Ich habe Angst

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Erzähler PoV

„Und?", fragte Cathrine den Schwarzhaarigen neben sich sofort, als er aus seiner Trance erwachte. „Ich hab sie erreichen können, aber..." „Das ist doch großartig. Danke." Sie strahlte, fiel ihm überschwänglich um den Hals, nicht darauf achtend, dass die Umstehenden sie misstrauisch beäugten. Als sie aber seine erstarrte Miene sah – ja, sie kannte seine gefühlskalte Seite, aber so hatte sie ihn noch nie gesehen – löste sie sich von ihm, hielt ihre Hände aber noch auf seiner muskulösen Brust und sah ihn stirnrunzelnd an. „Da ist noch mehr, richtig?" Er starrte sie nur aus leeren Augen an. „Was hat sie gesagt?" Er schwieg. „Verdammt, Severus. Was hat sie gesagt?", wurde sie nun lauter und schlug auf seine Brust ein. Erst als er den dumpfen Schmerz verspürte, blinzelte er und sah sie an. Diese unendlich grünen Augen in denen er sich immer wieder verlor. „Sie hat seine Stimme gehört. Hat den Abgrund erwähnt und..." Er brach ab. Wusste nicht, wie sie es aufnehmen würde. Er wollte sie nicht verletzen. Nicht sie auch noch. Lily hatte gereicht. „Was noch?", fragte sie aber, ließ nicht locker und Severus wusste, dass er antworten musste. Ihr die Wahrheit sagen musste. Anders ging es nicht. Sonst würde er sie verraten. „Der Sog. Sie hat den Sog verspürt. So wie du damals. Sie..." Eine vereinzelte Träne lief ihm über die Wange. Sie hob ihre Hand und strich sie ihm sanft am hohen Wangenknochen ab. Sie schluckte. Wenn er so emotional war, konnte es nichts gutes heißen. „Was ist dann passiert?", fragte sie ihn leise und ließ ihre warme Hand auf seiner Wange liegen. „Ich hab sie verloren." Er spürte, wie ihm die Luft abgeschnürt wurde. „Es tut mir leid. Ich..." Er nahm ihre Hand in seine und führte sie nach unten. Ließ sie los. „Ich hab versagt.", hauchte er, bevor er an ihr vorbei ging und mit wehendem Umhang aus der Tür des Krankenflügels verschwand.

Wie in Trance drehte sie sich um, wollte ihm hinterher, doch sie konnte sich nicht bewegen. Ein Kloß im Hals, der nicht weg ging. Die Tränen rannen stumm über ihr Gesicht. Warum, wusste sie nicht genau. War es wegen dem Verlust ihrer Tochter? Dem Verlust seiner Wärme, dass er gegangen war? War es, weil er geweint hatte? War es...

Ein Schluchzen ertönte und sie sank in sich zusammen. Schlug mit den Knien auf den kalten Fliesen auf und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Das hatte sie nicht gewollt. Alles, nur das nicht. Warum war das Leben nicht einmal fair zu ihr? Warum...?
„Das Leben ist nicht fair. Nie. Es bringt nichts sich darüber Gedanken zu machen." Das waren seine Worte. Die Worte, mit denen er sie zum ersten und zum letzten Mal getröstet hatte. Diesmal kamen sie nicht. Diesmal war er einfach gegangen. In die Kerker. In seine kalten Steinwände. Er hatte sie im Stich gelassen. „Das hat er nicht.", sagte eine leise Stimme in ihrem Kopf und sie wusste, dass diese Recht hatte. Er hatte ihr geholfen. Wenn auch nicht so, wie sie es erhofft hatte, aber er hatte es versucht. Und das war schon viel verlangt.

Sie zuckte zusammen, als sich plötzlich eine warme Hand auf ihr Knie legte. Doch sie ignorierte es. Sie brauchte keine McGonagall, keine Madam Pomfrey und auch keinen Dumbledore, der sich jetzt um sie sorgte. Sie brauchte ihn. Nur ihn. Und ihre Tochter. Mehr wollte sie doch gar nicht. Warum war das Leben...
„Das Leben ist nicht fair. Nie. Es bringt nichts, sich darüber Gedanken zu machen.", sagte eine warme Stimme direkt vor ihr. Sie schluckte. „Ich weiß.", hauchte sie und sank schluchzend in die starken Arme ihres Gegenübers. Der Geruch. Nach Kräutern. Er umarmte sie, hielt sie fest und zog kleine Kreise auf ihrem Rücken. „Ich bin da. Ich beschütz dich." „Das hast du damals auch gesagt und dann warst du einfach weg.", schluchzte sie und durchnässte sein dunkles Hemd. „Ich weiß. Aber jetzt bleibe ich. Versprochen." Sie nickte. Ließ sich weiter von ihm halten. Fühlte sich seit langem wieder geborgen.
„Mum?", fragte plötzlich eine leise Stimme in die Stille hinein, die sie fast nicht gehört hätte. Das ist Einbildung, dachte sie. Bloße Vorstellungskraft, weil du sie unendlich vermisst. Sie schluckte und sank tiefer in seine starken Arme. „Mum?", ertönte dieselbe Stimme noch einmal. Diesmal schwächer. Als sein Kopf nicht mehr auf ihrem ruhte, sah sie nach oben. Sah, dass er hinter sie blickte. Langsam drehte sie den Kopf. Hatte er die Stimme auch gehört? Und wenn,...

Ihre Augen wurden größer, als sie ihre Tochter sitzend im Bett vor fand. Tränen standen in ihren Augen und sie musste schlucken. „Du hast sie auch gehört? Und siehst sie? Das ist keine Einbildung? Bitte sag mir, dass ich nicht verrückt bin.", bat sie den Mann, der sie noch immer fest hielt. „Das hat sie vorhin auch gesagt. Genauso. Und du wirst nicht verrückt.", murmelte er ihr ins Ohr und ihre Mundwinkel hoben sich langsam, während sie sich erhob. Als sie stand, schwankte sie kurz, doch er hielt sie weiter fest. War mit ihr aufgestanden und ließ sie nun zu ihrer Tochter hasten.

„Gwendolyn.", schluchzte sie und umarmte die im Bett sitzende fest. „ich dachte, du seist tot." „Glaub mir, das dachte ich auch.", hauchte ihre Tochter schwach. „Lässt du mich trotzdem los?" Ihre Stimme klang rauchig, so als hätte sie lange Zeit nicht gesprochen oder gar die ganze Zeit geschrien. „Natürlich.", sagte Cathrine, ließ sie los, aber ihre Hand blieb auf denen ihrer Tochter liegen. „Wie geht's dir?", fragte sie besorgt und sah sie an. Doch diese zuckte nur mit den Schultern und verzog aber schmerzverzerrt das Gesicht.
„Haben wir Schmerztabletten?", wandte sich Cathrine an Madam Pomfrey, woraufhin die Krankenschwester nickte und mit einem Flakon in den Händen ans Bett trat. „Hier. Das gönnt dir etwas Ruhe. Die wirst du jetzt brauchen. Du siehst vollkommen erschöpft aus." Gwendolyn starrte zuerst auf den Flakon in den Händen, dann zur Schwester und zog sich ängstlich zurück. „Vergessen Sie's. Ich trink das nicht.", sagte sie jetzt hysterisch und presste sich ans Bettende, stolperte aus dem Bett und presste sich dann hektisch atmend an die nächste weit entfernte Wand. „Gwen?", fragte ihre Mutter besorgt, doch die Angesprochene schwieg, hatte die Augen weit aufgerissen und starrte die Umstehenden misstrauisch an. Cathrines Blick glitt zu dem schwarzhaarigen Mann, der beinahe ungerührt die Szene beobachtet hatte und nun ihren Blick auffing. Er kniff leicht die Augen zusammen und wandte sich dann um. Ging auf Gwendolyn zu.

Sie sah ihm entgegen. Wusste nicht, was sie tun oder fühlen sollte. Nur, dass sie Angst hatte und andererseits aber wusste – spürte- dass der große Mann vor ihr, ihr nichts tun würde. Sie beschützen würde. Warum auch immer. Deshalb stand sie still. Wartete darauf, dass er vor ihr stehen blieb. Was er auch tat. Einige Zentimeter vor ihr kniete er sich nach unten und sah ihr von dort nach oben in die Augen. Sie sah verwirrt zu ihm herab, zitterte und ließ sich schlussendlich auch langsam nach unten sinken. „Ich tue dir nichts.", sagte er mit der rauen warmen Stimme. „Sie waren das.", sagte sie geradeheraus und starrte ihn an. Er bewegte nur leicht den Kopf. „Warum?" „Das sagte ich." „Sie haben was von meiner Mutter erzählt." Er seufzte, nickte dann aber mit dem Kopf. „Warum sie?" Er sah sie an und wusste, genau wie bei Cathrine selbst, dass er sie nicht anlügen konnte. „Ich liebe sie.", hauchte er und sah an die Steinwand hinter ihr. Sie erwiderte einfach nur seinen Blick. Verurteilte ihn nicht, denn sie kannte ihn nicht. „Ich weiß", sagte sie nur und er sah ihr wieder in die Augen. Die genauso grün waren wie ihre nur mit dunkleren Schattierungen. „Wie haben sie das gemacht?" Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Mich gerettet.", half sie ihm auf die Sprünge. „Ich hab dich verloren. Nicht gerettet." „Ich habe Sie aber gehört. Ihre Stimme. Laut und deutlich in meinem Kopf." „Ich bin zu dir durchgerungen." „aber Sie meinten, dass sie der einzige wären, der mir helfen könnte. Warum? Warum konnte Mum das nicht?" „ich bin mir nicht sicher." „Aber Sie haben eine Vermutung. Richtig?", fragte sie und sah ihn hoffnungsvoll an. „Es könnte sein." Erwartungsvoll wartete sie auf eine aufklärende Antwort, doch er brachte eine Gegenfrage: „Warum willst du den Schmerztrank nicht nehmen?" Sie schluckte. „Ich kann...", fing sie an, doch wandte dann den Blick ab. Zur Tür. Zur Freiheit. „Du hast Angst.", stellte er leise fest und sie sah wieder zu ihm, nickte leicht. „Wovor?" „Vor ihm. Davor, dass er zurückkommt. Ich wieder in den Abgrund falle. Vor seiner Stimme. Vor der Dunkelheit. Vor dem Allein sein. Vor meinen Träumen." „Das hatte sie auch." „Wie hat sie die Angst überwunden?" „Ich hab ihr geholfen." „Wie?" „Ich bin bei ihr geblieben. Nacht für Nacht. Immer wenn sie geschlafen hat. Mit der Zeit wurde es besser. Mit der Zeit verstand sie, es zu kontrollieren. Nur deshalb hast du den Satz „Die Sonne. Der Mond. Die Wahrheit." Gelernt. Ich hab ihn ihr beigebracht. Hab ihr beigebracht, ihre Gedanken zu verschließen." „ich will das auch können.", sagte sie, felsenfest überzeugt und sah ihn an. „In Ordnung. Zweimal die Woche. Dienstag und Freitag. Zu Vollmond fällt es aus." „Versprochen." Sie und er standen gleichzeitig auf und während er Richtung Ausgang lief, blieb sie weiterhin an der Wand stehen. „Bleibst du hier?", fragte sie ihn und er drehte sich an der Tür um. Sah sie an, sah zu Cathrine – und nickte dann.

Die Gefahr lauert im Dunkeln (HP-FF, Rumtreiberzeit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt