Kapitel 44

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„Stopp!", rief Zora, „kein Schritt weiter!"

Zoras grüntürkise Augen blickten tollkühn die Menge an. Die Drohung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Zur Seite Mädchen! Sonst töten wir dich auch!", rief die selbe Stimme von vorhin. Zora wollte nur zu gern wissen wer diese Person war. „Töten?", wiederholte sie und suchte mit den Augen nach dieser Person. „Warum zeigst du dich nicht? Warum versteckte du dich? Bist du etwa nur tapfer in der Menge? Lass uns doch dein Gesicht sehen!"

Die Person gab keine Antwortung. Was für ein Feigling! Zora drehte verachtend ihren Blick ab und schaute die Menge genau an. Dieses mal sprach sie ihre Gedanken laut aus. „Ihr sieht alle schrecklich aus. Ihr seit ärmlich bekleidet, halb verhungert und gebildet sind bestimmt die meisten hier nicht. Es ist keine Kritik. Es ist nur eine Tatsache. Euer Land hat nicht genug Geld um in Arbeitsplätze und Bildung zu investieren. Ich bin mir sicher, dass die anderen Städte im Falkenland genau so vernachlässigt aussehen wie Mehlum und vielleicht auch schlimmer. Euer Volk lebt seit zweihundert Jahren in Armut. Vor euch kniet sich der Prinz und entschuldigt sich. Er bittet sogar um Gnade. Von euch! Ein Volk, dass ihm nichts bedeuten sollte!" Zora machte eine Pause, damit die Menschen die Bedeutung ihrer Worte genau verstehen.

„Zora! Provozier sie nicht!", bat Alastair leise. Er verstand nicht was das Mädchen vor ihm plante.

Zora ignorierte ihn und sprach weiter zu der Menge. „Anstatt die Gelegenheit zu nutzen und eure Lage zu verbessern, lässt ihr euch von eurem Hass verblenden. Habt ihr nicht gehört was er gesagt hat? Ein Tyrann herrscht in Amera und für ihn gehört Falkenland zu Amera. Und zwischen dem König und dem Zauberer, wen mögt ihr mehr als Feind?"

Zora wartete auf eine Antwort. „Woher sollen wir wissen, dass er die Wahrheit sagt?", wollte eine ältere Frau wissen. Sie sah klüger als die anderen aus. Zora zeigte auf Bellareine. „Kennt ihr diese Frau hier?"

Die Menge schüttelte den Kopf. „Schon mal was von Dalum gehört?"

„Ja.", antworteten viele.

„Sie ist die Tochter des Fürsten. Sie hat genau so gelitten wie ihr alle. Die Königsfamilie hat ihr Leben auch zerstört. Und trotzdem ist sie hier und begleitet den Prinzen. Warum denkt ihr, dass diese Person, die bis vor einpaar Tagen die Königsfamilie tiefgründig hasste, den Prinzen begleitet?"

„Ist es wahr?", fragte die ältere Frau die Hexe, „Existiert dieser Tyrann?"

„Ja.", bestätigte Bellareine. „Er hat sogar uns Hexen die Zauberkugeln verboten. Ohne unsere Kugel, wird unsere Kraft halbiert."

Die Menge tuschelte wieder. „Und ich bin auch ein Beweis, dass dieser Tyrann existiert. Ich bin ein Solaris und der Mann hier", sie zeigte auf Edwin, „ist ebenfalls einer."

Nun war die Aufregung in der Menge nicht mehr zu bremsen. Alle diskutierten miteinander. Selbst der Falkenmeister und Sughir diskutierten über die Lage in der sie waren. Wenn die Tochter des Fürsten und vor allem eine Solaris sich der Königsfamilie anschließen, dann musste die Situation ziemlich ernst sein. Aber so einfach war es wieder auch nicht. Sughir hatte Angst davor eine Schachfigur zu werden. Was genau erwartete der Prinz von ihnen?

„Prinz!", sagte Sughir. Alle wurden still. „Was genau brauchst du von uns?"

„Eine Armee.", sprach Alastair die Wahrheit aus.

„Ha! Da muss ich ja nur Lachen!", sagte der Falkenmeister und warf seine Axt genau neben Alastair, der zusammen zuckte. „Du narr! Warum sollen wir unser Leben dir anvertrauen?"

„Weil er für euch sterben wird.", antwortete Zora bevor Alastair was sagen konnte. Der Prinz blickte die junge Solaris mit großen Augen an. Was laberte sie? Warum soll er für diese Menschen bereit sein zu sterben? Er war der Prinz! Ohne ihn wäre sein Volk aufgeschmissen. Zora warf ihm einen bösen Blick zu. Sie wusste ganz genau was Alastair gerade dachte. Sie konnte seinen Tumult in seinen Augen lesen. Darüber mussten sie dringend miteinander sprechen. Aber vorher brauchten sie die Hilfe dieser Menschen und der einzige Weg war ihr Vertrauen zu gewinnen. „Ich bitte euch alle!", wandte sie sich zu der Menge, „Lasst mich euch beweisen, dass ihr uns vertrauen könnt!"

Die Menge blieb in einem nachdenklichem Schweigen stehen. Sughir unterbrach die Stille. „Dem Prinzen werden wir nicht vertrauen. Dafür sind wir nicht bereit. Aber wir sind bereit einer Solaris zu vertrauen, wenn sie uns ihren Mut und Stärke beweist."

Zora nickte. „Was muss ich tun Sughir?"

Sughir musterte das Mädchen vor ihm genau an. Wer war sie genau und warum war sie bereit dem Prinzen zu helfen? Da musste mehr dahinter stecken! War es Liebe oder verfolgte sie ihren eigenen Racheplan? Er konnte es nicht sagen. Aber eins stand fest. Sie hatte etwas besonderes an sich. Etwas das einem intrigierte. „Ich warte.", sagte Zora ungeduldig. Sie wollte nicht länger ihre Angst verstecken. Sie mochte vielleicht tapfer wirken aber innerlich drehte sich ihr ganzer Magen und ihre Knien waren so weich wie Butter.

„Im Falkenland wächst eine besondere Heilpflanze. Sie wird die Frucht des Seeteufels genannt."

Bellareine griff Edwins Arm vor Schreck. Zora bemerkte dies und warf der Hexe ein warnender Blick. Die Hexe schwieg. Warum musste Zora immer den Leuten etwas beweisen in dem sie ihr Leben auf dem Spiel setzte. Sie selbst hat es Zora auch getan und schämte sich im Nachhinein. „Lass mich raten. Ich muss diese Frucht besorgen.", schenkte Zora dem alten Mann ihre ganze Aufmerksamkeit.

Nickend erklärte Sughir weiter. „Die Frucht wird von einem Monster, der Seeteufel bewahrt. Meine Männer müssen immer ihr Leben riskieren um an diese Pflanze zu gelangen. Sollte es schaffen innerhalb einen halben Tag, wird das Falkenland dir vertrauen und unter deiner Führung gegen Zyan kämpfen. Wenn nicht, dann werden du und deine Freunde sterben."

„Einverstanden.", sagte Zora selbstbewusst.

„Dann werde ich dich zum See bringen.", sagte Sughir und Zora folgte ihm. Edwin und die anderen wollten ihnen folgen, doch der Falkenmeister hielt sie auf. „Bis dahin bleibt ihr hier. Nur Sughir und die Solaris dürfen gehen."

„Aber...", sprang Edwin auf.

„Edwin!", ermahnte ihn Zora, „Lass es. Wir sehen uns später."

Mit diesen Worten folgte Zora Sughir.     

Die letzte WahrsagerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt