Akademie der Hexen - Kapitel 11

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"Magie", fängt Maria an zu reden. Sie bewegt sich vor der Klasse auf und ab, ihre Schönheit und Eleganz lässt dabei nicht ein Prozent ab. Ihren großen Lehrerpult nutzt sie nicht mehr, wo immer noch ein Haufen Papiere liegen. "Ist äußerst vielseitig. Es gibt nicht nur die Elemente, sondern die schwarze Magie, Illusionsmagie, die Gabe der Verwandlung in ein Seelentier." Die ganze Klasse hört ihr gespannt zu, zwei mit etwas verliebten Blick. Kein Ton ist zu hören, nur Stille, nichts weiter, bis auf die Schritte von Madame Ash und ihre Stimme. "Grundsachen muss jede Hexe können. Das klassische brauen von Tränken und Heilmitteln wird Teil eurer Ausbildung. Es wird Teil sein, Runen zu lernen und Magie später ohne Runen zu nutzen. Ihr müsst euer Seelentier finden und die Geschichte unserer Welt lernen. Ab dem zweiten Jahr arbeite ich mit jedem von euch am verfeinern eurer Magie, bis es im sechsten Lehrjahr Miss Cairne übernimmt, zumindest für diejenigen, die hohe magische Künste beherrschen, das werden aber nicht sehr viele sein. Nun, wie dem auch sei, eine Information noch: Mein Büro ist in der zweiten Etage, ganz hinten links. Wenn ihr Probleme habt, etwas klären müsst, egal was ihr habt, ihr könnt gern zu mir kommen." Sie dreht sich zur Klasse und lächelt warm. Eine Frau seufzt hörbar, was die Aufmerksamkeit der Klasse auf sich zieht. Maria Ash lässt sich davon kein bisschen was anmerken. "Nun beginnen wir. Mitschreiben müsst ihr nichts. Es gibt nur Praxis heute. Konzentriert euch auf folgendes." Sie schnippt mit dem Finger und von ihrem Schreibtisch fliegt vor jede Schülerin ein Blatt, ein komplett weißes Blatt. "Einen Kran, ein Fahrstuhl oder ein Blatt bewegen ist im Prinzip genau das gleiche. Ihr müsst euch konzentrieren. Schließt eure Augen", flüstert sie leise, aber hörbar. Sie schaut geduldig in die Klasse, ob denn alle ihren Anweisungen Folge leisten. "Geht in euch. Vergesst alles, außer euch. Magie. Ihr spürt sie in euch, als ihr auf der Erde gewesen seid. Fühlt den Fluss in euch. Es steckt in euren Venen, euren Adern. Atmet tief ein, tief aus, entspannt euch." Ihre Stimme ist tatsächlich ganz entspannt, beruhigend. "Fühlt es, den Fluss der Magie durch euch. Es ist euer, sie gehört euch. Ihr lebt im Einklang mit ihr, sie durchfließt euch, ist euch Kraft und Leben zugleich. Erforscht euch. Was fließt durch euch? Was zeichnet euch aus? Schwimmt ihr gern in Wasser, habt ihr Kamine angezündet, Stürme entfesselt oder Traumgestalten erschaffen? Werdet euch darüber bewusst, ruft euch das Bild eurer Magie in den Kopf." Sie wartet geduldig und sorgt dafür, dass Atmen das lauteste Geräusch des Raumes ist. "Denkt an euch, an euere Magie. Wenn ihr das habt, dieses Bild eurer Magie, denkt fest daran, ganz fest. Fühlt sie, denkt sie, redet mit ihr in eurem Kopf. Versucht, sie zu verstehen, zu akzeptieren, denn sie ist euer Leben, Teil von euch. Versucht euch, mit ihr zu verbinden, ihr fließen durch euren Körper zu spüren. Wenn ihr das geschafft habt, dann versucht, diesen Fluss der Magie mit euren Gedanken auf das Blatt zu konzentrieren. Nutzt diese Magie und stellt euch vor, das Blatt bewegen zu können. Nutzt den Fluss und zerstört nicht, bewegt es."

Rachel versucht, in sich zu gehen. Die Augen geschlossen, konzentriert sie sich. Sie kann ihre Haarfarbe ändern, aber wie tut sie das? "Versuche, dich nicht auf deine Haare zu konzentrieren, Rachel." Madame Ashs Stimme hallt in ihrem Kopf wieder. Sie nutzt Kommunikation über Gedanken, um den Schülern zu helfen. Anscheinend liest sie Gedanken, wenn sie es will.
Egal. Rachel lässt die Haarfarbe weg und konzentriert sich. Sie weiß, dass sie die Natur liebt, mit Bäumen und Tieren redet, Wind und Wetter kontrollieren kann. Genau darauf konzentriert sie sich. Wind, Donner, Tornados, alles manifestiert sich in ihrem Kopf als Bild. "Denke nach Rachel. Woher kommt diese Magie? Erforsche dich", flüstert sie Stimme in ihrem Kopf.
"Wer bist du", fragt Rachel nicht die Stimme, sondern die Magie in sich. "Fühle den Fluss, wie das Blut in dir, Rachel." Wie soll sie das herausfinden? Woher kommt ihre Magie? Woher nur? Den Fluss fühlen, wie Blut in sich. Sie war jedes Mal traurig oder wütend, als sie ihre Magie unbewusst nutzte. Wo kam dieser Impuls her? Was aktivierte sie dabei? Sie hat das Gefühl, so nah dran zu sein. Was passierte mit ihr? Warum aktivierte es sich? "Gut Rachel. Was tat dir dabei weh? Dein Arm, dein Kopf, dein Bein? Was war es, was dich so schmerzte?"
In Rachels Kopf klickt es. Lehrer würden sagen, dass die Glühbirne im Kopf jetzt klick machen sollte. "Mein Herz", flüstert Rachel in Gedanken zurück. "Gut gemacht, Rachel." Dann erlöscht die Stimme wieder. Wenn man die Augen öffnen würde, könnte man Maria an ihren Tisch gelehnt sehen, die Augen geschlossen und lächelnd. Ein paar waren schon so weit wie Rachel.

Ihr Herz. Der Schlüssel ihres Lebens und ihrer Magie. Simpel, wie genial. Sie denkt an ihr Herz, ihre Magie, die Natur in ihrem Kopf. Tatsächlich passiert etwas. Sie kann es fühlen ganz deutlich, deutlicher, als ihren Herzschlag und ihren Atem. Ihr ganzer Körper ist durchzogen mit einer unsichtbaren Kraft. Sie stößt kurz ganz leise auf, lässt ihre Augen aber geschlossen. Diese Magie... Wohin damit? Sie durchfließt gefühlt unglaublich viel, so viel, dass sie gar nicht weiß, wohin sie diese stecken soll! Sie konzentriert sich auf diese Energie und versucht das Blatt hinunter zu stoßen. Bild im Kopf, das Herz fühlen, die Magie darin, konzentriert sich ganz fest darauf, diesen Fluss zu nutzen. Und tatsächlich ist das gar nicht so schwer. Sie nutzt einen ganz kleinen Teil und öffnet ihre Augen. Sie benötigt sie nicht mehr geschlossen. Sie benutzt nur einen minimalen Teil, und befördert das Blatt von ihrem Tisch. "Was..."
"Pssssst", fordert Maria Ash sie auf, leise zu sein. Rachel laufen in der Zwischenzeit die Tränen stumm hinab. Sie hatte es geschafft. Sie kann ihre Magie fühlen und sie wie eine Anfängerin steuern. Endlich. Nach all den Jahren fühlt sie sich das erste Mal etwas glücklich. Sie hat es geschafft, Magie zu benutzen, sie zu verstehen und intensiv zu fühlen und das ganz bewusst, ohne traurig zu sein oder verletzt. Sie erlebt dieses Gefühl zum ersten Mal. Überglücklich ist sie. Sie, Rachel, hat es geschafft. Sie ist eine Hexe und fähig, ihre eigene Magie zu nutzen. Sie ist eine Hexe, genau wie ihre Mutter, die sie immer noch vermisst und deren Brief sie nicht entziffern kann.

Akademie der Hexen | girlxgirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt