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Sleeping At Last - Chasing Cars

»Bitte verlassen Sie den Raum!«, fordert die Krankenschwester Nash ein weiteres Mal auf und mustert ihn, wie einen Schwerverbrecher. »Er - er war das nicht!« Meine Stimme klingt brüchig, als ich ihr die Situation erklären will, denn offensichtlich nimmt sie an, dass er mich so zugerichtet hat.

Sie mustert ihn von Kopf bis Fuß und er sieht sie, wie ein störrisches Kind mit verschränkten Armen und aus verengten Augen an. »Sind Sie sich ganz sicher, dass er bleiben soll?«, fragt sie mit sanfter Stimme an mich gewandt. Nashs Äußeres trägt nicht dazu bei, dass sie an seine Unschuld glaubt und auch nicht der Geruch von Gras, der ihn umgibt.

»Ja. Ganz sicher. Er hat mich gerettet!«, sage ich und sie scheint zwar immer noch misstrauisch zu sein, jedoch entspannt sie sich merklich. »Na gut!«, sagt sie. Wir kommen im Behandlungszimmer der Notaufnahme an. »Der Arzt ist gleich da!«, sagt sie und lässt uns, mit einem warnenden Blick in Nashs Richtung, allein.

»Blöde Fotze!«, murmelt Nash gereizt, was mir fast ein Lachen entlockt. Dann zieht er sich einen der Stühle heran, um sich neben mein Bett zu setzen. Bevor wir nur ein Wort wechseln können, betritt ein Mann Mitte vierzig das Zimmer, gefolgt von einem Typen in meinem Alter.

Ich kenne ihn. Er geht auf meine Uni und leider scheint er mich auch zu erkennen. Offenbar macht er ein Praktikum im Krankenhaus. Ein wenig erschrocken sieht er mich an, fängt sich jedoch schnell wieder. »Hallo Anna. Ich bin Doktor Löppke. Ich werde sie gleich untersuchen und ihre Verletzungen versorgen. Das hier ist mein Assistent, Nick Schaffner. Er wird mich unterstützen und wir beide sind natürlich an die ärztliche Schweigepflicht gebunden. Alles, was Sie uns erzählen, bleibt unter uns. Ist Ihr Begleiter mit Ihnen verwandt oder steht in sonstiger direkter Beziehung zu Ihnen?«, fragt er freundlich.

»Nein. Ist er nicht!«, sage ich und sehe zu Nash. Dieser mustert Nick grimmig, welcher sich durch den bohrenden Blick sichtlich unwohl fühlt. »Soll er im Raum bleiben? Vermutlich müssen wir Sie ihrer Hose und Unterhose entledigen!«, sagt er. »Vor ihm?«, fragt Nash ein wenig missmutig und nickt in Richtung Nick.

»Er arbeitet hier!«, zische ich Nash zu und kneife ihm in den Oberschenkel, damit er sich wieder hinsetzt. »Ja. Das ist ok! Er kann bleiben!«, sage ich. Ich will nur verdammt nochmal endlich etwas gegen diese Schmerzen bekommen!

Ich habe mich soweit wieder gefangen, dass ich die Schmerzen rein objektiv betrachten kann. Killian versuche ich soweit von mir zu schieben, wie nur möglich. Der Arzt und Nick heben mit mir zusammen meinen Unterkörper an, um die Hose auszuziehen. Ich beiße die Zähne zusammen, was einerseits an den Schmerzen liegt, andererseits jedoch auch an meinem Schamgefühl, als sie auch meinen Slip ausziehen und ich völlig entblößt vor einem Mitstudenten und einem Arzt liege. Dann drehen sie mich um und ich höre, wie Nash ein zischendes Geräusch von sich gibt.

»Können Sie mir sagen, woher genau die Scherben stammen?«, fragt der Arzt, während er mit einer Pinzette beginnt, die Splitter und Scherben aus meiner Haut zu ziehen.

Ich gebe mir einen Ruck und versuche so ruhig wie möglich zu klingen. »Von einer Glasschale!« »In Ordnung. Und die Verletzungen in ihrem Gesicht?«, fragt der Arzt weiter. Ich schweige. Weiß einfach nicht, wie ich die Worte über meine Lippen bringen soll, ohne in Tränen auszubrechen.

»Ok, wir versuchen es anders, in Ordnung? Ich werde Ihnen Fragen stellen und sie werden mit ja oder nein antworten, ok?«, fragt er einfühlsam und irgendwie beginne ich ihn zu mögen. »Ok«, sage ich. Nash sitzt die ganze Zeit still neben mir.

»Ist die Ursache ihrer Verletzungen ein Unfall?«, fragt er. Ganz sicher alles außer ein Unfall. Noch bewusster hätte Killian sich seiner Taten gar nicht sein können. »Nein«, antworte ich.

If You StayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt