Akademie der Hexen - Kapitel 27

1.3K 80 3
                                    

Aus dem Buch über Verwandlung ist Rachel nur etwas schlau geworden. Ihr fehlt wohl der nötige Unterricht und eine erfahrene Lehrerin, die ihr beibringen könnte, sich zu verwandeln. Etwas Theorie hat sie sich angeeignet, aber die Umsetzung in die Praxis ist ziemlich schwierig. Und das soll sie bald lernen? Im ersten Jahr noch? Später kommt noch Zaubertränke brauen, Astronomie und ein paar Unterrichtseinheiten, die erdentypisch sind. Wie auch immer. Sie folgt nun lieber ihrem ganz eigenem Zauber auf den Schulhof, der bereits bunt erblüht. Kirschblütenbäume erstrahlen in ganzer Pracht, Blumen am Rande des Weges leuchten und erhellen den Weg selbst an den regenreichsten Tagen. Rachel ist voll und ganz zufrieden mit ihrem Werk. "Ach, schön ist das geworden. Serena wird sich sicher freuen."
"Und wie sie das wird." Die Stimme kennt Rachel. Mit ihr persönlich hatte sie noch nicht viel Kontakt. "Madame Cairne", begrüßt Rachel deutlich überrascht die Schulleiterin. "Habe ich etwas falsch gemacht?" Die junge Hexe ist etwas ängstlich. Wieso sollte die Schulleitung ausgerechnet sie aufsuchen? Wegen ihrer Kräfte? Oder hatte sie etwas falsches getan mit der Verschönerung des Schulhofes? "Ehm verzeihen Sie die Frage, aber, wieso haben Sie Koffer dabei? Fahren Sie in den Urlaub?" Sie betont ihre Worte stets äußerst respektvoll und ehrfürchtig. Immerhin steht hier Madame Cairne, die Leiterin der Akademie der Hexen vor ihr. "Nein. Ich verlasse meinen Posten, junge Hexe. Ich bin nicht mehr die Schulleiterin, also ist auch eine höfliche Ansprache nicht mehr erforderlich." Sie lächelt Rachel an, als habe sie überhaupt keine Sorgen in ihrem Leben. "Sie gehen? Warum? Wieso? Sie können uns doch nicht allein lassen! Wir benötigen Ihr Wissen, ihre Kenntnisse!" Warum geht sie den plötzlich? Was mag wohl geschehen sein? "Ich wurde von der neuen Schulleitung als zu schwach eingestuft. Ich solle angeblich meine Position nutzen, um höhere Jahrgänge zu unterrichten. Ich sei zu schwach dafür und man solle dies lieber Leuten überlassen, die mehr Erfahrung haben, das Potential aus den Schülern zu schöpfen." Rachel ballt die Fäuste zusammen. "Wer maßt sich bitte an, Sie zu..." Sie verstummt sofort. Madame Cairne gebietet ihr mit dem Heben der Hand Stille, nachdem sie die Koffer auf dem Boden abgestellt hatte. "Sie hat nicht ganz unrecht. Ich finde die Art und Weise, wie man dieses Problem gelöst hat, nicht gut. Aber in gewisser Weise hat sie recht. Ich bin alt, Rachel. Ich bin nichts. Seht eure Generation nur einmal an. Serena Raven, Maria Ash und schlussendlich du. Ihr seid bereits jetzt schon mächtiger, als ich es je sein kann. Ich hätte nicht den Hauch einer Chance in einem ernsten Kampf, selbst, wenn es mich zwei Mal gleichzeitig gäbe. Vielleicht haben mich die Jahre als Schulleitung blind werden lassen. Ich habe stets die höchsten Jahrgänge unterrichtet und auch nur die Besten, um ihr Talent zu fördern. Ich war wütend, als ich meinen Posten verlor, aber jetzt, wo sich meine Emotionen beruhigt haben, erkenne ich, dass ich vielleicht einigen Hexen nicht zu vollem Talent verholfen habe. Das war ein schwerwiegender Fehler, den ich nicht wieder heilen kann oder rückgängig machen kann. Es ist geschehen. Ich sehe ein, dass mein Platz woanders ist, in der Theorie, an Universitäten, aber nicht hier an der Hexenakademie. Es ist an der Zeit, den Platz für die neue Generation zu bereiten. Ich habe zu lange gebraucht, um zu verstehen. Der Fehler wurde korregiert. Vielleicht solltest du noch aber ein paar Sachen über deine neue Schulleitung wissen, Rachel. Ich weiß, was ihr beide miteinander treibt. So war Maria schon immer, nur hat sie an dir etwas gefunden, was sich wirklich wohl nur als wahre Liebe beschreiben lässt." Rachel hört genau zu und versteht auch diese Entscheidung, auch, wenn die herangehensweise etwas rücksichtslos ist. Aber vielleicht war es ja doch besser, wie Madame Cairne sagte. Sie erstarrt aber, als sie Marias Namen hörte, in Verbindung mit ihr und dem Wort Schulleitung. "Sie ist die neue Schulleitung? Und woher wussten Sie davon?" Rachel umgibt sich nicht mit Lügen und Geheimnissen. Möglich, dass Madame Cairne nicht die beste Hexe ist, aber dumm ist sie keineswegs. "Sie ist Jägerin und ihr Fachwissen ist für ihr Alter erstaunlich. Sie ist die beste Lehrerin, die unsere Akademie je hatte und wahrscheinlich auch eine der besten Jäger in den letzten Jahrhunderten. Sie ist ein guter Ersatz für mich. Nein, ein viel besserer. Ihre Entscheidung ist richtig, Rachel, sei nicht wütend auf sie. Ich kenne Maria Ash schon einige Zeit. Sie mag jüngere Frauen in deinem Alter, so ist sie nun einmal. Sie verschleiert das gut und ich konnte es ihr bisher nie nachweisen, auch eure Beziehung konnte ich nicht nachweisen, aber ich wollte es auch nicht. Diese Frau hat viel durchgemacht, viel riskiert und ihr Leben beinah weggeworfen, um diese Welt zu beschützen. Sie hat..."
"Es reicht", ertönt eine Stimme von hinten. "Das Recht, Rachel meine Geschichte zu erzählen, hast du nicht, Audrey." Rachels Augen glänzen, als sie Maria sieht. In der Nacht sieht sie noch umwerfender aus, als am Tag, beinah, als sei sie für die Nacht geschaffen. "Sie hat ein Recht es zu erfahren." Maria verschränkt die Arme vor sich. "Ich habe mich bereits für mein Handeln entschuldigt und ich habe mehrfach bewiesen, was ich will. Also wäre es entsprechend nett, mir mein Recht zu lassen. Rachel wird davon erfahren Audrey, du kannst dich darauf verlassen. Es ist aber meine Entscheidung, wann ich was von mir erzähle. In diesem Sinne ist es Respektlos, mir dieses Recht gegenüber Rachel zu verweigern. Von mir aus kannst du mich verpfeifen, Audrey Cairne, aber das hat nicht viel Sinn, weil es keine Beweise gibt." Rachel steht schweigend da und mischt sich nicht ein. Sie kann und will es nicht. Das ist nicht ihr Spiel. Madame Cairne hebt ihre Taschen wieder hoch und lächelt Rachel an. "Viel Erfolg, Rachel. Du wirst hier gut abschließen." Sie wendet sich ohne ein weiteres Wort ab. "Madame Cairne!" Rachel brüllt ihr hinterher. Den Brief hatte sie immer noch dabei und zückt ihn deshalb aus ihrer Tasche. "Wer hat das geschrieben? Ich suche meine Mutter, es ist ihre Handschrift! Ich bitte Sie, helfen sie mir!" Rachel ist verzweifelt. Selbst Maria kann ihn nicht lesen. Madame Cairne bleibt stehen, dreht sich aber nicht um. "Wenn Maria es nicht kann, kann ich es auch nicht. Ich kenne jemanden, der in Sprache äußerst begabt ist. Eigenartigerweise verschwand er genau am ersten Schultag. Ich weiß nicht, wo er ist. Er hat keine Nachricht, keine Spur hinterlassen. Es tut mir leid." Rachel wird fassungslos stehen gelassen. Wieso kann den niemand diesen Brief lesen? Was ist den bitte so geheim, dass ihre Mutter den Brief so aufwendig verschlüsseln musste? Maria eilt sofort an ihre Seite. Rachel hinterfragte die Sache nicht, sie akzeptiert sie einfach. Wozu Maria jetzt zur Rede stellen? Wenn sie und höhere Instanzen der Meinung sind, dass es das beste wäre, eine neue Leitung einzusetzen, dann ist es so. "Ich bin mit der Schulleiterin zusammen", flüstert Rachel zu sich selbst. Sie kann es nicht fassen. Die Beziehung mit einer Lehrerin ist schon ein großes Tabu, doch jetzt ist Maria Schulleiterin, die höchste Instanz. "Maria. Wenn das jemand mitbekommt, sind wir beide erledigt."
Die neue Leiterin presst sich an den Rücken von Rachel und schlingt ihre Arme um diese. "Das wird niemals passieren. Das lasse ich nicht zu. Eher kündige ich, als das es jemand heraus bekommt. Und jetzt komm. Du hast viel zu verdauen und ich will nach Hause." Natürlich gibt es keine Wiederworte von Rachel. Sie würde Maria folgen. Nach Hause. Zu ihrem gemeinsamen zu Hause.

Akademie der Hexen | girlxgirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt