Gemeinsam gingen wir wieder zurück ins Studio, wo uns Ellen nun die erste Übung erklärte, die wirklich nicht schwer war. Es ging darum, mit einem wirklich lauten „STOP" jemanden aufzuhalten. Nachdem die 4 Mädels dran waren und nicht wirklich laut schreien konnten und ich mich schon heimlich ins Fäustchen lachte, weil kein Täter der Welt sich dadurch abgeschreckt fühlen wurde, war ich nun an der Reihe. Ellen suchte meine Augen, fixierte diese und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich wusste nicht, woher ich in diesem Moment meinen Mut nahm, aber ich brüllte ihr ein sehr hartes, sehr lautes „STOP" entgegen. Ich sah in ihren Augen einen Moment lang ein unwirkliches Erstaunen, woraus sich aber schon 1 Sekunde später ein amüsiertes Lächeln ergab. Ermutigend klopfte sie mir auf die Schulter und meinte „sehr gut gemacht".
Woher dieses plötzliche Gefühl der Sicherheit in meiner Stimme kam, konnte ich nicht einordnen. Vielleicht war auch noch ein Rest von Wut in meinem Kopf gewesen, ich kann es nicht sagen. Ich fühlte mich nach ihrem Kompliment so gut, ich war hin und weg von ihr. Das was ich hier tat, tat mir unglaublich gut und sie spielte dabei für mich bereits eine größere Rolle, als ich es mir eingestehen wollte. Der weitere Unterricht verlief ohne Zwischenfälle und so gingen die 2 h unglaublich schnell herum. Ich spürte in mir eine Kraft und Klarheit, ich wusste nun, dass es tatsächlich genau das war, was ich für mich brauchte. Und das würde ich nicht mehr hergeben.
Nachdem Ellen sich von den anderen verabschiedet hat, kam sie wieder zu mir. Ich hatte im Studio auf sie gewartet und mir wurde leicht übel, wusste ich ja noch, was mir nun bevorstand. „Nora?" fragte sie mich, da ich mal wieder in Gedanken war. „Ja, Ellen?" fragte ich zurück und blickte in ihr wunderschönes, zartes Gesicht. „Was hälst Du davon, wenn wir woanders reden, als hier? Irgendwo wo es gemütlicher ist?" Ihre Augen strahlten mich an und ich nickte ihr zu. „Ok, dann auf auf" neckte sie mich und ich zog mich so schnell wie noch nie um und wir verließen gemeinsam das Studio.
„Ähm Ellen, wohin..." setzte ich an, sie zu fragen, jedoch unterbrach sie mich mit einem „Psst, lass Dich überraschen" und ging zielstrebig auf ihr Auto zu. Ich mochte sie und irgendwie hatte ich auch ein bisschen Vertrauen in sie gewonnen, immerhin war sie Polizistin, aber konnte ich einfach so mit ihr im Auto irgendwo hin fahren. Sie bemerkte wohl mein Zögern und kam nochmal zurück zu mir. Sie blickte mir mit ihren wunderschönen blauen Augen tief in meine und meinte nur „Vertrau mir, Nora", nahm meine Hand und zog mich mit sich zum Wagen. „Ich verspreche Dir, es wird Dir nichts geschehen" flüsterte sie mir noch zu, als sie mir die Tür aufhielt und ich mich langsam auf den Sitz gleiten ließ.
Sanft schloss sie die Tür und beeilte sich ebenfalls auf der Fahrerseite Platz zu nehmen. Ich atmete tief den Geruch dieses Autos ein, es war ein Mix aus Leder, ihrem unglaublich gut riechenden Parfüms und etwas ganz Eigenem, individuellem, was nur zu ihr gehörte. „Bereit?" fragte sie mich und ich nickte ihr zu. „Sehr gut, schnallst Du Dich bitte noch an?"
„Die Polizei fährt mit" erwiderte ich amüsiert, schnallte mich an und sie lachte leise auf. Dieses Lachen war so ehrlich und von Herzen, dass ich mit einstimmte.Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, schaute sie mir erneut tief in meine Augen. Wieder konnten wir uns nicht voneinander lösen, sahen uns einfach nur an. Die Zeit blieb stehen für diesen Moment. Es fühlte sich so gut an, ich war mir sicher, dass sie mir jetzt schon wichtiger war, als jeder Mensch vorher. So etwas hatte ich noch nie gefühlt. Je länger wir uns ansahen, umso klarer wurde mein Gefühl für sie. Sie hatte mich mit ihrer ganzen positiven Art bereits gefangen genommen und es schien so, als würde sie das auch nicht so schnell ändern wollen. Ich war dabei, mich in ihr zu verlieren.
Bis uns irgendwie ein penetrantes Klingeln wieder auftauchen ließ. Gehetzt nahm sie ihren Blick von mir und ließ ihn zu ihrer Tasche wandern, sah aber nicht nach. Ich nahm an, es kam von ihrem Handy. „Das hier ist gerade wichtiger" meinte sie zu mir, sah mich nochmal kurz lächelnd an und starte den Motor. In ruhigem Tempo und aufgeregter Stille lenkte sie den Wagen durch die Straßen und nach kurzer Zeit waren wir schon vor einem kleinen Häuschen angekommen, was auf mich den Eindruck eines kleinen Hexenhäuschens machte.
Fasziniert schaute ich mir das Haus an und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es sah wirklich so aus, wie das Haus von der Hexe aus Hänsel und Gretel. Klein, aber fein und total urig. Ich liebte es schon jetzt. Voller Vorfreude und einem strahlenden Lächeln fragte ich an Ellen gewandt „Deins?" Amüsiert musterte sie mich und nickte mir zu. „Gefällt es Dir?" „Ich liebe es schon jetzt" antworte ich lächelnd. „Das gefällt mir. Na dann, kommst Du mit rein?" Kurz überlegte ich, aber ich wollte es unbedingt aus der Nähe betrachten, und wenn ich schon mal da war, warum nicht. „Sehr gerne" antworte ich ihr gespannt.
Wieder öffnete sie mir die Autotür, bot mir ihre Hand zum Festhalten an und zog mich so leicht aus dem Wagen. Als ich neben ihr stand ließ sie meine Hand nicht los und so gingen wir gemeinsam zum Eingang ihres, in meinen Augen, verzauberten Hauses. Als sie die Eingangstür aufschloss, drehte sie sich nochmal kurz um, drückte auf einen Knopf an ihrem Schlüssel und verriegelte so ihr Auto. „Komm rein" meinte sie zu mir und bot mir mit einer einladenden Geste an, einzutreten. Eilig trat ich mir meine Schuhe ab und folgte ihrer Einladung. Schnell zog ich mir meine Schuhe aus, hängte meine Jacke an ihre Garderobe, bevor ich meinen Blick langsam durch ihren Flur gleiten ließ.
„Schön, dass Du da bist" meinte sie leise zu mir und lächelte mich an. „Danke, dass Du mich mitgenommen hast" antwortete ich ihr ebenso leise und lächelte zurück. Erneut nahmen mich ihre blauen Augen ins Visier und saugten sich an mir fest. Ich konnte und ich wollte auch gar nichts anderes, als sie anzusehen. Natürlich juckte es mir in den Fingern, zu erfahren, wie dieses wunderschöne Haus innen aussah, wie es eingerichtet war, aber jetzt war nur sie wichtig. Und ich genoss diese neue Art der Aufmerksamkeit in vollen Zügen. Ich kannte so etwas absolut gar nicht, es war neu aber es war auch so gefühlvoll, ich war ihr schon vom ersten Augenblick verfallen, dass wurde mir nun langsam immer klarer.
Und doch mischte sich ganz hinten in meinem Kopf ein Gedanke ein, der diese wunderschöne Stimmung empfindlich störte. Denn es gab ja noch den Grund, warum wir zusammen hier waren. Ellen spürte wohl meine trüben Gedanken und meinte zu mir, dass sie sich nur schnell was anderes anziehen geht und ich mich gerne umsehen könne. Mit eiligen Schritten ging sie von mir weg und verschwand so aus meinem Blickfeld. Langsam begann ich mich umzusehen und vieles, was ich sah, gefiel mir wirklich sehr. Ihr Haus war ganz ihrem Stil nach eingerichtet, sehr modern, aber trotzdem unglaublich gemütlich.
Eine große dunkle Couch stand in der Mitte ihres Wohnzimmers, darauf eine helle Decke, die über der Lehne lag. Vor der Couch ein weißer Hochflorteppich, der gerade dazu einlud, sich drauf zu lümmeln, darauf ein kleiner Glastisch. Eine metallene Stehlampe stand neben der Couch und etwas nach hinten versetzt ein großer heller Holztisch mit 4 Stühlen, welcher wohl die Essecke darstellte. Ein ebenso helles Sideboard ergänzte den Raum, dort standen ihr Fernseher und ihre Anlage. Ein wunderschöner alter, dunkler Holzfußboden ergänzte den Raum. An den Wänden hingen viele Fotos, die sie selber oder mit Freunden, Familie zeigten. Auf allen war sie glücklich und sie schien sehr beliebt zu sein. Alles in allem ergab es ein stimmiges Bild und ich fühlte mich sofort wohl.
„Gefällt's Dir?" fragte mich Ellen und ich drehte mich um. Schmunzelnd schaute sie mich an, während sie lässig im Türrahmen stand. „Ja, es ist wunderschön" antwortete ich ihr und ging langsam auf sie zu, blieb vor ihr stehen und musterte sie. Sie trug jetzt eine leichte dunkle Hose und ein helles, weites Shirt, was ihr sehr gut stand. „Gut, was möchtest Du trinken?" fragte sie mich. „Wasser wäre gut" antworte ich ihr. „Ok, setz Dich gerne schon mal, ich komme sofort" meinte sie zu mir und verschwand in die Küche. Ich brauche einen klaren Kopf, für das was jetzt kommt, überlegte ich, während ich mich auf die Couch setzte und angespannt auf sie wartete.
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Lost Love
Romans2 Liebende. Für immer, dachten sie. Doch manchmal schlägt das Schicksal unerbittlich zu. Einfach so. Unvorbereitet. Hättest Du alles anders gemacht, als Du es bis dahin getan hast? In diesem Moment? Vergiss es, es ist eh zu spät. Du kannst nichts...