Akademie der Hexen - Kapitel 66

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Die Stimmung im Turm ist merklich gedrückt. Die erbitterten Geräusche des Kampfes dringen stark abgeschwächt an ihre Ohren und erahnen nur, dass da draußen ein Massaker stattfindet, wie es diese Welt sehr lange nicht mehr gesehen haben muss. Unzählige Tote pflastern die Straße zum Frieden, wie es schon seit so vielen Jahrhunderten der Fall sei. Sie kommen in einer Art Empfangshalle an. Vergleichbar ist jene mit der einer großen Firma mit mehreren Tresen. Leere säumt die marmorne Halle, absolute Leere und Stille. Erneut fällt Rachel auf, dass die Welt der Hexen und Zauberer gar nicht so unähnlich den normalen Menschen ist. Viele Dinge wie die Infrastruktur oder die Bildung sind sehr klassisch. „Maria? Du weißt, was du zu tun hast. Dein Befehl ist klar und deutlich. Vernichte den Kessel und überlebe. Solltest du sterben, erachte ich dies als Befehlsverweigerung und bestrafe dies nach deinem Tod." Maria grinst nur auf. Ihre Liebste Mia nimmt sie zwar ernst, aber diese gespielte Rolle kann sie nicht wirklich nachvollziehen. Sie sind hier allesamt Vertraute und das sie so in ihrer Anführerrolle bleibt, kann sie Schulleiterin nur als massive Nervosität interpretieren. „Wie du wünscht, Liebling." Sehr zu Mias Ärgernis betont Maria das Wort Liebste. Schließlich will die als Oberhaupt des Zirkels Professionalität und Können zeigen und das in vollem Ausmaß. Die blonde Frau, die kein Mensch laut ihrer Aussage ist, verschwindet in eine der Dutzend Seitentüren. Sowohl Serena als auch Rachel schauen ihr besorgt hinterher. Beide hoffen, dass sie heil zurückkommt. Den Kessel der Seelen zu zerstören, welches noch ein verbotenes Artefakt ist, stellen sich beide schwerer vor, als gegen die letzten zwei Ratsmitglieder antreten zu müssen. „Kommt. Folgt mir. Schaut in keine andere Tür. Die meisten sind magisch verzaubert und unbefugtes Betreten ohne die Einwilligung eines offiziellen Ratsmitglieds bedeutet den Tod." Rachel und ihre feste Freundin folgen Mia schweigend. Die Feuermagierin scheint kühl zu bleiben, wie immer, aber wer weiß, was sich in ihrem inneren für eine Szenerie abspielt. Rachel hingegen springt beinah das Herz aus der Brust. Angst hat sie zu sterben, Angst zu verlieren, was man liebt. Sie denkt auch an ihre beiden Freunde, Sara und Jane. Gott, wie sie diese vernachlässigt hatte. Sie hatte sich so sehr auf Serena und Rachel sowie ihr Lernen fokussiert, dass die beiden außerhalb des Unterrichts definitiv zu kurz kamen. Wenn beziehungsweise falls sie hier lebend herauskommt, dann würde sie zu diesen beiden eine festere Bindung aufbauen. Schließlich waren sie ein Grundstein dafür, dass sie sich selbst in ihren Gedanken mit ihrer Liebe zu Serena beschäftigte, welche heute als ebensolche an ihrer Seite in die Zukunft schreitet. Während sie so ihren Gedanken, Befürchtungen und eigenen Vorwürfen nachgeht, gehen alle durch ebenso edle Gänge. Der Architekt dieser Welt scheint irgendwie eine Art Vorliebe für Marmor zu haben. Wie viele Finanzen wohl dafür verschleudert wurden, nur damit eine Art der Regierungsform in diesen Hallen wandelt? Verteidigung schön und gut, aber musste der ganze Prunk sein? Hätten es nicht auch einfachere Materialien getan? Nun, wie dem auch sei. Der ganze Weg ist für die zwei relativ unspektakulär. Während Mia sie ab und an zum anhalten zwingt über einen wörtlichen Befehl, starren die zwei Gemälde längst verstorbener Magier und Hexen an. „Das dort ist Aldur Parcival. Er ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten, wenn es um die Elementarstruktur von magischen Gebilden und Zaubern geht. Seine Forschungen haben dazu beigetragen, dass Magie verfeinert werden kann und ausgereift werden kann. Dadurch konnte man auch Elemente in einzelne Strukturen zerlegen, um völlig neue Zauber zu erschaffen, welche auch vererbt werden können. Eigentlich gibt es Verwandlung nur in Tiere, aber seltene Talente können dies dank langer Forschung in der Vergangenheit auch wagen, sich in andere Menschen zu verwandeln." Während Serena leise flüstert und Mia sich mit irgendwelchen Dingen im Raum zwecks Fallenentschärfung beschäftigt, muss Rachel sofort an Jane und Sara denken. Wer von den beiden hatte sich gleich in Serena verwandelt und sie geküsst? Wie hat sie das nur vergessen können. „Ich kenne jemanden, der diese Fähigkeit beherrscht. Sie ist..."
„Ihr zwei könnt euch gern später weiter unterhalten. Los. Wir müssen weiter." Rachel seufzt schwer aus und Serena folgt sofort schweigend. Manchmal fragt sich die junge Hexe mit dem grünen Haar, ob Serena eine Maschine ist, so schnell wie sie umschalten kann. Oder liegt das an ihrer Vergangenheit, die sich in ihre Persönlichkeit eingegraben hat? Wie lange sind sie schon in diesem Turm? Stunden? Minuten? Jahre? Zeitgefühl scheint hier nicht zu existieren. Lediglich Mia weiß, dass sie seit zwei Stunden hier sind und Tiefen des Turms erreicht haben, die ziemlich nahe am finalen Showdown liegen. Als die beiden ihr endlich wieder folgen und ihre Gespräche einstellen, erreichen sie einen großen Raum mit einer runden Tafel, wie zu Zeiten der Legende von König Artus. Nur die Stühle und der Tisch sind deutlich gehobener und an einem der größten und edelsten Stühle sitzt Elma. Ihre Haare sind ziemlich verrückt. Sie sind rosafarben, aber der Sidecut verleiht ihr eine andere Aura, eine wilde, unbezähmbare. Ein paar Piercings zieren ihr Gesicht und ein Tattoo einer Schlange ziert ihre rechte Wange. „Schau mal einer an. Das kleine Vögelchen kommt nach Hause. Du hast uns ganz schöne Kopfschmerzen bereitet, vor allem, als du Cissica getötet hast. Dafür werde ich dir das Innenleben deines Körpers zeigen. Alle Teile von dir werden auf dem Boden liegen und wir werden sie anatomisch besprechen, während du wie ein abgestochenes Stück Scheiße verblutest und dir die Seele aus dem Leibe kotzt!" Elmas Stimme ist recht laut, aber beherrscht und kontrolliert. Mia bleibt ruhig und lässt sich keineswegs provozieren. „Rachel. Serena. Nehmt die rechte Tür. Dort wird Tira nach einem weiteren Raum warten. Ihr müsst sie nicht töten, nur beschäftigen, bis ich hier fertig bin."
„Aber Mama...", flüstert Rachel traurig. „GEH! Du hast mir etwas geschworen, Rachel. Jetzt nimm deine Freundin und geh!" Ihr Befehlston ist grob, aber ihre Seele blutet. Ihre Tochter so anschreien zu müssen, bricht ihr das Herz. Während Rachel sich selbst ihrer Trauer und der Sorge um ihre Mutter ausgesetzt ist, zerrt Serena sie mit Leichtigkeit fort. Sie wendet sich nicht zu Mia um, sondern bringt Rachel Tira entgegen. Sie geht ohne Rücksicht vor, um Rachel vor einem Nervenzusammenbruch zu bewahren. Die Türen werden geschlossen und Elma lächelt Mia an. „Du schickst sie in den Tod, Mia. Das ist dir klar, oder?" Die Anführerin des Zirkels der Dämonen schweigt. „Wie immer still und starr. Du hast es schon immer gewusst, Leute wie Puppen für dich tanzen zu lassen. Der Mensch muss in einem kontrollierten System sein um Chaos zu vermeiden. Die Mächtigen wie wir müssen herrschen und kontrollieren", behauptet Elma voller Überzeugung. „Du irrst dich, Elma. Ihr verbannt Menschen und tötet sie. Ihr überwacht sie wie in einem totalitärem System, welches keinen Widerstand duldet. Ich nehme nicht länger hin, dass ihr mit den Menschen spielt, wie es euch beliebt. Das wird heute Enden." Elma erhebt sich grinsend von ihrem Stuhl und leckt sich über die Lippen. „Im Bett warst du fügiger und nicht so stur. Schade, dass du dich anders entscheidest, du warst wirklich bezaubernd. Beenden wir das, Mia."
„Wir beenden es heute, Elma. Ein für alle Mal!" Mia erinnert sich sehr gut an die Nächte und Tage mit Elma. Wäre sie nicht so eine korrupte Frau, hätte die Zukunft komplett anders ausgesehen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Trotz der Gefühle und ihrer gemeinsamen Vergangenheit ist Mias Ziel klar: Elma muss sterben.


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