ACHTZEHN

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Ellens Sicht

Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, schließe ich für einen Moment meine Augen und atme tief durch, bevor ich mich auf den Weg zu meinen Kollegen ins Verhörzimmer mache. Als ich vor der schweren Tür stehe, muss ich mich wirklich sehr zusammenreißen, diesen Typen nicht sofort in der Luft zu zerreißen. Ich fühle so eine starke Wut auf ihn, dass ich platzen könnte. Am liebsten würde ich ihn sofort selber verhören, jedoch sind mein Chef und sein Kollege darin einfach besser ausgebildet, womit ich mich leider mit der Rolle der Wartenden abgeben muss. Auch wenn mir das nicht gefällt, so muss ich es wohl oder übel akzeptieren. Angestrengt atme ich nochmal tief durch und klopfe kurz, bevor ich die Klinke herunter drücke.

Als die Tür aufspringt, hebt er seinen Blick zu mir und ich sehe nur wieder sein fieses Grinsen. „Du scheinst Dir ja sehr sicher zu sein, aber nicht mit mir Arschloch. Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass Du die Hölle auf Erden erleben wirst" denke ich mir und löse meinen Blick wieder von ihm. Mit einem kurzen Handzeichen deute ich meinem Chef an, dass er bitte kurz mit raus kommen soll, was er auch sofort tut. Als wir beide vor dem Verhörzimmer stehen und mir mein Chef tief in die Augen sieht und mich fragt, wie es Dir geht, antworte ich ihm kurz, dass Du aufgewacht bist und es Dir einigermaßen gut geht. „Und Dir? Wie geht es Dir?" fragt er mich kurz. Seine dunklen Augen mustern mich eingehend. Er ist ein gut aussehender Mann um die 50, dunkle, kurze Haare und ein gepflegter Bart runden sein freundlich blickendes, markantes Gesicht ab. Er trägt eine dunkle Jeans, Boots und ein dunkles Hemd. Wir haben uns damals, als ich hier anfing, schon sehr gut verstanden und pflegen ein freundschaftlich, kollegiales Miteinander. Wofür ich ihm auch sehr dankbar bin.

„Ellen, wie geht es Dir?" fragt er mich nochmal, als ich ihm nicht sofort antworte. „Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Ich muss für jetzt für meine Frau stark sein, Paul " antworte ich ihm. „Ich bin auch nur kurz hier, weil ich Dir Bescheid geben wollte, dass wir gleich heim fahren, wenn Du was weißt, egal was, ruf mich bitte sofort an, egal wann" ergänze ich noch eindringlich und sehe ihm dabei energisch in die Augen. Er nickt mir zu und drückt mich kurz an sich. „Pass auf Dich auf und friß es nicht in Dich rein. Wenn Du reden willst, komm bitte zu mir und tue bitte nichts unüberlegtes, ja?!" sieht er nun mich mahnend an. Ein leises Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, dankbar für diese Geste von ihm und ich nicke ihm zu. „Ich muss wieder zurück, ich will sie nicht so lange allein lassen. Hat er schon was dazu gesagt?" frage ich ihn angespannt. „Noch nicht, aber wir geben unser Bestes, vertrau mir." antwortet er mir und dreht sich um, um wieder zurück ins Verhörzimmer zu gehen.

Wütend drehe ich mich ebenfalls um und gehe zwei Schritte, als mir noch was einfällt. „Paul, noch was, er hat sie schon mal versucht, zu ermorden, schau bitte im Computer nach. Vielleicht kannst Du mit der Information, dass wir das wissen, bei ihm was bewirken und er redet endlich." Aufmunternd nickt er mir zu und ich gehe schnurstracks zurück in mein Büro. Als ich vor meiner Bürotür stehe, bin ich noch immer unglaublich wütend und kann es nicht fassen, dass wir sein Motiv noch immer nicht wissen. Ich habe zwar eine Ahnung, was dahinter stecken könnte, aber Ahnungen müssen nicht unbedingt zur Wahrheit werden, denke ich mir. Wütend ballen sich meine Fäuste und ich spüre eine unglaubliche Anspannung in mir. „Verdammter Mist nochmal" spreche ich leise zu mir. „So kann ich auf jeden Fall nicht zu Dir reingehen" denke ich mir und atme erst einige Male tief durch und versuche, meine eigene Anspannung loszuwerden. Nach einigen Versuchen lösen sich meine Fäuste wieder und ich bin zumindest nicht mehr ganz so wütend.

Leise öffne ich die Tür und trete in mein Büro, schließe die Tür hinter mir wieder. Lächelnd sehe ich Dich schlafend auf meiner Couch liegen und setze mich zu Dir, streichel Dir sanft über Dein Haar, überlege ob ich Dich wecken oder lieber weiter schlafen lassen soll. Dein Gesichtsausdruck ist so entspannt und friedlich, unmöglich kann ich Dich jetzt wecken. Du brauchst den Schlaf, alles was jetzt auf uns zukommt, wird uns soviel Kraft und Mut fordern, so entscheide ich mich für letzteres und schließe selber für einen Moment meine Augen.

Lautes Schreien und Wimmern weckt mich aus meinem Schlaf und ich bin kurz irritiert, was los ist. Ich öffne meine Augen und sehe Dich tränenüberströmt und Dich wild hin und her werfend neben mir liegen. „Nora hey..wach auf...ich bin hier" versuche ich Dich zu wecken und nehme Dich fest in meine Arme, streichele über Deinen Rücken, küss Dich sanft auf Deine Wange. „Prinzessin...ganz ruhig...wach auf...er ist nicht hier, er kann Dir nichts mehr tun" spreche ich beruhigend auf Dich ein. Seufzend öffnest Du Deine Augen, schaust mich für einen Augenblick irritiert an und drückst mich dann so fest Du kannst an Dich und beginnst, unglaublich stark an zu weinen. Es zerreißt mir mein Herz, Dich so leiden zu sehen. „Ich bin hier, ich bin da für Dich Prinzessin. Er kann Dir nichts mehr tun" spreche ich leise zu Dir. Ich spüre, wie Dein Körper unter dem Weinkrampf zittert und sich schüttelt. Ich streiche Dir weiterhin sanft über Deinen Rücken und halte Dich fest in meinen Armen, bis Du Dich langsam wieder beruhigst.

Sanft löst Du Dich von mir und schaust mir mit verweinten Augen in meine. „Was ist passiert?" flüsterst Du leise. „Du hattest einen Alptraum" antworte ich Dir leise. Sanft streiche Dir über Deinen Kopf und küsse Dich vorsichtig auf Deine Stirn.

„Weißt Du schon was Neues?" fragst Du mich angespannt und ich schüttle meinen Kopf. Traurig blickst Du mir entgegen und ich ziehe Dich wieder an mich, so fest ich kann. „Ich verspreche Dir, mit allem was ich bin, mit allem, womit ich Dich liebe, mit allem was mich ausmacht, ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass dieses Arschloch Dir nie wieder zu nahe kommen wird und den jämmerlichen Rest seines Lebens im Knast verrotten wird" murmele ich mit fester, ernster Stimme zu Dir und küsse Dich sanft auf Deinen Haaransatz.

Erstaunt schaust Du mir für eine lange Zeit in meine Augen und beginnst ganz zaghaft zu lächeln, bevor Du mich das erste Mal, seit wir aus der Bar raus sind, wieder küsst. Liebevoll und sachte erwidere ich Deinen Kuss und spüre, wie mich Deine Liebe sanft beginnt, zu umspülen und mich nach kurzer Zeit vollends ausfüllt. Das ist das, was dieses Arschloch nicht geschafft hat, uns zu nehmen, denke ich noch, bevor ich mich in dieses wunderschöne Gefühl hineinfallen lasse.

Foto: Paul - Ellens Chef

Lost LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt