>David Correy - HIGH<
Nash steckt die Waffe zurück in seinen hinteren Hosenbund. Dann sieht er mich an und lässt mich endlich los. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Soll ich mich bedanken oder soll ich lieber weglaufen? »Du - hast eine Waffe!«, bringe ich schließlich hervor. Weiter komme ich nicht. Das war einfach zu viel für einen Abend. Ich drehe mich weg und übergebe mich.
»Scheiße, hast du getrunken?«, fragt Nash. Ich kann ihm nicht antworten. Ich zittere am ganzen Körper und übergebe mich ein weiteres Mal. Ich spüre kühle Hände in meinem Nacken und er nimmt meine Haare zusammen. Ich will ihn wegstoßen, da mir das ganze so unendlich peinlich ist, doch er bewegt sich nicht.
»Keine Sorge, du bist nicht das erste Mädchen, dass ich kotzen sehe«, sagt er mittlerweile ein wenig sanfter. Schließlich bin ich fertig und richte mich auf. Er lässt meine Haare los, aber ich traue mich nicht, mich zu ihm umzudrehen. Ich spüre, dass mein ganzes Gesicht vor Scham glüht. Ich habe noch nie vor jemandem gekotzt.
»Tut mir leid! Ich -«, ich weiß nicht, wie ich fortfahren soll. Es gibt so viele Worte, die unausgesprochen in der Luft schweben und ich weiß, dass ich etwas sagen muss. Auch wenn er ein Arschloch ist, hat er mich gerade vor einer Vergewaltigung bewahrt und mir meine Haare gehalten, als ich mich übergeben habe. Ich bin ihm mehr als ein „Danke" schuldig.
Ich wische mir über den Mund, dann schaffe ich es mich zu ihm umzudrehen. Er steht nur einen halben Meter von mir entfernt. Ich sehe zu ihm auf. »Danke! Ich weiß, dass ein einfaches ‚Danke' nicht ausreicht, aber ich weiß nicht, wie ich dir genug danken könnte. Du hast nicht nur meine Unschuld bewahrt, du hast mir auch noch beim Kotzen die Haare gehalten und das alles obwohl ich deinen - deinen Deal versaut habe! Mir tut das alles wirklich leid und -«, beginne ich zu stottern, doch er unterbricht mich.
Er sieht nun wieder, wie der Typ aus, als den ich ihn kennengelernt habe. Er zieht seine Augenbrauen hoch und hakt nach: »Deine Unschuld? Du bist Jungfrau?« Er legt den Kopf schief. Habe ich wirklich Unschuld gesagt? Und verdammt, was tut das jetzt überhaupt zur Sache?
»Ein einfaches Danke reicht aus!«, sagt er schließlich und übergeht damit seine eigene Aussage. »Willst du ein Wasser?«, fragt er plötzlich und deutet schließlich auf meine Lippen. »Um den Geschmack loszuwerden, meine ich!« Ich nicke und er geht zu der Tür der Kneipe und öffnet diese.
Ehe ich begreife, was genau ich hier tue, folge ich Nash hinein. Außer zwei alten, offensichtlich betrunkenen Männern, ist die Kneipe leer. Wir setzen uns in eine Nische. Ich sitze gegenüber von Nash auf der Sitzbank.
Der ziemlich dicke Barmann kommt zu uns und Nash bestellt ein Wasser für mich. Dann sitzen wir schweigend da. »Hör mal, Anna! Das, was ich da letztens zu dir gesagt habe -«, er sieht von seinen Händen auf und es ist, als würde ich in glasklares Wasser eintauchen, als ich ihm in die Augen sehe. »Ich meinte das nicht so. Ich war einfach angepisst, weil du nicht auf mich hören wolltest! Das hat mich abgefuckt, deshalb habe ich diese Scheiße gesagt!«, meint er zögerlich. Das erste Mal, seit ich ihn kenne, sieht er nicht ganz so selbstsicher aus. Der Barmann bringt mir das Wasser und Nash bezahlt ihn direkt.
Ich will ihn gerade unterbrechen, um selbst zu zahlen, da fällt mir ein, dass ich gar kein Geld bei mir habe. Also mustere ich Nash nur stumm. Seine dunkelbraunen Haare sehen noch verwegener aus, als sonst. Mir fällt auf, dass er eine kleine Narbe über der Augenbraue hat. Außerdem hat er eine ziemlich gerade Nase und seine Lippen - verziehen sich plötzlich zu einem Grinsen. Ich sehe peinlich berührt in Richtung seiner Augen, als ich merke, dass er mich beim Starren erwischt hat.
Der Barmann ist bereits zur Theke zurückgekehrt und wir sind wieder allein. Schnell nehme ich das Glas in die Hand und bedanke mich bei ihm dafür. Ich nehme einen Schluck und das Wasser kühlt augenblicklich meinen gereizten Hals. Der Geschmack in meinem Mund verbessert sich mit jedem Schluck.

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If You Stay
Literatura FemininaABGESCHLOSSEN (22.09.2018) Anna Lena hat eine Geschichte, die sie zu der gemacht hat, die sie heute ist. Schüchtern, introvertiert und unerfahren. Diese Geschichte hat sie nach Berlin geführt, wo die junge Studentin sich dem Unileben stellt. Es daue...