Teil 85

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Isil

Ich wollte ihm hinterher schreien, dass er nicht gehen sollte und mich alleine lassen sollte, aber es ging nicht. Aus meinem Mund kam einfach nichts, rein nichts. Vor Wut schmiss ich mein Kissen auf den Boden und legte mich auf Tolgas Seite. Sein Kissen roch nach ihm und die Wut auf mich stieg. Er hatte mit allem Recht. Immer war er, der der kämpfte. Nie, wirklich noch nie hatte ich um ihn gekämpft. Sofort sprang ich vom Bett und kramte mein Handy aus der Tasche. Als ich es hatte, wählte ich seine Nummer, jedoch ging nur die Mailbox heran. So oft ich es versuchte, auch wenn es dumm war, weil sein Handy immer noch aus war, rief ich an. Diese kleine Hoffnung, dass er es jetzt vielleicht auf hatte, ließ mich anrufen. 

Verzweifelt saß ich auf der Couch und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich hatte Melda schon angerufen, die Emre gefragt hatte, wo er war jedoch wussten beide nichts. Melda wollte wieder zurück kommen und bei mir bleiben, aber ich überredete sie dazu, dass sie lieber bei ihrer Mutter bleiben sollte. Wieso hatte ich auch so sehr übertrieben? Ich hatte einfach Angst, Angst davor, dass er ging. Hande sah wunderschön aus, vielleicht war ihr Charakter nicht so und auch wenn es nur der Sex war, welches die beiden miteinander verbunden hatte, reichte es mir schon um diese Angst vor dem Verlust zu spüren. Dieses vor sich hin jammern nervte mich, weswegen ich aufstand und in mein Zimmer ging, um mich anzuziehen. Ich zog mich gut an, da es draußen kalt war und auch spät. Als ich mich fertig angezogen hatte, ging ich heraus. Die frische Luft tat mir gut und ich entschied mich ein Spaziergang zu machen. Da ich nah an der Alter war, ging ich zur Alster. An einer Bank setzte ich mich hin und schaute mich um. Diese kühle Brise tat mir gut und befreite mich kurz von all der Last, aber dann sah ich wieder Tolgas Gesicht vor mir. Wie er mich anguckte. Dieser Blick der aufgab. Mein Handy hatte ich immer in der Hand damit ich keinen Anruf von Tolga verpasste, aber er rief nicht an. 

Vielleicht saß ich 2 Stunden auf dieser Bank und schaute die Menschheit an. Auch wenn es spät war, sah man so viele Leute auf den Straßen. Glücklich, zusammen und vereint. Alles war Tolga und ich im Moment nicht waren. Ich zog mir die Mütze wieder über und machte mich auf den Heimweg. Zu Hause warf ich mich ins Bett und versuchte zu schlafen, auch wenn es nicht klappte. Die Gedanken gingen die ganze Zeit über zu Tolga. Der Tag hatte so schön angefangen und jetzt, in was für einer Lage waren wir nur jetzt? 

Am morgen wachte ich nicht wie sonst immer durch die Küsse von Tolga auf. Wieder kamen mir bei der Erinnerung die Tränen und mehr als mich verfluchen und weinen konnte ich nicht. Ich stand auf und ging ins Badezimmer, um eine schnelle Dusche zu nehmen. Ich vermied den Blick in den Spiegel, da ich mir bewusst war, dass ich kaputt und leblos aussah. Nach der Dusche fühlte ich mich etwas besser, aber diese Leere brachte mich wieder ins Alte. Das so große Haus war leer. Lucky lag einfach nur auf seiner Decke und schaute heraus.

»Wurden wir alleine gelassen?«, fragte ich ihn und strich über sein Fell. Er legte seinen Kopf auf meine Füße. 

»Ich habe ihn richtig vermisst und weiß nicht was ich machen soll. Er hat doch auch recht. Er kämpft und ich gebe auf, aber so war es immer! Wieso hat er sich dann nicht beschwert?«, wurde meine Stimme unbeabsichtigt immer lauter und ich stand wütend auf. Was war anders? Was war anders als die anderen male? Wieso beschwerte er sich jetzt? Wütend, aber auch mit einer Hoffnung die ich hatte, ging ich zur Tür. Irgendjemand klingelte wie wild, es nervte einfach nur. Ich riss die Tür auf, aber die Hoffnung verging sowie der leichte Anflug eines Lächelns. Es war Alex. 

»Wow, wie man nur von dir empfangen wird«, lachte sie, aber verstummte als sie mich sah. 

»Was ist los?«

Ich ließ sie da stehen und ging ins Wohnzimmer. Alex schlug die Tür zu und folgte mir, bis ich mich auf die Couch niederließ und wieder starr nach vorne schaute.

»Er ist weg«

»Wer, Isil, wer?«

»Er hat aufgegeben und ist einfach gegangen. Er hat gesagt, ich soll glücklich werden. Ohne ihn. Ohne ihn glücklich«

»Isil, was ist hier los? Ich mache mir sorgen. Rede vernünftig«

»Einfach weg. Ich soll kämpfen, hat er gesagt und was mache ich? Ich weine wie ein kleines Kind und kann ohne ihn nicht. Keiner weiß wo er ist, angerufen hat er sowieso nicht. Es ist lächerlich, aber ich kann ohne ihn nicht. Ich kann ohne Tolga nicht. Alex, ich kann es nicht und ich gehe kaputt. Ich habe ihn gesagt, dass wenn er mich alleine lässt, dass ich kaputt gehe und ein nichts bin, Alex. Weg«, weinte ich verbitterlich und schlug auf meinen Schoß. Ich stand aufgebracht auf und schaute im Raum herum. Der kleine Teller auf dem Tisch, der mit lauter Kerzen verziert war, landete auf den Boden wie alles was mir in die Hände kam. Die Luft zum Atmen wurde mir genommen und alles sah ich nur verschwommen, dank den Tränen die ununterbrochen auftauchten. Plötzlich fühlte ich Arme um mich, die sich fest an mich heran klammerten. Zusammen fielen wir auf den Boden und mein bitterliches weinen wurde verstärkt. Alex strich mir über das Haar und versuchte mein hin und her zappeln zu kontrollieren. Unter ihren Armen konnte ich nicht aufstehen und ließ alles sein. Nur noch die Tränen kamen und ich klammerte mich wie eine ertrinkende an sie heran. 

»Es tut weh. Es brennt, alles ist weg«

»Ich verspreche dir, dass alles wieder gut wird. Versprochen«

»Versprich mir nichts, wenn du es nicht halten kannst, Alex«, waren meine letzten Worte und ich stand auf. Ich ging ins Badezimmer und wusch mein Gesicht. Das Wasser vermischte sich mit den Tränen und wurden vom Handtuch abgewischt. Danach ging ich wieder ins Wohnzimmer, wo die Scherben weg waren und Alex vorsichtig lächelnd auf der Couch saß. Ich nahm mein Handy in die Hand und rief Tolga wieder an, auch wenn die Mailbox wieder ran ging, versuchte ich es die ganze Zeit. Ich schrieb ihn wieder Nachrichten, vielleicht würde er sie sehen. Die Entschuldigungen häuften sich und die Bitte, dass er mir wenigstens schrieb, dass es ihm gut ging. 

»Was ist vorgefallen, Schatz?«, fragte sie mich voller Besorgnis mit einem Hauch der Neugier. 

»Wir waren im Kino und dort haben wir seine Ex gesehen. Die hat sich vor meinen Augen an ihn rangemacht, mal wieder habe ich übertrieben und ging gegangen. Als wir zu Hause waren, bin ich sofort ins Bett gegangen und bin auf ihn nicht eingegangen. Ach, Alex ich habe Mist gebaut. Ich habe Schuld und er Recht«

»Mit was?«

»Er hat immer um uns gekämpft und ich habe alles steh und liegen gelassen. Wir hatten es so verdammt schwer hier her zu kommen und ich vermassel mal wieder alles«, gab ich seufzend von mir und strich mir durchs Haar. 

Plötzlich klopfte es wieder an der Tür und ich rannte sofort dahin. Als ich sie aufgemacht hatte, stand dort nicht wie erhofft Tolga sondern Sinan. 

»Was?«, knurrte ich ihn an und sein Lächeln wurde breiter. 

»Oh Gott wie süß! Hat der Arschloch dich gefickt und jetzt verlassen?«, lachte er auf und strich sich übers Haar. 

»Verpiss dich einfach, Sinan«

»Was wenn nicht?«, fragte er belustigt nach.

»Dann rufe ich die Polizei«, drohte ich ihm, jedoch war mir bewusst, dass ich nur leere Worte sprach.

»Kannst du machen. Ich habe heute den Brief von deinem Anwalt bekommen. Isil, eins sage ich dir, so leicht kommst du mir nicht davon«, drohte er mir und schmiss die Zettel auf mich. Wütend ging er davon und ich schlug die Tür zu. Nur noch das Problem mit Sinan hatte gefehlt. Alex die alles mitbekam, schaute mich bemitleidend an und wollte auf mich zu kommen, jedoch hielt ich meine Hand hoch und somit stoppte ich sie.

»Ich brauche Zeit und will alleine bleiben«, sagte ich und ging in mein Zimmer.

Ich würde es schaffen, ich wusste nicht wie, aber ich würde alles wieder gerade biegen. Ich gebe uns nicht auf. So leicht war es nicht.

Unsere GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt