Teil 96

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Isil

Willkürlich stopfte ich die Kartons mit dem Rest voll, was ich gestern nicht geschafft hatte. Die Übersicht sowie die Ordnung hatte ich verloren und packte einfach nur ein. Ich dachte mir, dass ich in meinem neuen zu Hause alles ordnen würde. Irgendwie würde ich es schon schaffen, egal so wirklich wie war ich mir nicht sicher.

»Willst du wirklich weg?«, fragte mich Alex schon zum wiederholten mal. Sie setzte ihre besorgte Miene auf und verstaute die Bücher, die sie in der Hand hatte in den Karton. Sie klappte ihn zu und schrieb mit dem schwarzen Edding "Bücher" drauf, sodass wir etwas Ordnung und Orientierung hatten, das einzige was sie beschriftet hatte.

»Ja, ich muss«, sagte ich und legte das Bild in meine Tasche. Kevin kam ins Zimmer und lächelte uns zu und nahm die Kisten mit. Natürlich betrat daraufhin auch Marcel das Wohnzimmer und nahm die anderen Kartons mit. Ich schnappte mir nur ein kleinen Karton und ging damit nach draußen. Ich überreichte sie Kevin, der sie ins Auto legte. Das Auto war voller Kartons. Endlich hatten wir auch alles fertig und standen nun in der leeren Wohnung. Ich erinnerte mich an die ersten Tage hier. Die Wohnung kam mir so klein vor und engte mich ein. Eigentlich engte mich alles ein. Sie war ein kleiner Zufluchtsort für mich, aber so wirklich flüchten konnte ich nicht. Vielleicht nur von den Menschen, die mir versuchten einzureden, dass doch alles besser sein würde, aber dies stimmte nicht. Von den Gedanken, die nur noch um ihn kreisten, hatte ich aufgegeben dagegen anzukämpfen. So sehr ich versuchte ein neues Leben, ein Leben ohne ihn aufzubauen, ging ich kaputt. Er war überall, auch wenn ich ihn nicht spüren konnte, war er da. So sehr ich mich stumm anflehte nicht an ihn zu denken, so sehr wollte ich auch meine Gedanken um ihn kreisen lassen. Wenigstens ihn in meinem Herzen und Gedanken weiter leben lassen. 

»Isil, wollen wir gehen?«, riss mich Marcel aus meinen Gedanken und hielt mir seine Hand entgegen. Leicht lächelnd schnappte ich seine Hand und verschränkte unsere Finger ineinander. Er half mir bei den Treppen und nahm mich in den Arm als wir im Auto saßen. Ich lehnte meinen Kopf auf seine Brust und versuchte das Ein-und Ausatmen nicht zu vergessen. Wie oft, wenn ich an ihn dachte, schnürte sich alles zusammen und die Luft zum Überleben war wie weg. Immer wieder aufs neue zeigte mir das Leben, dass ich ohne ihn nicht konnte. Behutsam strich Marcel über mein Haar und drückte einen leichten Kuss auf meinen Kopf. Die einzigen Berührungen die ich zu ließ. Die einzigen Menschen mit denen ich sprach, waren sie. Sie waren die ganze Zeit da. Hatten die verrückte Isil kennen gelernt. Verrückt. Genau, dies war das passende Wort. Ich war verrückt und alleine. Jedenfalls fühlte es sich so an. Wieso fühlte man sich alleine, wenn doch so viele Menschen um einen herum waren? Menschen, die man davor noch geliebt hatte und ihre Nähe genossen hatte. Als wir bei Alex ankamen, stiegen wir aus. Marcel hielt wie immer meine Hand und führte mich auf die Couch. Ich legte ein kleines Kissen hinter meinen Rücken und lehnte mich zurück. 

»Hast du Hunger?«, fragte mich Kevin vorsichtig und hatte das Handy in der Hand.

»Nein, danke«, lehnte ich ab und schloss kurz meine Augen.

»Du musst was essen. Schatz, bestell ihr einfach eine Pizza. Sie wird es schon essen«, sprach nun Alex etwas gereizt aus und Kevin verschwand um zu telefonieren. Ich schnappte mir währenddessen die Hand von Marcel und spielte mit seinen Fingern herum. Er hatte sich ein neues Tattoo stechen lassen, genau auf seinem Arm. Es war ein kleines Schwert, was die Bedeutung war, wusste ich nicht, aber bestimmt eine gute und wichtige, weswegen er sich an eine Stelle tätowieren ließ, die er jeden Tag zu Gesicht bekam. 

»Willst du wirklich gehen? Was soll ich denn machen ohne dich?«, schmollte Marcel und Alex nickte zustimmend, während sie sich neben mich setzte. 

»Ihr schafft es. Ich glaube an euch. Das Restaurant ist in guten Händen. Ich kann beruhigt gehen«, beruhigte ich beide und nahm ihre Hand in meine.

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