Teil 95

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Isil

Dieses ganze Blut, überall. Sein wunderschönes Gesicht wie es mich anlächelte. Er lächelte und versuchte den Schmerz den er hatte zu verbergen. Genau als ich meine ganze Kraft sammelte und aufstehen wollte, um zu ihm zu rennen, wurde ich fest gehalten.
»Lass mich los!«, schrie ich Sinan an, der mich grob am Arm fest hielt. 
»Nein, wir gehen jetzt«, schrie er mich an und zerrte mich heraus. 
»Lass mich los, Sinan. Bitte, bitte lass mich hier«, weinte ich nur noch und hielt mich am Tisch fest. Mein Blick ließ ich immer noch auf Tolga, der seine wunderschönen Augen geschlossen hatte und weiterhin lächelte. 
»Tolga! Bitte, steh auf! Tolga!«
»Er ist Tod. Sieh es ein. Tod«, schrie Sinan mich an und hielt meine Haare fest, die noch eben auf meinem Gesicht waren. Er hielt sie zurück und hielt mein Kopf in die Richtung Tolgas. 
»Siehst du? Er bewegt sich nicht. Er ist Tod, nicht mehr da.«, schrie er und zerrte mich aus dem Haus. Achtlos warf er mich ins Auto und fuhr auch schnell los. Das Schreien von mir und das Betteln brachte nichts. Sinan lachte nur laut auf und bereute nichts. Zu Hause zerrte er mich ins Wohnzimmer und ließ mich auf der Couch los. 
»Du bist ein Mörder!«, schrie ich und stand auf. Vor ihm stehend schlug ich auf seine Brust und weinte nur noch bitterlich weiter. In seinem Gesicht sah man nichts von Reue. 
»Wie konntest du das machen, Sinan? Wie bist du nur so geworden? Wie konntest du-«
»Wie ich es konnte? Das fragst du dich! Isil, du hast mit ihm gefickt, warst schwanger. Er hat mir alles genommen, alles«, antwortete er mir zurück und schubste mich auf die Couch. 
»Hör auf! Hör damit auf! Ich habe es genossen, Sinan. Ich habe es geliebt, wenn er mich überall küsste, seine Blicke, seine Hände, alles habe ich geliebt! Ich habe es geliebt wie er mich 'meins' nannte. Wie er mich gefickt hat! Ich habe es so genossen, wenn ich ihn gespürt habe! Alles, Sinan, alles habe ich an ihn geliebt und alles, wirklich alles genossen und nichts bereut. Hörst du nic-«, stoppte ich und hielt meine Wange fest. Meine Augen starrten ihn wütend an. Er hatte mich geschlagen. 
»Du hast mir alles weggenommen. Nicht nur er ist Tod auch ich«, weinte ich und ließ mich auf den Boden fallen. Ich schlug mit meiner Hand auf den Boden und krümmte mich auf dem Teppich zusammen. Sinan, der sich zu mir herunter kniete, warf ich die Schale zu, die auf dem Tisch lag. Er war weg,. Einfach nur weg. Nie wieder würde er kommen und mich umarmen. Nie wieder 'Birtanem' sagen. 

»Mir ist alles egal, Isil. Du bleibst hier«, sagte er und ging aus dem Wohnzimmer. Ich klammerte mich an meinen Pullover ran und weinte wie ein kleines Kind. Ich fiel, aber wusste nicht wie tief. Ich schrie dagegen an, flehte um Hilfe, aber niemand konnte mich halten. Ich fiel weiter, nur wie tief oder wohin wusste ich nicht. Das einzigste was ich wusste, waren die Schmerzen die ich fühlte und wie schlimm sie doch werden würden. Man war leer, ganz leer, aber die Leere die man spürte, füllte mich vollkommen aus. Sie füllte mich aus, aber ich fühlte mich leer. Leer und allein. Allein auf dieser Welt. Ich versuchte auf zustehen und setzte mich auf die Couch. Die Tränen wischte ich mir immer wieder weg, was natürlich nichts brachte. Ich wollte wieder zurück. Zurück zu ihn. Mich einfach zu ihn legen und einfach warten. Vielleicht warten auf den Tod, ich wusste nicht was, aber hier wollte ich nicht bleiben. Hier konnte ich nicht bleiben. Ich ging die Treppen hoch und schnappte mir meinen kleinen Koffer. Viel nahm ich nicht mit, vielleicht nur ein paar Anziehsachen und der Rest war mir egal. Im alten Haus hatte ich sowieso nicht vieles, eher bei Tolga. Wie schnell die Gedanken eines Menschen nur zu der Person schweiften die man liebte? Willkürlich stopfte ich den kleinen Koffer voll und ging damit die Treppen herunter. 
»Isil, bleib hier!«, schrie er und versuchte meinen Koffer weg zunehmen. 
»Du hast nichts, auch wirklich nichts womit du mich auch hier fest halten kannst!«, schrie ich ihn an und zog an meinem Koffer, um ihn von Sinans Griff zu befreien.
»Das wird Konsequenzen haben, Isil«,drohte er mir Lächelnd drehte ich mich um und schaute in die Augen Sinans. Ich sah den Hass, aber darunter auch die Liebe. Den alten Sinan.
»Du hast doch schon alles gemacht. Bring mich doch auch einfach um. Tu es doch, Sinan. Yap ne olursun (Mach es, bitte)«, flehte ich ihn an und lächelte als ich in sein verwirrtes Gesicht schaute. 

Draußen lehnte ich mich an die Haustür und schloss meine Augen. Während die Tränen kamen, hörte ich im Haus Sinan um her schreien. Er schrie und schmiss lauter Dinge auf den Boden. Zum Schluss hörte ich sein wimmern. Er weinte, aber es war mir egal. Mir war alles egal. 

Ich wusste nicht was ich machen sollte oder gar wohin. Hatte denn irgendetwas überhaupt einen Sinn? Aus meiner Handtasche nahm ich mein Handy und rief ein Taxi an. Daraufhin rief ich auch Melda an, die meine Anrufe schon seit Tagen keine Beachtung schenkte. Ich wusste, dass ab diesen heutigen Tag sich alles ändern würde. Nichts würde mehr so wie früher sein. Die Alte Isil würde es nicht mehr geben.

Tolgas und Isils Geschichte gab es nicht mehr. Unsere Geschichte existierte nicht mehr. 


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