viel zum Leben. Küche und Bad waren auch nur mit dem nötigsten eingerichtet. Meine Wohnung sah meinem Inneren sehr ähnlich. Nichts liebevolles, nichts besonderes, einfach nur funktional.

Während ich darüber nachdachte, meldete sich mein Ofen und ich nahm die Pizza heraus, legte sie mir auf einen Teller und ging wieder ins Wohnzimmer, auf meinen Platz auf der Couch. Mit einem Hunger, den ich schon lange nicht mehr gespürt habe, schlang ich die Pizza in mich herein. Langsam beruhige ich mich merklich, auch wenn ich die Leere in mir noch deutlich fühlte. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass es schon dunkel war. Kurz putzte ich mir noch meine Zähne und ging ins Bett. Ich hatte Angst schlafen zu gehen, mich plagten regelmäßig Alpträume, aber ich war so erschöpft. Als mein Kopf mein Kissen fand, war ich schon eingeschlafen.

Lost LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt