Akademie der Hexen - Kapitel 19

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"Bereit, meine Liebe?" Rachel nickt etwas verängstigt. Teleportation soll Maria zwar schon gestern getan haben, allerdings war Rachel so erschöpft, dass sie davon nichts bemerkte. Doch nun ist sie bei vollem Bewusstsein. "Du musst nichts tun, außer meine Hand festzuhalten. Den Rest werde ich übernehmen. Du wirst kaum etwas merken." Rachel nickt und umschließt fest Marias Hand. Frühstück hatten sie gegessen, die Dusche mit ihr schwebt immer noch im Kopf. Es war so traumhaft. Sie hatte sich etwas mehr Zauber gewünscht. Keine Magie in dem Sinne, sondern magische Momente, entsprungen auf ihren Fingern, Zungen und ihren Stimmen. Aber Magie sollte nicht zu oft ausgeführt werden, sie verliere sonst ihre Besonderheit. "Los gehts, meine Liebste. Festhalten!" Maria zeichnet keine Rune, spricht keinen Zauberspruch, schwingt keinen Zauberstab, nichts. Es passiert einfach. Das Haus in dem sie wohnen verschwimmt zu einer Masse, bis es gänzlich verschwindet. Sie kann gar nicht erfassen, was geschieht. Sie fliegt rasend schnell an blauen Strömen vorbei, bis sie plötzlich in Marias persönlichem Büro steht. "Was ist passiert?" Rachel scheint kurz verwirrt und blickt Maria an. "Erstaunlich. Du bist wirklich einzigartig. Die meisten kotzen sich die Seele aus dem Leib, brechen zusammen oder werden Ohnmächtig." Sie schaut ihre Maria an. " Wirklich? Und... Wie komme ich hier heraus unbemerkt?" Maria lächelt nur und haucht ihr einen Kuss auf die Wange. "Eine Sache. Im Unterricht bin ich Miss oder Madame Ash, wie auch immer. Ich behandle dich den ganzen Tag wie eine normale Schülerin. Du kannst von mir keine Gnade bei den Noten erwarten und ich werde bei der Ausbildung Härte zeigen, gegenüber dir und jedem anderen. Sobald der Unterricht vorbei ist, kommst du in mein Büro und ich gehöre wieder dir. Diese Bedingungen muss ich stellen, ansonsten wird unsere Beziehung nicht funktionieren. Du kannst aus meinen Büro schleichen, niemand wird etwas hinterfragen, glaube mir. Gehe am besten jetzt zu deinen Freunden oder warte im Klassenraum. Wir sehen uns heute den ganzen Tag, meine Liebste." Rachel hört genau zu. Sie hat etwas Angst. Angst, dass sie Privat und Schule nicht unterscheiden kann, dass sie versagt, dass sie sich trennen.
Kurz schwebt ihr Serena im Kopf, aber es verschwindet gleich wieder. "Ja, Maria. Ich gebe mein bestes. Ich hoffe, ich schaffe das", meint sie ganz leise. Ihre Geliebte zeigt sie sich zuversichtlich. "Wir schaffen das zusammen. Du musst nur beruflich und privat trennen wie ich und dann können wir sehr glücklich werden. Sicher werden wir ab und an an unsere Grenzen an diesem Punkt stoßen, aber nach sechs Jahren ist es dann endlich vorbei. Dann haben wir Frieden. Und ob das jemand mitbekommt, lass mal meine Sorge sein." Nach dieser Zuversicht küsst sie Rachel kurz auf den Mund. "Und jetzt ab in dein Klassenzimmer, sonst wirst du in einer Einzelstunde bei mir nachsitzen. Glaube mir, dass willst du nicht." Sie gibt ihr einen Klaps auf den Hintern, was Rachel leicht erröten lässt. "Nun geh schon, mein Engel. Wir sehen uns als Fremde im Unterricht, als Liebende in der Freizeit." Ein letztes Mal küssen sie sich, bevor Rachel Widerwillen das Büro von Maria Ash verlässt und sich auf dem langen Korridor des Schulgebäudes wieder. Sie schaut zurück. Die Tür zu ihrer Liebsten ist verschlossen. Ihre Hand streift an der glatten, hölzernen Tür entlang, dann wendet sie sich schweren Herzens ab, wissend, dass eine lange Zeit sie trennt. Nun, nicht sehr lang, aber diese Stunden scheinen wie die Unendlichkeit in der Ferne zu liegen. Schritt für Schritt entfernt sie sich von dem Büro, keiner Menschenseele begegnet sie, keinem Galbi. Nun ja, fast keinem. Sie wollte gerade die Etage verlassen, als sich eine hintere Tür öffnet und über den Gang ruft. "Rachel? Geh bitte zu deiner Unterkunft. Heute ist die Prüfung am Fahrstuhl, hatte ich beinah vergessen. Bis nachher." So schnell wie Maria mit ihr sprach, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Aber Maria hatte recht. Rachel war noch so verzaubert, dass sie selbst vergessen hatte, dass irgendwas noch mit den Fahrstühlen heute war. Also geht sie die Treppen herunter ins Erdgeschoss zu den Fahrstühlen, nur um von jemandem aufgehalten zu werden. "Oh, Rachel. So