Akademie der Hexen - Kapitel 1

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Das Leben. Man wird nach neun Monaten Schwangerschaft geboren, wächst im Idealfall bei seinen Eltern auf, entwickelt Fähigkeiten, man lernt dazu, empfindet Freude und Schmerz zugleich. Man geht zur Schule, lernt einen Beruf oder studiert, verliebt sich und hat ein Haus am See mit Hund. So etwas wünschen sich viele, die meisten erreichen Beruf und Liebe, Glück im Leben, eine Familie, man hat Freunde, vor allem durch Schule.

Rachel war schon immer anders. Wenn sie als Kind weinte aus tiefstem Herzen, fing es plötzlich an zu regnen, obwohl gerade strahlender Sonnenschein herrschte. Manchmal konnte sie Feuer entzünden, ihre Haarfarbe ändern, wie sie gerade wollte. Stets fühlte sie sich anders und auch wenn sie einige Freunde hatte, empfand sie diese als fremd. Nie fühlte sie sich zugehörig. Sie weiß nicht warum, sie fühlt einfach, dass sie etwas anderes ist, kein normales Kind. Schließlich kann sie mit Bäumen dazu noch sprechen. Sie ist einfach kein normales Mädchen. Ihr Leben lebte sie irgendwie, lustlos, alles kam ihr so sinnlos vor. Sie liebte nicht, hatte keine wirklichen Freunde und hockte lieber in Büchern, in denen sie von Magie träumte. In den Werken der verschiedensten Autoren fühlt sie sich wie zu Hause, als würde sie endlich Freunde haben, jemanden, den sie versteht. All die Dinge wie Magier, Drachen, Hexen, Sirenen und was es nicht alles gibt konnte sie tausendmal besser verstehen als Menschen. Dort fühlt sie sich wie zu Hause, ihre Heimat, sie hat eigentlich keine. Ihre Eltern haben nicht dieses gewisse etwas, was sie besitzt. Sie selbst hat... etwas in sich. Minimalen Hauch von Magie würde sie es nennen, aber es ist nichts, womit sie sich vergleichen könnte. Weder mit Magiern, Hexen, Kobolden und mit Drachen schon gar nicht. Doch, wer ist Rachel im inneren und äußerlich? Sie ist eine zierliche, zwanzigjährige Frau, schlank, ein leicht spitzes Gesicht, braune, lange Haare liegen in ihrem Rücken und fallen herunter. Ihre Augen leuchten ebenso braun. Meist trägt sie enge, blaue Jeans, ein blaues Top mit kleinem Ausschnitt, außer heute. Heute trägt sie ein blaues Kleid, welches lang ist und ihre rechte Schulter nicht bedeckt. Es schimmert leicht und lässt sie wie eine Göttin aussehen. In der Tat, jedes Mädchen, jeder Junge staunt über ihre Schönheit. Doch das alles ist ihr egal. Sie steht mit vier anderen auf der Bühne des Gymnasiums. Ihr Abitur hat sie mit 1,1 abgeschlossen. Sie ist also nicht gerade auf den Kopf gefallen und schwer fiel es ihr auch nicht gerade. Gelangweilt steht sie da, in die Publikumsmenge starrend. Ihre Eltern, andere Eltern sind mit Stolz erfüllt, aber es kümmert sie nicht. Es ist alles so bedeutungslos. Klar, mit einem Abitur kann sie viel erreichen. Studieren, viel Geld verdienen, sich um nichts sorgen müssen, außer um Krankheiten, die sie vernichten könnte. Aber trotzdem, selbst wenn sie alles haben könnte, wo wäre sie bitte glücklich? "Meinen Glückwunsch Rachel. Du bist eine wunderbare Schülerin. Um deine Zukunft müssen wir uns wohl keine Sorgen bereiten." Die Schulleitung, eine ältere Dame mit runder Brille schüttelt ihre Hand, reicht Rachel ihr Abschlusszeugnis und überreicht ihr eine Rose. "Danke", meint sie mit künstlichem Lächeln und gespielt guter Laune. Ja, ihre Zukunft würde so aussehen, dass sie wahrscheinlich niemand in diese Welt passt, wie überaus wundervoll, denkt sie sich. Eine Welt, in die sie nicht passt. Die Lehrerin schüttelt noch ein paar mehr Hände, verteilt ihre Zeugnisse und Blätter. Das alles geht an ihr vorbei. Zwölf Jahre. Zwölf Jahre in denen sie immer noch träumt sie von der Fantasy Welt, mit Hexen, Magiern und Magie. Irgendetwas zieht sie dahin und sie weiß nicht was. Sie gehört eher in eine andere Welt als in diese. Aber gibt es nicht viele Menschen, die so fühlen wie sie? Sich falsch fühlen, ob nun mit sich selbst, ihrer Identität oder ihrer Welt, in der sie Leben, so wie sie selbst sich der Erde nicht zugehörig fühlt? Kameras blitzen auf, viele Fotos werden geschossen, sie lächelt künstlich, damit die anderen ein schönes Foto haben, ein Andenken auf das Ziel, dass sie erreicht haben. Was hatte sie abgesehen von Wissen erreicht? Vielleicht noch einige Dinge mehr, aber... Die nächsten Absolventen werden aufgerufen, Rachel geht von der Bühne und nimmt wieder ihren Platz in der vorderen Reihe ein. Da sowieso gerade Langeweile herrscht und sie die Leute dort weniger interessiere, taucht sie in ihre Traumwelt ein. Fantasie. Magie. Gut und Böse, Freundschaft und Verrat. Trauer und Liebe. Liebe. Ein Begriff, der ihr so unendlich weit weg scheint, je länger sie lebt. Sie hat alles so satt, so verdammt satt. Dieses ganze Leben, dieses ganze stupide, gleiche System, in dem sie alle wie Hamster mitlaufen. Das alles will sie nicht. Sie will nach Hause, dort wo sie hingehört. Doch, wo kann das nur sein? Wo ist zu Hause? Wo nur, auf dieser einsamen, kalten Welt? Wo ist zu Hause?

Akademie der Hexen | girlxgirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt