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>The Weeknd - High For This<

Vorsichtig lege ich einen Finger unter seine Unterlippe und mit der anderen Hand, in der ich den Lappen halte, wische ich über das verkrustete Blut. Ich habe das Gefühl, unter Strom zu stehen. Ich habe noch nie die Lippen eines Jungen berührt. Ich spüre Killians warmen Atem auf meiner Haut und wie sich sein Körper unter meiner Berührung automatisch anspannt. Im Zimmer ist es totenstill.

Mein Herz schlägt so schnell und laut in meiner Brust, dass ich Angst habe, er würde es hören. Mir fällt auf, was für schöne Lippen er hat. Die Versuchung ist groß, den Lappen fallen zu lassen und sie mit den Fingern zu berühren. Bei der reinen Vorstellung bekomme ich eine Gänsehaut. Schnell vertreibe ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. Ich wische noch einmal über sein Kinn und dann ist sein Gesicht wieder sauber. Ich rutsche ein Stück von ihm ab. »So fertig! Warum hast du das nicht schon gestern Abend gemacht?«, frage ich und versuche meine Nervosität damit zu überspielen.

»Weil ich die Hoffnung hatte, dass du vorbei kommst und es für mich übernimmst!«, scherzt er. Ich verdrehe die Augen, kann mir ein Grinsen jedoch nicht verkneifen. Da fällt mein Blick plötzlich auf seinen immer noch nackten Oberkörper. Ich habe mich vorher nicht getraut ihn so offensichtlich anzustarren, doch nun habe ich den Bluterguss an seiner Schulter knapp über seiner Brust entdeckt.

Ich weiß nicht wieso, aber einem inneren Instinkt folgend, strecke ich meine Hand danach aus. Vorsichtig fahre ich die lila verfärbten Ränder mit den Fingern entlang. »Ist das auch von gestern?«, frage ich ein wenig geschockt. Mir ist klar, dass sowohl Killian als auch Nash einiges eingesteckt haben, aber ich wusste nicht, dass es wirklich so schlimm ist.

»Anna«, Killians Stimme klingt rau und leise. Ehe ich aufsehen kann, hat er meine Hand umfasst, mit der ich, wie mir erst in diesem Moment richtig bewusst wird, über seine nackte Haut gefahren bin. Ich spüre, wie ich rot werde. »Tut mir leid, ich wollte nicht -«, sage ich schnell. Er hält meine Hand immer noch fest. Verwegen sieht er mich an: »Schon ok, pass nur auf, dass du mich nicht auf falsche Gedanken bringst!« Ich werde augenblicklich noch röter, als ich ohnehin schon sein muss.

Er lacht: »Hey, ist doch nur Spaß!« Ich weiß mal wieder nicht, was ich darauf erwidern soll. »Ich wollte wirklich nicht -«, setze ich an, doch er unterbricht mich, mit einer Frage, die mich nun völlig aus dem Konzept bringt. »Warum willst du nicht mit mir ausgehen? Komm schon Anna! Was muss ich tun, dass du es dir anders überlegst?«, fragt er.

Nervös beginne ich auf meiner Unterlippe herumzukauen. »Ich weiß nicht - Ich habe eigentlich zu viel mit der Uni zu tun!«, sage ich zögernd. Er verdreht die Augen. »Erde an Anna, das Leben dreht sich nicht nur um die Uni! Allen anderen Studenten ist es doch auch möglich neben der Uni noch etwas anderes zu machen. Also komm mir nicht mit der Ausrede! Sag mir einfach, woran es liegt«, meint er.

Ich frage mich, ob er sich nicht erst mal ein T-Shirt oder so was überziehen kann. Es ist nicht so leicht, mich gleichzeitig zu ermahnen, seinen Körper nicht anzustarren, während ich mich über so ein kompliziertes Thema mit ihm unterhalten soll.

»Wenn ich dich jetzt wieder fragen würde, was schießt dir dann als erstes durch den Kopf?«, fragt er. Angst. Panik.

»Ich weiß nicht - Ich -«, ich habe einfach keine Ahnung, wie ich ihm das erklären soll. Es ist zu peinlich ihm zu beichten, dass ich einfach Schiss habe, weil ich eigentlich noch nie mit einem Jungen ausgegangen bin, obwohl ich schon neunzehn bin.

»Sag es mir doch einfach. Vielleicht kann ich dann ja irgendwas machen, damit du doch Lust dazu hast!«, sagt er.

Ich seufze, dann sehe ich auf meine Hände hinab und murmele: »Es ist nicht so, dass ich keine Lust dazu hätte. Es ist einfach - Ich hab irgendwie – Ach, ist eigentlich nicht so wichtig, du würdest es eh nicht verstehen!«, breche ich erneut ab.

If You StayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt