Neffex - Savage
Miguels Blick gleitet über mein Gesicht, dann über meinen Hals, über meinen Oberkörper, meine Beine und meine Füße. Meine Haut scheint unter seinem Blick zu brennen anzufangen. Er analysiert mich. Schüchtert mich ein.
»Ich muss es Nash lassen. Sein Frauengeschmack ist scheinbar nicht so abgefuckt, wie ich angenommen habe. Nimm es mir nicht übel, aber ich hätte ihn für den Typ Mann gehalten, der sich Huren ins Bett holt. Du hingegen - «, sagt er und steht auf. Ich kann mich nicht rühren. Zum einen, weil ich immer noch gefesselt bin und zum anderen, weil ich vor Angst am Sterben bin.
Seine Hand fährt an der Stuhllehne hinter mir entlang und ich versuche meine Nerven zu beruhigen. Ich weiß, dass er zwar nicht die Pistole bei sich trägt, doch das Messer hat er nicht abgelegt. »Du siehst nicht aus, wie eine dieser gewöhnlichen Nutten. Du siehst aus, wie ein Mädchen mit Charakter. Ein Mädchen, das etwas im Köpfchen hat.«
Er geht nun vor mir in die Hocke und seine selbstbewusste Art schüchtert mich ein. Er legt fast wie unbeabsichtigt, eine Hand auf meinen Oberschenkel und ich spüre, wie mir mittlerweile der Angstschweiß den Rücken runter läuft. »Wäre ich er gewesen, wäre ich sicher auch in Versuchung gekommen. In Versuchung einem so süßen und unschuldigen Mädchen alles zu erzählen. Doch im Gegensatz zu ihm -«
Sein Blick bohrt sich starr in meine Augen und ausnahmsweise bin ich es, die es nicht schafft wegzusehen, denn er redet so eindringlich mit mir, dass ich das Gefühl habe, unter Hypnose zu stehen. »- im Gegensatz zu ihm hätte ich dir nichts erzählt! Denn diese ganze Sache, Kleine, ist größer als irgendeine Liebschaft. Und nun sieht er ja, was er davon hat. Eine hübsche Hülle ist nun mal nichts von dem man sich ablenken lassen sollte, denkst du nicht?«
Ich nicke, traue mich jedoch nichts zu sagen. Plötzlich hebt er seine Hand und streichelt sanft meine Wange. Die ganze Situation kommt mir so verschoben vor, dass ich außer Stande bin irgendwie darauf zu reagieren. »Nicht so schüchtern. Wenn du mir sagst, was ich wissen möchte, wird dir hier nichts mehr geschehen!«
Nun muss ich auflachen und vielleicht ist es dumm, doch ich erwidere: »Du meinst, wenn ich sage, was du hören möchtest!« Er beißt sich nachdenklich auf die Lippe und erhebt sich wieder. Dann schlendert er zu seinem Stuhl zurück.
»Formuliere es um, wie du möchtest. Das was ich hören und wissen möchte ist dasselbe. Ich will die Wahrheit. Also - ich weiß, dass du diese Frage nun schon einige Male über dich ergehen lassen musstest, aber ich frage dich nochmal. Was weißt du und was genau hast du den Bullen erzählt. Ich brauche jedes Detail, um den Schaden, den du bereits angerichtet hast, soweit einzugrenzen wie nur möglich!«, sagt er.
Ich schüttle meinen Kopf hin und her und erneut versuche ich es: »Ich habe schon gesagt, dass ich nichts weiß! Ich habe auch nicht mit der Polizei gesprochen. Ich schwöre es auf mein Leben!«
»Auf dein Leben? Sag sowas nicht, Kleine. Das Leben ist zu kostbar, um darauf zu schwören. Besonders wenn du mit mir sprichst! Und jetzt sieh mich an! Ich will, dass du wiederholst, was du eben gesagt hast!«
Ich sehe auf und sein Blick nimmt den Meinen sofort in die Mangel. »Ich weiß nichts und ich habe der Polizei auch nichts verraten!« Er mustert mich eine Weile. Dann, ohne ein Wort zu sagen, hebt er die Waffe vom Boden auf und verlässt den Raum.
Verdattert und verunsichert sehe ich ihm nach. Ich habe keine Ahnung, ob er mir glaubt oder nicht. Ich habe auch keine Ahnung, was er nun tun wird. Durch seinen Besuch und diesen wortlosen Abgang bin ich noch verunsicherter als zuvor.
***
Ich bin fast eingedöst als sich plötzlich die Tür öffnet. Augenblicklich bin ich wieder wach. Ein Mann mittleren Alters kommt rein. Es überrascht mich, dass er im Gegensatz zu den anderen Leuten von Miguel, wesentlich gepflegter aussieht.
Er hat etwas zu essen dabei. Jedenfalls dampft etwas in einem Teller und da mein Magen sich krampfhaft zusammenzieht, gehe ich sofort davon aus, dass es Essen ist. Er stellt den Teller auf dem Stuhl mir gegenüber ab. Dann beugt er sich vor, um meine Hände zu entfesseln. Plötzlich beginnt er ganz leise zu sprechen.
»Hallo, Anna. Bitte versuch so zu tun, als würde ich gerade nichts anderes tun, als deine Fesseln zu lösen. Du brauchst auf nichts antworten. Ich bin von der Polizei. Wir ermitteln seit einer Ewigkeit gegen Miguel und seine Bande und haben jetzt genug Beweise gesammelt, um ihn festzunehmen. Wir werden morgen stürmen. Du musst bis dahin durchhalten!«
Er ist fertig mit dem Lösen meiner Fesseln und drückt mir nun den Teller in die Hand. Ich bin vollkommen sprachlos. Nie im Leben hätte ich mit sowas gerechnet. Ich versuche meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten, denn ich hatte in der ganzen Zeit, die ich hier verbracht habe, bereits bemerkt, dass einige Kameras auf mich gerichtet sind. Vermutlich sind auch irgendwo Abhörgeräte installiert.
Ich beginne die Nudeln zu essen. Mein Herz pocht wie verrückt. Mir kommt plötzlich ein Verdacht. Was, wenn der Mann mir gegenüber die Informationen der Dealer an die Polizei weitergegeben hat? Ich habe nichts gesagt, aber dennoch kam es zu Verhaftungen.
Ich lasse meine Gabel fallen und er versteht den Wink. Wie beugen uns beide gleichzeitig hinunter, um sie aufzuheben. »Haben sie die Gang verraten? Das, was sie mir anhängen, waren eigentlich sie!«, flüstere ich. Als wir uns wieder aufrichten, nickt er kaum merklich. Da wir nicht viel mehr miteinander reden können, esse ich auf und mein Magen scheint sich über die Nahrung mehr als zu freuen.
Als ich fertig bin und auch noch etwas trinken darf, steht der Mann auf und verlässt den Raum wieder. Ich bin allein. Doch diesmal nicht hoffnungslos allein. Morgen wird das alles ein Ende haben! Hoffentlich.
A.N.:
Hey meine Lieben,
Ihr merkt - das Ganze neigt sich dem Ende zu. Was haltet ihr von dem neuen Charakter? Glaubt ihr alles wird so verlaufen, wie geplant? Feedback und Votes sind wie immer willkommen❤.
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If You Stay
ChickLitABGESCHLOSSEN (22.09.2018) Anna Lena hat eine Geschichte, die sie zu der gemacht hat, die sie heute ist. Schüchtern, introvertiert und unerfahren. Diese Geschichte hat sie nach Berlin geführt, wo die junge Studentin sich dem Unileben stellt. Es daue...