zeitig schon unterwegs? Konntest du nicht schlafen oder bist du zu aufgeregt?" Rachel dreht sich herum und lächelt. "Guten Morgen Chronie. Ich habe dich gar nicht gemerkt. Ich war wohl zu sehr in Gedanken versunken." Innerlich betet sie, dass ihre Beziehung mit Maria in diesen sechs Jahren nicht herauskommt. Was nicht alles Maria passieren könnte! Zudem könnte sie in eine andere Klasse geschickt werden und Maria würde sie im Unterricht nie wieder sehen. Das darf nicht geschehen! "Kein Wunder. Es ist ja auch alles neu und spannend, ein beinah anderes Leben. Wer ist deine Klassenleiterin? Ich bin ja so neugierig!" Chronie lacht ein wenig. Das fliegende Buch scheint stets gut gelaunt, fröhlich und gern plaudern zu wollen. "M...Madame Ash." Kurz musste sie sich korrigieren, sonst hätte sie Maria gesagt. "Ach, Madame Ash! Hervorragend. Bei ihr wirst du viel lernen, auch, wenn sie zukünftig ziemlich streng sein wird, aber das hat sie dir ja sicher gesagt. Und wohin willst du nun, junge Dame?" Chronie springt manchmal schnell von Themen hin und her. Nicht umsonst verquatschen sich manche Schülerinnen mit ihm und kommen zum Unterricht deshalb zu spät. "Auf mein Zimmer zu meinen Freundinnen. Vorhin schliefen sie noch, aber ich glaube mittlerweile sind sie sicher wach", lügt Rachel. Sie will auf das Zimmer, der Rest ist gelogen. Chronie merkt das nicht, dazu ist er viel zu erheitert. "Ach, dann störe ich dich mal nicht weiter. Du wirst dich sicher noch etwas frisch machen wollen. Dann sehen wir uns später!" Letzteres singt er, seine Buchseiten flattern wild beim Reden. Er singt auch irgendetwas, als er davon schwebt. Rachel schaut im glücklich hinterher. Sie kann immer noch nicht glauben, dass sie hier so glücklich ist. Es fühlt sich an wie ein Traum, nur ist dieser Wirklichkeit geworden. Ihre Gedanken wirft sie beiseite und widmet sich dem Fahrstuhl. Wie tat es Madame Cairne, die Schulleitung? Welchen geheimen Mechanismus musste sie betätigen? "Du musst deine Hand schon an die Wand halten und Magie einfließen lassen", schnurrt ein junges Kätzchen. Natürlich redet sie nicht in der Sprache der Menschen, aber Rachel hört alles so deutlich, als wäre es die menschliche Sprache. "Woher weißt du..."
"Dass du mich verstehst", unterbricht das weiße Kätzchen Rachel. Sie leckt sich kurz über ihre zarte, rechte Vorderpfote. "Wir haben einen siebten Sinn. Du bist ein interessantes Mädchen. Nicht einmal einige Lehrer sprechen unsere Sprache so fließend, geschweige den der Großteil der magischen Welt." Sie schnurrt kurz sanft und blickt Rachel an. "Ich konnte es schon seit Kindheitstagen. Ich weiß auch nicht. Es war einfach da und ich konnte es." Rachel war nicht stolz auf ihre Fähigkeiten. Sie ist froh, dass sie diese hat und Zoobesuche waren immer besonders aufregend, aber sie gibt damit nie an. Es wurde ihr in die Wiege gelegt, von ihrer Mutter sicherlich. Ihr Vater starb vor ihrer Geburt und an ihre Mutter kann sie sich nicht erinnern. Sie fühlt aber, dass sie lebt, irgendwo auf dieser Welt muss sie sein. "Das hat diese Welt bisher noch nicht gesehen, jemanden wie dich. Pass auf, was du preis gibst, Rachel. Nun lege deine Hand auf die Wand und lasse Magie einfließen." Für andere miaut diese Katze einfach nur, für Rachels Ohren hört sich alles anders an. Sie tut einfach, was das Kätzchen ihr sagt, die nicht älter als zwei Jahre sein kann. Ihre linke Hand legt sie auf die steinerne Wand. "Tu einfach, was du gelernt hast. Fühle dich und deine Magie im inneren. Lasse sie nur minimal in das Gestein fließen, sonst zerstört du noch das halbe Gebäude", feixt die Katze über letzteres. Rachel konzentriert sich in der Zeit und ruft sich Marias Worte in den Kopf. Ihre Wut, ihr Hass, welche sich auf der Erde in furchtbares Unwetter manifestierten, kamen aus ihrem Herzen, dass kräftig schlägt, pumpt, sie am Leben hält, Tag für Tag. Das Zentrum ihrer Magie. Das, was so weh tat auf der Erde und sich gleichzeitig so gefreut hat, als Maria sie küsste, sie berührte. Sie fühlt die Magie sich durchfließen und es ist auch nicht schwer, sie in das Gestein gleiten zu lassen. Es fühlt sich zauberhaft an, unvorstellbar für nicht-magische Wesen. Rachel lächelt glücklich, zufrieden. Sie hat eine Bestimmung gefunden, ein Leben, einen Sinn.

Akademie der Hexen | girlxgirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt