Gegen halb acht, stand ich bei Hannah vor der Tür. Wir setzten uns in ihr Wohnzimmer. „Also, was musst du mir denn so dringend mitteilen?" Ich sah sie erwartungsvoll an und nahm einen Schluck Cola. Hannah sah so aus, als wüsste sie nicht recht, wie sie mir ihr Anliegen erzählen sollte. „Du erinnerst dich doch noch an Paul, oder? Der, der den Abend auch da war." Doofe Frage. „Also ich weiß nicht wie ich es sagen soll....aber... du musst mir helfen. Ich weiß nicht so recht was ich tun soll. Also, naja. Paul gefällt mir, weißt du? Schon länger. Wir verstehen uns auch echt gut. Ich hab mich die ganze Zeit, aber nicht getraut den ersten Schritt zu machen und als Robin den Abend noch mit bei mir war, hat er mich drauf angesprochen, dass ihm aufgefallen ist, dass da was ist und er hat versprochen mal vorsichtig raus zu finden, wie es bei Paul aussieht und heute morgen hat er mir erzählt, dass Paul mich auch mag und jetzt weiß ich nicht was ich machen soll." Uih. Das klang kompliziert. Ich konnte sie voll verstehen, dass sie nicht weiter wusste. Den ersten Schritt zu machen, ohne zu wissen wie der andere zu einem steht, ist schwer. Den ersten Schritt zu machen, obwohl man weiß, dass der andere einen mag, ist aber leider auch nicht einfacher. „Wie wäre es denn, wenn du ihn mal fragst, ob ihr nicht mal zu zweit ausgehen wollt. Was trinken oder essen gehen oder vielleicht ins Kino?" Hannah schien kurz zu überlegen. „Ich weiß nicht. Wobei. Ich hab die Idee. Ich frage Paul ob wir nicht zusammen feiern gehen wollen und du und Robin kommt mit. Dann fühle ich mich sicherer. Und die Situation ist nicht so peinlich, wenn ich sagen kann das war kein Date sondern einfach nur ein Treffen unter Freunden." Naja, so eine tolle Idee war das eigentlich nicht. Ich konnte zwar verstehen, dass sie mich und Robin gerne dabei hätte, aber ich war nicht scharf darauf den Typen wieder zu sehen. Dennoch wollte ich ihr den Plan nicht vermasseln, schließlich war sie meine Freundin und ich gönnte ihr auch ihr Liebesglück. „Wen du meinst, dass das ein guter Plan ist und alle da so mitspielen, dann bin ich dabei." Hannah lächelte breit und nahm mich zum Dank in den Arm.
Es dauerte keine 3 Tage bis Hannah alles organisiert hatte. Wir würden uns mit Paul und Robin in Pauls Stammkneipe treffen. Hannah war den ganzen Nachmittag über, schrecklich nervös und ich hatte Mühe sie halbwegs zu beruhigen. Ich half ihr ein Outfit für den Abend zu finden und ihre Haare ein wenig zu machen. Allerdings sollte es auch nicht zu auffällig sein, dass sie sich extra für Paul hübsch gemacht hatte. Ich hatte mir lediglich eine Jeans und ein Shirt angezogen, schließlich wollte ich ja keinen Mann beeindrucken. Auf dem Weg zum Lokal, philosophierte Hannah darüber, wie toll Paul war und wieso sie ihn so gerne mochte. Das ganze brachte mich wirklich zum strahlen. Es war nicht zu überhören, dass es sie ganz schön erwischt hatte. Als wir das Lokal betraten, waren Robin und Paul schon da. Sie hatten bereits einen Tisch gekapert und sich ein Bier gegönnt. Wir setzten uns zu den beiden und bestellten uns ebenfalls etwas zu trinken. Hannah war erstaunlich ruhig. Man merkte ihr wirklich an, dass sie schrecklich nervös war. Aber nach dem ersten Kölsch, taute sie langsam auf und das Gespräch an unserem Tisch wurde immer ausgelassener. Ich beteiligte mich auch, soweit ich konnte, am Gespräch und musste feststellen, dass man sich erstaunlich gut mit Robin unterhalten konnte, zumindest solange sich Hannah und Paul ebenfalls in das Gespräch einmischten. Nach einiger Zeit beschloss ich, dass es Zeit wurde, Hannah und Paul alleine zu lassen, damit die beiden Zeit für sich hatten und Hannah hoffentlich auf ihre Gefühl für Paul zu sprechen kam. Ich stieß unter dem Tisch Robin etwas an, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Als er mich etwas fragend ansah, deutete ich mit einem Kopfnicken auf Hannah und Paul, welche sich angeregt unterhielten. Mit der Begründung auf die Toilette zu müssen, verließ ich den Tisch. Ich musste tatsächlich Mal. Als ich wieder auf den schmalen Flur trat, welcher von den Toiletten, wieder in den Gastraum führte, stieß ich mit Robin zusammen. Er war gerade aus der Männertoilette getreten. „Huch, nicht so eilig." Ich hatte reichlich Schwung und er musste mich festhalten, damit ich nicht umfiel. „Oh, Sorry." Nachdem ich ihm mit einem Blick auf seine Hand, welche mich noch immer an der Schulter festhielt, signalisiert hatte, dass er mich loslassen sollte, sahen wir uns etwas ratlos an. „Und was machen wir beide jetzt? Ich glaube selbst wenn wir 10 Minuten warten hilft das nicht. Ich würde sagen wir gehen. Willst du nach Hause?" Gute Frage. Wollte ich nach Hause? Ich zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht. Ich denke mal. Hab keine Ahnung, was ich den Abend sonst machen soll." Robin schaute für einen Moment auch ziemlich ratlos aus. „Dann werde ich dich auf jeden Fall nach Hause begleiten, bis zu euch ist es ja nicht so weit. Fahren können wir ja beide nicht mehr." Da hatte er ausnahmsweise mal Recht. Na gut. Ich hätte auch nicht fahren können, wenn ich nicht getrunken hätte. Ich hatte nämlich keinen Führerschein. „Du musst mich nicht nach Hause bringen. Ich bin schon groß. Ich finde den Weg alleine." Ich versuchte das ganze mit einem Lachen freundlicher zu machen. Ich musste zugeben, dass ich nicht wirklich Lust hatte, mich von ihm nach Hause bringen zu lassen. Andererseits war es bereits spät und besser eine schlechte, als gar keine Gesellschaft. „Quatsch. Ich begleite dich. Es ist spät und ich lasse eine hübsche junge Frau auf keinen Fall alleine durch die Straßen laufen." Moment. Hatte er mir gerade ein Kompliment gemacht? Das konnte ich irgendwie nicht so ganz fassen, dass der Mann, der sonst immer so unfreundlich war, mir scheinbar gerade ein Kompliment gemacht hatte. Meine Gedanken wurden durch die Frage, ob wir denn dann gehen wollten, unterbrochen. Ich nickte nur und folgte ihm hinaus. Wir versuchten möglichst unauffällig aus dem Lokal zu verschwinden, damit Paul und Hannah keinen Verdacht schöpften, dass wir sie absichtlich allein gelassen hatten. Nachdem wir uns raus geschlichen hatten, schlugen wir den Weg zu mir nach Hause ein. Die ersten Meter legten wir schweifend zurück. Robin durchbrach schließlich die Stille. „Meinst du die Beiden bekommen das hin alleine?" Das hatte ich mich auch schon gefragt. „Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht so sicher. Schließlich haben sie unsere Gesellschaft auch schon gebraucht, um sich an einen Tisch zu setzen. Es würde mich ehrlich nicht wundern, wenn die Beiden morgen früh immer noch nicht über einander geredet hätten." Robin lachte. „Ja, das stimmt. Das geht ja schon länger so. Paul erzählt mir, dass er Hannah toll findet. Hannah erzählt mir, dass sie Paul toll findet. Nur aufeinander zugehen und es dem jeweils anderen erzählen, dass wollen beide nicht." Ich musste lachen, dass konnte ich mir wirklich bildlich vorstellen. Wir redeten noch etwas über Hannah und Paul, bis wir schließlich vor der Tür des Mietshauses standen, in dem ich wohnte. „Danke fürs nach Hause begleiten. Ich müsste dir jetzt wahrscheinlich anbieten mit hoch zu kommen. Hast du es weit bis nach Hause?" Er grinste. „Nein, so weit ist es zum Glück nicht. Die gute Erziehung fordert, dass du mich rein bittest, ja. Allerdings, will ich ja nicht, dass dein Freund das in den falschen Hals bekommt." Ich war mir nicht sicher warum er das sagte. Entweder, dachte er tatsächlich, dass ich einen Freund hatte oder er wollte mich lediglich aus der Reserve locken und hintenherum raus finden, ob ich einen Freund hatte. Was auch immer er damit bezweckte, konnte mir im Wesentlichen egal sein. „Da brauchst du dir keine Gedanken machen. Möchtest du vielleicht mit hoch kommen?" Ich machte eine einladende Geste. „Gerne doch." Wir stapften die Treppen hoch bis zu meiner Wohnungstür. Nachdem ich die Tür geöffnet hatte, betrat Robin nach mir die Wohnung. Ich dirigierte ihn in Richtung der Küche und schloss die Wohnungstür. Robin hatte sich auf einem der Küchenstühle niedergelassen. „Entschuldige, dass ich das so sage, aber deine Wohnung sieht noch ziemlich kahl aus." Ich nickte. „Ich weiß. Ich hatte noch nicht wirklich die Zeit mich darum zu kümmern." Na gut, dass war eine kleine Notlüge, aber ich konnte ihm ja wohl schlecht auf die Nase binden, dass ich kein Geld hatte, um mir großartig etwas zu leisten. Außerdem war ich dazu zu stolz. „Möchtest du vielleicht etwas trinken?" Er schüttelte den Kopf. Ich setzte mich zu ihm an den Tisch. „Also, kann ich dich was fragen?" Ich nickte. „Wieso bist du nach Köln gekommen?" Musste er ausgerechnet das fragen? Ich konnte ihm ansehen, dass er nicht locker lassen würde. Langsam begann ich zu sprechen. „Naja. Ich hatte Lust auf eine Veränderung und Köln ist eine schöne Stadt, also..." „Und jetzt die ehrliche Antwort. Ich kenne dich zwar noch nicht besonders gut, aber ich kann sehen, dass das nicht die Wahrheit ist." Ach verdammt. Woher wusste er das? „Ich bin Polizist, du glaubst gar nicht wie oft mich die Leute anlügen und denken ich würde es nicht merken." Er sah mich erwartungsvoll an. „Ich hatte Probleme. Köln bot sich als Lösung an und ich kam her. Das ist die Kurzfassung." „Was für Probleme?" Der wollte wirklich alles ganz genau wissen. „Ich hab nach der Schule ein paar falsche Entscheidungen getroffen. Hab festgesessen. Ich hab angefangen einen Ausweg zu suchen und hab diese Wohnung hier gefunden. Nachdem ich eine feste Zusage für die Wohnung hatte, hab ich alle meine Sachen genommen und bin mit dem Zug hierher gekommen. Ich hab mir einen Job gesucht und Ta-da. Hier bin ich." Er schmunzelte. „Ich glaube ausführlicher wird deine Antwort wohl nicht mehr, oder?" Ich schüttelte den Kopf. „Hannah hast du das nicht erzählt, oder?" Aha. Scheinbar hatten die beiden sich über mich unterhalten. „Sie war auch nicht halb so aufdringlich wie du." Jap. Eiskalt erwischt. „Ich bin halt neugierig. Schließlich verirrt sich nicht jeden Tag so jemand wie du sich hierher." „Jemand wie ich?" Jetzt war ich neugierig. Wie er das wohl meinte? „ Naja, also..." Ach, jetzt hatte ich wohl einen wunden Punkt getroffen. Er lief rot an. „Ich habe dir ehrlich geantwortet, dann tu du das jetzt auch." „Naja, Ich muss schon zugeben, dass du sehr hübsch bist und an dem Abend als wir uns das erste Mal begegnet sind hast du mich beeindruckt. Erinnerst du dich?" Ich nickte. „Also, es hat mich schon beeindruckt, wie mutig du warst, als du dich dem Typen in den Weg gestellt hast." Sein Gesicht war inzwischen rot wie eine Tomate und er starrte den Tisch vor ihm an. „Warum warst du dann so unfreundlich zu mir?" „Naja, Ich war erstens im Dienst und musste das sagen und zweitens hättest du auch ernsthaft verletzt werden können." Verdammt. Damit hatte er leider auch noch Recht. „Trotzdem hättest du mir das auch freundlich sagen können." „Bist du etwa eingeschnappt deswegen?" Er lachte. „Nee, Ich wollte das einfach nur loswerden." Upss. Ich glaube ich wurde ein wenig rot. „Erzähl mir, wie ist es so als Polizist zu arbeiten?"
Diese frage führte zu einem Gespräch, dass bis in die Morgenstunden dauerte. Robin erzählte mir, dass er schon immer zur Polizei wollte und er mit seiner Arbeit sehr glücklich war. Der Beruf war sehr abwechslungsreich und es gefiel ihm anderen helfen zu können. Gegen halb vier in der früh, verabschiedete er sich von mir. Nachdem er gegangen war, kuschelte ich mich in mein Bett und dachte über den Abend nach. Wir hatten uns wirklich nett unterhalten und es machte den Eindruck auf mich, als hätte ich mich mit meinem ersten Eindruck in ihm getäuscht. Vielleicht sollte ich mir doch die Mühe machen und versuchen ihn etwas besser kennen zu lernen. Was hatte ich denn auch zu verlieren? Selbst wenn sich der neu gewonnen Eindruck nicht bestätigte, dann würde sich für mich nichts verändern. Ich hoffte echt, dass Hannah mit Paul gesprochen hatte. Es wäre ärgerlich wenn dieser ganze Abend umsonst gewesen wäre. Wobei so ganz umsonst war dieser Abend definitiv nicht gewesen. Schließlich hatte ich eine wirklich nette Unterhaltung geführt. Naja. Ich musste wohl abwarten was die Zeit noch so bringen würde.

DU LIEST GERADE
Von Jetzt an
FanfictionLilian versucht sich in Köln ein neues Leben aufzubauen, fern von ihrer Vergangenheit. Dort lernt sie Robin Sturm kennen. Ob aus den beiden was wird? (Robin Sturm/OC)